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KPMG verweigert Adler Bilanztestat

Bei Adler brennt es lichterloh, KPMG will die Bilanz nicht testieren. Foto: moodboard - stock.adobe.com
Bei Adler brennt es lichterloh, KPMG will die Bilanz nicht testieren. Foto: moodboard - stock.adobe.com

Schock für Adler und Verwaltungsratschef Stefan Kirsten: Der Wirtschaftsprüfer KPMG hat dem Immobilienkonzern das Bilanztestat für 2021 verweigert und einen Versagungsvermerk ausgestellt. Der Grund, warum KPMG das getan hat, ist nach Angaben von Adler „die Verweigerung des Zugangs zu bestimmten Informationen über verbundene Unternehmen und Personen“.

Dies war auch schon der Knackpunkt bei dem Forensik-Gutachten, das KPMG vor eineinhalb Wochen anlässlich der Vorwürfe des Shortsellers Fraser Perring gegen Adler vorgelegt hatte. Für dieses Gutachten erhielten die Forensiker Zugang zu mehr als 3 Millionen Mails und Dokumenten, zu rund 800.000 weiteren angefragten jedoch nicht – „um die Rechtsposition von Adler und bestimmten Personen zu schützen“, wie sich Kirsten damals rechtfertigte.   

Beziehung zwischen Adler und Cevdet Caner im Fokus

Der fehlende Zugang zu diesen Dokumenten hat nun auch die Abschlussprüfer des Big-Four-Hauses offenbar daran gehindert, Geschäfte von Adler mit nahestehenden Personen angemessen bewerten zu können. Es hätten „keine ausreichenden Nachweise über die Identifizierung und Offenlegung von nahestehenden Unternehmen und Personen sowie über wesentliche Transaktionen und Kontensalden von nahestehenden Unternehmen und Personen“ erlangt werden können. Dadurch habe KPMG – so Adler – nicht beurteilen können, „ob die buchhalterische Behandlung zumindest einiger dieser Transaktionen angemessen ist und mit deren Inhalt übereinstimmt“.

Im Forensik-Gutachten bezog sich diese Problematik vor allem auf die Transaktion „Gerresheim“, bei der Adler einen Immobiliendeal in dreistelliger Millionenhöhe mit Personen aus dem Umfeld des Unternehmers Cevdet Caner abschloss, dessen Details offenbar nicht sorgfältig dokumentiert wurden.

Infolge des verweigerten Bilanztestats für 2021 kollabiert die Adler-Aktie: Im frühen Handel bricht das Papier um über 40 Prozent auf rund 4 Euro ein. Das ist nur noch rund ein Drittel des Kurses vor Abschluss der KPMG-Forensikuntersuchung und weniger als ein Fünftel des Wertes vor der Shortseller-Attacke durch Fraser Perring im vergangenen Oktober.

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Kirsten von „der Schärfe“ von KPMG überrascht

Ex-Vonovia-CFO Kirsten, der Anfang des Jahres zu Adler kam, um Perrings Vorwürfe aufzuklären und den aus mehreren undurchsichtigen M&A-Deals entstandenen Konzern sauberer aufzustellen, bemüht sich nun um Schadensbegrenzung. Er gesteht ein, dass es „ein hohes Maß an Misstrauen zwischen Unternehmen und Wirtschaftsprüfer“ gebe, die Entscheidung von KPMG, das Testat zu verweigern, für ihn aber „in dieser Schärfe überraschend“ gekommen sei. Er will nun versuchen, „die Gründe dafür so schnell wie möglich zu beseitigen“.

