Großer Erfolg für den Finanzplatz Frankfurt: Die Mainmetropole wird Hauptsitz des International Sustainability Standard Board (ISSB), das zeitnah eingerichtet werden soll. Das Gremium soll unter den Dach der gemeinnützigen International Financial Reporting Standards Foundation (IFRS) entstehen und international gültige Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen erarbeiten.
ISSB kommt auch nach Montreal
Die Mainmetropole hat sich neben zahlreichen weiteren Städten um den Sitz des neuen ISSB beworben und nun das Rennen gemacht. Zwar wird Frankfurt nicht der einzige Standort des ISSB, doch als Hauptsitz sollen dort sowohl die Chairperson als auch das 14-köpfige Board des Gremiums angesiedelt sein.
Weitere Schlüsselfunktionen werden in Montreal angesiedelt. An beiden Standorten soll der Betrieb schon im kommenden Jahr aufgenommen werden. Geplant seien darüber hinaus weitere Büros in London und San Francisco, heißt es. Auch Tokio und Peking seien im Gespräch für weitere Standorte. Dies könnte bedeuten, dass dem Frankfurter Hauptsitz eher steuernde als operative Aufgaben zufallen werden.
Als Hauptsitz des ISSB dürfte Frankfurt aber eine Schlüsselrolle im globalen Geschäft mit der Nachhaltigkeit einnehmen. Und dieses Feld wird enorm an Bedeutung gewinnen, insbesondere im Kampf gegen den Klimawandel und für mehr Nachhaltigkeit. Der Finanzmarkt wird aus Sicht der Politik eine zentrale Rolle dabei spielen. Dieser entscheidet, welche Unternehmen zukünftig noch Finanzierungen bekommen, weil sie nachhaltig wirtschaften oder nicht. Für Banken und Vermögensverwalter bedeutet dies neue Anforderungen an die Risikobewertung.
ISSB soll globale Standards schaffen
Doch der boomende Markt für Sustainable Finance ist derzeit noch weitgehend unreguliert und schwer überschaubar. Einheitliche Standards – etwa für grüne Geldanlagen oder die von Banken zunehmend gefragten ESG-Ratings – fehlen bislang. Auch in Sachen EU-Taxonomie und den daraus resultierenden Pflichten für Unternehmen, in Nachhaltigkeit zu investieren, herrscht noch Unklarheit.
Fest steht allerdings schon jetzt, dass das Sustainability Reporting – also die Berichterstattung über Nachhaltigkeitsaspekte – für Unternehmen nicht zuletzt durch den „Green Deal“ der EU massiv an Bedeutung gewinnen wird. So soll die Rechnungslegung künftig auch für die Berichterstattung rund um das Thema Nachhaltigkeit ausgebaut werden. Dies erfordere neben der klassischen Bilanzierung, die mit ihren Zahlen zu Vermögen und Schulden zu einem Stichtag immer ein Blick in die Vergangenheit ist, auch den Blick nach vorn, wie Andreas Barckow, Präsident des International Accounting Standards Board (IASB), in einem Gespräch mit der „F.A.Z.“ erläuterte.
An dieser Stelle soll das neue ISSB mit der Aufstellung international akzeptierter Standards Abhilfe schaffen. Doch dazu brauche es zuvor einen internationalen Konsens zur Definition von Nachhaltigkeit, ist sich Barckow sicher und führt als Beispiel die Uneinigkeit darüber an, ob die Atomkraft wegen ihrer CO2-Neutralität als grün gelten soll.
Frankfurt mit breiter Unterstützung bei ISSB-Bewerbung
Dass diese Standards nun in Frankfurt erarbeitet werden, dürfte nicht zuletzt an der breiten Unterstützung aus Politik, Finanzwirtschaft, Industrie und Wissenschaft für die Bewerbung gelegen haben. Rückendeckung kam unter anderem vom Bundesfinanz- und dem Bundesinnenministerium sowie von zahlreichen Verbänden aus der Finanz- und der Realwirtschaft. „Mit der Sustainable-Finance-Strategie wollen wir Nachhaltigkeit als Leitprinzip im Finanzmarkt verankern und Deutschland zu einem führenden Standort für Sustainable Finance entwickeln”, kündigte Bundesfinanzminister Olaf Scholz an.
Insgesamt warben 185 Unternehmen und Organisationen für den Finanzplatz Frankfurt, darunter auch Verbände wie der BDI oder der Bundesverband deutscher Banken (BdB). Dessen Präsident, Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, bezeichnete die heutige Entscheidung als großen Erfolg für den Finanzplatz. Deutschland zähle beim Thema nachhaltige Finanzierungen schon heute zu den führenden Standorten. „Diesem Anspruch wollen wir auch in Zukunft gerecht werden. Dabei ist eine international abgestimmte Nachhaltigkeitsberichterstattung für global agierende Banken und Unternehmen von zentraler Bedeutung“, so Sewing.
Auch zahlreiche Banken äußerten sich positiv zu dem Votum pro Frankfurt. Mit seinen mehr als 200 Banken sowie internationalen Organisationen und einer hervorragenden wissenschaftlichen Infrastruktur biete Frankfurt dem ISSB ein optimales Umfeld, heißt es aus der Finanzbranche.
thomas.holzamer[at]finance-magazin.de
Thomas Holzamer ist Redakteur bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Banken-Sektor, speziell das Firmenkundengeschäft. Er hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Thomas Holzamer mehr als 12 Jahre in den Redaktionen der Mediengruppe Offenbach-Post, zunächst als verantwortlicher Redakteur für Sonderpublikationen, später im Lokalen.