Von der Kür zur Pflicht: Sich nicht mit Nachhaltigkeitsthemen zu beschäftigen, wird inzwischen als risikoreich empfunden. Das schwang bei den Diskussionen auf der Digitalkonferenz „Green FINANCE“ vergangene Woche mit. Rund 600 Teilnehmer diskutierten einen Tag lang nicht über das ob, sondern über das wie.
ESG wird künftig Kreditvergabe beeinflussen
Die Relevanz, die Finanzverantwortliche dem Thema beimessen, zeigt auch eine aktuelle Umfrage, die FINANCE und F.A.Z. Business Media | research gemeinsam mit der LBBW durchgeführt haben. 73 Prozent der befragten Finanzentscheider haben sich bereits mit nachhaltigen Finanzierungen auseinandergesetzt. Im Jahr 2020 waren es erst 52 Prozent.
Doch das Thema ist längst nicht mehr nur für die Unternehmen relevant, die explizit den Sustainable-Finance-Markt anzapfen wollen. 73 Prozent aller Finanzentscheider gehen davon aus, dass die Finanzierungskosten von Unternehmen steigen werden, die keine glaubhafte Nachhaltigkeitsstrategie vorweisen können. 30 Prozent sind der Ansicht, dass Nachhaltigkeit schon jetzt ein wichtiges Kriterium bei jedem Kreditantrag ist.
Über die aktuellen Ergebnisse der Studie, die Sie hier finden, diskutierten zum Auftakt der Konferenz Thomas Lemper, CFO des Energiedienstleisters Ista, und LBBW-Experte Christoph Trautner. Sie stellten sich dabei auch der Frage, ob die Ziele, die Unternehmen häufig in ESG-linked Finanzierungen einbauen, auch ambitioniert genug gesetzt sind und ob die Transformation der Wirtschaft schnell genug vorankommt.
Heidelberg Materials, Verbund, Eurogrid und Co.
Vor einem großen Wandel steht beispielsweise der Konzern Heidelberg Materials. Wie genau dieser aussieht, und wie der Zementhersteller sein emissionsreiches Geschäft nachhaltiger machen will, erklärte auf der Digitalkonferenz CFO René Aldach, der schon vorab mit FINANCE über die Transformation der Heidelberger sprach.
Zahlreiche weitere Unternehmen gaben vergangene Woche einen Einblick, wie sie sich auf die steigenden regulatorischen Anforderungen vorbereiten oder grüne Finanzierungen nutzen. Ein Trend ließ sich zu Sustainability-linked Transaktionen erkennen, über die etwa der österreichische Stromversorger Verbund sprach. Der Energieanlagenbauer Encevo diskutierte das Thema Rendezvous-Klauseln – spannend vor allem für Mittelständler, die noch nicht auf ausreichend gute ESG-Daten zurückgreifen können.
Doch auch andere Finanzierungsformen wurden intensiv diskutiert, wie etwa ein Förderkredit, den Eurogrid zum Netzausbau bei Offshore-Windanlagen nutzt. Der Technologiekonzern präsentierte eine innovative Asset-as-a-Service-Finanzierung und der Energieriese EnBW stellte vor, wie der Konzern die EU-Taxonomie in die eigene Finanzierung integriert.
Die Zukunftsthemen für die Finanzabteilung
Bei allem Enthusiasmus für den Wandel zu einer nachhaltigeren Wirtschaft, waren jedoch auch die hohen Belastungen ein Thema, die damit gerade auf Mittelständler nun zukommen. Im Rahmen der Studie monierten 45 Prozent der befragten Unternehmensentscheider, dass die Offenlegungspflichten zu weit gehen und zu großen Belastungen führen. Auch auf der Konferenz wurde diskutiert, wo die größten Schwierigkeiten liegen. Etwa bei ESG-Ratings, deren mangelnde Standardisierungen für viele Finanzabteilungen weiterhin ein Stolperstein ist. Über den Umgang mit den Bewertungen diskutierten unter anderem Vertreter von Jenoptik und All for One.
Zum Abschluss der Konferenz richtete die Finanz-Community noch einmal den Blick nach vorne. Vorreiter am Green-Finance-Markt gaben einen Einblick, welche Themen aus Ihrer Sicht künftig relevant werden. Mit dabei waren unter anderem Vertreter von Otto, E.on und Covestro. Zentrale Themen der Runde waren die Rolle der Banken und die Frage, welcher finanzielle Mechanismus, die Transformation künftig entscheidend voranbringen könnte.
Alle Ergebnisse der Studie „Green Finance. Zwischen Ambition und Transformation“ finden Sie hier.
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Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.