Der Baukonzern Carillion erlebt schwere Zeiten. Vor gut einer Woche musste der britische Baukonzern eine massive Gewinnwarnung verkünden. Abschreibungen in Höhe von über 845 Millionen Britische Pfund (965 Millionen Euro) waren nötig geworden. Der Aktienkurs befand sich zeitweise im freien Fall und büßte rund zwei Drittel seines Wertes ein.
Seither hat sich das Wertpapier des Spezialisten für Public-Private-Partnerships, also Gemeinschaftsprojekte mit der öffentlichen Hand, kaum erholt. Experten vermuten, dass Carillion eine Kapitalerhöhung von rund 500 Millionen Pfund benötigen könnte. Die Spezialisten der Investmentbank Lazard tüfteln bereits an einem entsprechenden Rettungsplan.
Bemerkenswert ist der Fall deshalb, weil Carillion erst vor rund fünf Monaten einen Schuldschein begeben hatte. 112 Millionen Euro haben die Briten mit dem Papier im Januar 2017 eingesammelt – 12 Millionen Euro mehr, als ursprünglich geplant. Die Wertpapiere laufen fünf Jahre, Carillion bezahlt nach eigenen Angaben weniger als 3 Prozent. Ist das ein Anzeichen dafür, dass der Schuldscheinmarkt bereits zu heiß gelaufen ist?
Schuldschein: High-Yield statt High-Class
Ohne Zweifel boomt der Markt seit geraumer Zeit. Im vergangenen Jahr erreichte das einstige Nischeninstrument ein Rekordvolumen von rund 26 Milliarden Euro. Der Boom setzt sich auch in diesem Jahr fort, was sich in einem hohen Volumen und immer niedrigeren Renditen zeigt. So konnte B. Braun vor kurzem extrem günstige Konditionen erzielen.
Das Medizintechnikunternehmen aus Melsungen in Nordhessen gehört allerdings zu den soliden Emittenten, die den Schuldschein seit vielen Jahren immer wieder einsetzen. Anders stellt sich die Lage bei dem einen oder anderen Newcomer dar. Mehr als 30 Prozent der Emittenten haben nach einer Analyse der Ratingagentur Scope einen Leverage von mehr als dem Vierfachen des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Das liegt deutlich im High-Yield Bereich.
Das Problem: Der Schuldschein ist für Unternehmen mit solider Bonität gedacht. Die Finanzkrise 2008/09 hat gezeigt, dass Emittenten sich teils aufwendig mit Ihren Schuldscheingläubigern einigen musste, weil Krisenmechanismen in der Dokumentation fehlten.
Lackmustest kommt erst noch
Noch schrillen bei Scope zwar nicht die Alarmglocken: Die Verschuldungssituation der Emittenten im ersten Halbjahr 2017 deute insgesamt mit einem durchschnittlichen Leverage von 2,7x Ebitda auf eine solide Kreditqualität hin, schreibt die Ratingagentur.
Doch ein Warnsignal ist der Fall Carillion allemal. Auch bei den Mittelstandsanleihen und den Mezzanine-Programmen waren es anfangs einzelne Ausfälle, die zeigten, dass etwas faul ist. Zu größeren Schuldschein-Ausfällen wird es allerdings vermutlich erst dann kommen, wenn sich die wirtschaftliche Situation deutlich verschlechtert.
Müssen Carillion-Gläubiger Haircut hinnehmen?
Darauf deutet derzeit in Deutschland nichts hin, weswegen der Fall Carillion (noch) eine Ausnahme ist. Die Briten arbeiten mit Hochdruck an der Rettung: Dividendenzahlungen haben sie bereits gekürzt. Sogar über einen Tausch von Schulden in Aktien des Unternehmens („Debt-to-Equity-Swap“) sollen die Briten nachdenken.
Das wäre ein herber Schlag für die Schuldscheininvestoren, die gerade erst im Januar die Carillion-Papiere gezeichnet haben. Vielleicht erweist sich der Warnschuss als heilsam und die Anleger wählen künftig genauer aus. Das durchschnittliche Pricing – gemessen an den Risikoaufschlägen für fünfjährige in Euro-Schuldscheintranchen – erreichte im ersten Halbjahr einen neuen Rekord von 118 Basispunkten gegenüber 138 Basispunkten in 2016. Diese Entwicklung kann auf Dauer nicht gesund sein.
Info
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Markus Dentz ist Chefredakteur von FINANCE und der Fachzeitschrift DerTreasurer. Seine journalistischen Schwerpunktthemen sind Unternehmensfinanzierung, Restrukturierung und Treasury. Nach dem Studium und dem Volontariat beim F.A.Z.-Institut stieß Dentz zur FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH, einer Tochter der F.A.Z.-Verlagsgruppe und Herausgeberin von DerTreasurer und FINANCE. Mehrfach wurden seine Artikel aus den Bereichen Private Equity und M&A mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.