Herr Moser, Sie behaupten, weil die Adler Group vom Wirtschaftsprüfer KPMG statt eines Bilanztestats ein Versagungsvermerk erhalten hat, habe das Unternehmen die Covenants diverser Anleihen gebrochen. Das Unternehmen selbst sieht das anders. Wie kommen Sie zu Ihrem Schluss?
Der Abschlussprüfer KPMG sah sich wegen fehlender Informationen nach eigenem Bekunden nicht dazu in der Lage, ein Prüfungsurteil abzugeben. Damit entspricht der am 30. April von Adler vorgelegte Abschluss nicht den rechtlichen Anforderungen an einen “geprüften” Jahresabschluss im Sinne der Anleihebedingungen.
Adler-Verwaltungsratschef Stefan Kirsten steht auf dem Standpunkt, dass der Abschluss durchaus geprüft worden sei, die Prüfung hätte nur nicht abgeschlossen werden können. Ein Versagungsvermerk bedeute nicht, dass der Jahresabschluss fehlerhaft sei. Laut Kirsten sei ihm diese Rechtsauffassung von eigenen Rechtsberatern bestätigt worden.
Es ist richtig, dass in den Anleiheklauseln nicht steht, dass der Konzernabschluss einen Bestätigungsvermerk enthalten muss. Der Wortlaut ist jedoch nicht so eindeutig, wie er zunächst erscheint.
Bitte erklären Sie das!
Es heißt „geprüft“ und nicht „teilweise geprüft“, „angeprüft“ oder ähnliches. In der Klausel steht nicht, dass dies auch für eine Prüfung ohne abschließendes Urteil gelten soll.
Moser hält Adler-Bilanzprüfung für nicht abgeschlossen
Laut HGB reicht es, wenn Prüfungshandlungen durchgeführt werden und am Ende eines von vier Ergebnissen steht – eines davon ist explizit der Versagungsvermerk. Das spricht doch klar für die Position von Adler.
Auf den ersten Blick ja. Aber schauen wir uns den Versagungsvermerk von KPMG einmal genauer an. Dort wird festgestellt, dass ein Bestätigungsvermerk nicht erteilt werden kann, weil die Prüfung aufgrund fehlender Informationen gerade nicht abgeschlossen werden konnte. „Es konnte kein Prüfungsurteil abgegeben werden, weil der unabhängige Abschlussprüfer nicht in der Lage gewesen ist, ausreichende geeignete Prüfungsnachweise zu erlangen“, heißt es wörtlich auf Seite 207 im veröffentlichten Konzernabschluss 2021 von Adler. Folgte man Adlers Rechtsauffassung, würde dies bedeuten, dass die Aussage von KPMG, dass die Prüfung nicht abgeschlossen werden konnte, den Abschluss der Prüfung darstelle. Das ergibt wenig Sinn und entspricht mit ziemlicher Sicherheit auch nicht dem, was in den Anleiheklauseln gemeint ist.
Nämlich?
Es ist doch üblich, dass Jahresabschlüsse nicht nur „ein bisschen“ geprüft sind, sondern dass auch ein Prüfungsurteil zu den Zahlen vorliegt. Die Öffentlichkeit und die Anleihegläubiger verlassen sich auf die Prüfung und die dadurch gestärkte Aussagekraft der Veröffentlichung und nicht allein auf die Zahlen des Unternehmens.
Das ist ein semantisches, aber kein juristisches Argument.
Doch, das ist durchaus juristisch. Auch im Recht ist es eine wichtige Kategorie, was gemeint gewesen wäre, hätte man beim Zeitpunkt des Erstehens einer Klausel das spätere Ereignis vorhergesehen. Das stärkste Argument dafür, dass ein Kündigungsgrund bereits eingetreten ist, liegt im Sinn und Zweck der Klausel und der Bedeutung, die ein typischer Anleger von einer solchen Klausel erwarten würde. Die Frage lautet demgemäß: Hätten die Anleihegläubiger die Situation vorhergesehen und gesagt: „Wir brauchen kein Prüfungsurteil.
Es reicht, wenn jemand mit der Prüfung und Durchsicht begonnen hat – egal, ob er die notwendigen Informationen hatte, um ein Urteil abzugeben.“ Das ist sehr zweifelhaft. Daher sind wir der Auffassung, dass die Jahresabschlüsse mit dem KPMG-Vermerk nicht als „geprüft“ im Sinne der Anleihebedingungen einiger Anleihen der Adler-Gruppe zu qualifizieren sind. Es liegt also ein Covenant-Bruch vor.
Kommt bei Adler jetzt die Finanzrestrukturierung?
Bei wie vielen Anleihen von Adler ist dies Ihrer Meinung nach der Fall, und wie hoch ist deren kumuliertes Volumen?
Das ist nach unserer Analyse bei mindestens sechs der von der Adler Group S.A. emittierten Anleihen mit einem Gesamtnominalvolumen von bis zu 3,2 Milliarden Euro der Fall. So viele Anleihebedingungen, die uns vorliegen, sehen derartige Covenants vor.
Was bedeutet das jetzt für die Situation bei Adler?
Es bedeutet, dass Anleihegläubiger, wenn sie das in den Anleihebedingungen festgelegte Quorum (meist 15 Prozent des Nennwerts) erreichen, die Anleihen fällig stellen und die sofortige Rückzahlung zum Nennwert verlangen können. Das bedeutet auch, dass die Cross-Default-Klauseln ausgelöst werden könnten und das Unternehmen daher so schnell wie möglich Restrukturierungsmaßnahmen ergreifen muss. Ich rechne damit, dass Adler bald das Gespräch mit den Bondholdern suchen wird.
Um was zu erreichen?
Die Gespräche werden wahrscheinlich Zugeständnisse wie Forderungsverzichte oder ähnliches beinhalten. Nach unserer Erfahrung ist es für Anleihegläubiger unerlässlich, sich zu organisieren und in den Verhandlungen vertreten zu lassen, um von Anfang an und auf Augenhöhe an diesem Restrukturierungsprozess teilzunehmen. Sonst wäre zu befürchten, dass Banken oder andere Beteiligte ihre bereits vorteilhafte Position zum Nachteil der Anleihegläubiger weiter ausbauen werden.