E.on greift angesichts der tiefgreifenden Energiewende zu radikalen Maßnahmen: Der mit netto 31 Milliarden Euro hochverschuldete Energiekonzern will sich auf das Geschäft mit Erneuerbaren Energien und Netzen konzentrieren. Die Atom, Gas- und Kohlekraftwerke sollen im Rahmen eines Spin-offs 2016 an die Börse gebracht werden. Auch die Energiehandelssparte sowie der Geschäftsbereich Exploration & Produktion, wo Eon vor allem in Norwegen und Russland Gas fördert, soll abgespalten werden. An der Börse kommt der am Sonntagabend verkündete Strategiewandel gut an: Die E.on-Aktie legte heute Vormittag zwischenzeitlich um 4,3 Prozent auf 14,87 Euro zu.
Das verwundert wenig, will der Dax-Konzern mit der Abspaltung doch einen erheblichen Teil seiner Schuldenlast abstreifen: Die neue Gesellschaft soll die Rückstellungen für den Rückbau der Kernkraftwerke und konventioneller Anlagen komplett übernehmen.
E.ons früherer Vorstoß, diese Altlasten zusammen mit dem Erzeugungsgeschäft in eine Stiftung der öffentlichen Hand zu übertragen, stieß in Berlin auf wenig positive Resonanz. Im vor knapp drei Wochen veröffentlichten Neunmonatsbericht hat E.on diese Rückstellungen mit 18,5 Milliarden Euro beziffert. Die Analysten von Equinet bezeichnen die neue Gesellschaft daher als „Bad Bank“ des Energieriesen.
Mit dem massiven Kurswechsel reagieren die Düsseldorfer als erster deutscher Energiekonzern auf die neuen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Der Ausstieg aus der Kernenergie und die Subventionierung der Erneuerbaren Energien haben das traditionelle Geschäftsmodell der deutschen Energiekonzerne zerstört. Zugleich drückt der Preissturz bei den Großhandelspreisen für Strom auf die Gewinne von E.on, RWE und EnBW. „Das bisherige breite Geschäftsmodell wird den neuen Herausforderungen nicht mehr gerecht. Deshalb wollen wir uns radikal neu aufstellen“, erklärt E.on-CEO Johannes Teyssen die Entscheidung.
Spin-off für 2016 geplant
Bereits im kommenden Jahr will E.on die Grundlagen für die Börsennotierung der neuen Gesellschaft schaffen, die ihren Sitz ebenfalls in der Region Rhein-Ruhr haben soll und 20.000 Mitarbeiter beschäftigen wird. Dort bündelt E.on künftig die Geschäftsbereiche konventionelle Erzeugung, globaler Energiehandel und Exploration & Produktion. Nach der Zustimmung der regulären Hauptversammlung soll die Abspaltung dann 2016 erfolgen, die Mehrheit sollen die E.on-Aktionäre erhalten. Den verbleibenden Minderheitsanteil will das Unternehmen mittelfristig über die Börse abstoßen.
In einer Telefonkonferenz begründete E.on-CFO Klaus Schäfer die Entscheidung, zunächst einen Minderheitsanteil zu behalten, mit der Finanzierung des E.on-Geschäfts: „Wir wollen damit auch unser Wachstum und unsere Investitionen finanzieren.“ Zur Dividendenpolitik der neuen Gesellschaft wollten er und CEO Teyssen sich allerdings nicht näher äußern. In der Übergangsphase 2014 und 2015 will E.on jeweils 0,50 Cent Dividende ausschütten.
Die alte E.on-Gesellschaft wird nach dem Spin-off aus drei Säulen bestehen: Erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen. Ein besonderer Schwerpunkt werde der Ausbau der Windenergie in Europa und in ausgewählten weiteren Zielmärkten sein, teilte das Unternehmen mit. Auch das Photovoltaik-Geschäft werde intensiviert. Die Energieverteilnetze in den europäischen Heimatmärkten und auch in der Türkei werden zu intelligenten Netzen modernisiert. Dafür erhöht das Unternehmen die geplanten Investitionsmittel im nächsten Jahr um rund 500 Millionen Euro auf 4,8 Milliarden Euro.
E.on will das Investmentgrade-Rating halten
In den kommenden Monaten wird E.on nun die genaue Struktur der neuen Gesellschaft definieren müssen. Die größte Sorge bereiteten den Analysten in der heutigen Telefonkonferenz die Passivseiten der künftig zwei Bilanzen. Während die neue Gesellschaft die Rückstellungen für den Rückbau der Kernkraftwerke vollständig übernimmt, verbleiben sämtliche Kapitalmarktverbindlichkeiten des heutigen Konzerns bei E.on. Den Fair Value der ausstehenden Anleihen bezifferte E.on im Neunmonatsbericht Ende September mit 17,75 Milliarden Euro.
Dennoch soll die Zerschlagung kaum Folgen für das Rating haben, wie CFO Schäfer betonte: „Wir wollen die Auswirkungen auf maximal eine Notch begrenzen.“ Die Ratingagenturen S&P und Moody’s bewerten E.on derzeit mit A- bei stabilem Ausblick beziehungsweise mit A3 mit negativem Ausblick. Die an die Börse zu bringende NewCo solle über ein solides Rating im Investmentgrade-Bereich verfügen, so Schäfer. Die Nettofinanzposition werde positiv sein. Wie E.on dies anstellen will, ohne die Schuldenlast des Altkonzerns in die Höhe zu treiben, blieb zunächst unklar. Analysten ließen in der Telefonkonferenz ihre Skepsis an den Plänen durchblicken.
E.on verschafft sich mit M&A-Deals Luft
Zur Stärkung der finanziellen Spielräume gab E.on am Sonntag wie erwartet auch bekannt, seine Geschäfte in Spanien und Portugal für einen Unternehmenswert von 2,5 Milliarden Euro an den australischen Investor Macquarie zu verkaufen. Noch vor der Neuaufstellung wollen CEO Teyssen und CFO Schäfer außerdem den Verkauf des Italien-Geschäfts sowie des Explorations- und Produktionsgeschäft in der Nordsee prüfen. Auch RWE will sich von seinem Öl- und Gasfördertochter Dea trennen, der ausgehandelte Verkauf an einen russischen Industriellen ist von der Politik außerhalb Deutschlands allerdings noch immer nicht genehmigt worden.
Das Geschäftsjahr 2014 ist für E.on indes schon abgehakt: Für das laufende Quartal erwartet der Versorger Abschreibungen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro, nachdem er bereits im bisherigen Jahresverlauf rund 700 Millionen Euro abgeschrieben hatte. Damit würde E.on das Geschäftsjahr mit einem erheblichen Nettoverlust abschließen.
Mit Bayer lotet gerade auch ein zweiter großer Dax-Konzern den Spin-off eines sorgenträchtigen Geschäftsbereichs aus. Allerdings lanciert Bayer die Abspaltung seines Kunststoffgeschäft Material Science im Gegensatz zu Eon aus einer Position der Stärke heraus.