Nichtsdestotrotz hat Adler den geprüften, aber nicht-testierten Konzernabschluss 2021 gerade noch fristgerecht am Samstagabend veröffentlicht. Damit hat das Unternehmen nach eigener Ansicht einen Bruch der Covenants bei Anleihen mit einem Volumen von 4,4 Milliarden Euro vermieden. Kirsten sagte in einer Telefonkonferenz am heutigen Montagvormittag: „Wir waren fünf Stunden von einem Bruch der Covenants weg, dann wären die Anleihen fällig geworden, und das Unternehmen wäre gegen die Wand gefahren.“

Adler macht 1 Milliarde Euro Verlust

Den nicht-testierten Zahlen zufolge erwirtschaftete Adler 2021 ein operatives Ergebnis aus Vermietung („FFO 1“) von 137,1 Millionen Euro (1,17 Euro je Aktie), das in Folge umfangreicher Immobilienverkäufe im Umfang von 2,3 Milliarden Euro in diesem Jahr aber auf 73 bis 76 Millionen Euro zurückgehen dürfte, weil aus den verkauften Wohnungen die Mieteinnahmen wegfallen.

Vor Steuern weist Adler jedoch einen Verlust von gut 1 Milliarde Euro aus, weil fast 1,1 Milliarden Euro auf das Development-Portfolio der Tochter Consus abgeschrieben werden mussten. „Das ist der wesentliche Teil des Kaufpreises, den Adler für Consus bezahlt hat. Diese Akquisition war nicht der Hit“, erläuterte Kirsten. Im Gegensatz zum Bestandsportfolio an Wohnimmobilien konnte KPMG den Bilanzansatz der Entwicklungsprojekte des Adler-Konzerns schon in der Forensik-Prüfung nicht nachvollziehen. Dennoch fallen die Wertberichtigungen nun höher aus als von Kirsten vor eineinhalb Wochen geschätzt.

Die Verschuldungsquoute „Loan to Value“ sank 2021 zwar von 54,3 auf 50,9 Prozent. Allerdings sank die Quote der unbelasteten Vermögenswerte unter einen wichtigen Schwellenwert, so dass die Covenants einer Anleihe gebrochen wurden, die von der Adler-Vorgängergesellschaft Ado Properties begeben worden ist. Dies hat zur Folge, dass Adler nun – außer zur Refinanzierung – keine neuen Mittel vom Kapitalmarkt mehr aufnehmen darf.

Der halbe Adler-Verwaltungsrat tritt zurück

Die Testatverweigerung hat auch personelle Konsequenzen: Alle Verwaltungsräte, die 2021 schon im Amt waren, haben Kirsten am Wochenende geschlossen ihren Rücktritt angeboten. Kirsten hat jedoch nur bei vieren von ihnen den Rücktritt akzeptiert. Die beiden Verwaltungsräte Thomas Zinnöcker und Thilo Schmid sowie der nun alleinige CEO Thierry Beaudemoulin sollen jedoch weiter im Amt bleiben, „im Sinne der Kontinuität des Business“, wie Adler erklärt. Sie sowie Kirsten selbst sollen sich bei der Hauptversammlung Ende Juni zur Wiederwahl stellen.

Damit besteht der Verwaltungsrat nun aus diesen drei Managern sowie Kirsten. Kurzfristig soll das Führungsgremium auch noch um einen CFO ergänzt werden. Einen solchen hatte Adler zuletzt nicht, bislang wurde diese Funktion von dem Co-CEO Maximilian Rienecker mit ausgeübt, dessen Rücktrittsangebot Kirsten angenommen hat. Nun soll diese Position als Einzel-Ressort besetzt werden. Kirsten steht nach eigener Aussage mit einem „erfahrenen Interim-CFO“ in Kontakt, der Ende Mai starten und so lange bleiben könnte, bis ein dauerhafter Finanzchef gefunden worden ist. Auch die Compliance-Funktion soll gestärkt werden, mit externer Unterstützung entweder von EY, PwC oder Deloitte.

„Wir sind angeschlagen, aber vital“, behauptet Kirsten. „Wir haben jetzt mit der Vergangenheit abgeschlossen. Unser bestehendes Portfolio ist grundsolide, wir stehen vor einem Neuanfang.“ Er beharrt darauf, dass KPMG nichts Negatives habe feststellen können – „da ist auch nichts“, glaubt Kirsten. Für 2022 will Kirsten wieder ein uneingeschränktes Bilanztestat bekommen und dafür „alle bestehenden Hindernisse aus dem Weg räumen“.