Als die Corona-Krise im Frühjahr 2020 über das Land rollte, dauerte es nicht lange bis zu den ersten Stützungen: Innerhalb weniger Wochen nach Ausbruch entwickelten Bundesregierung, Landesregierungen und diverse andere staatliche Stellen ein Bündel an Hilfs-, Rettungs- und Unterstützungsmaßnahmen zur Eindämmung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Es gab Veränderungen bei rechtlichen Rahmenbedingungen, beispielsweise wurde die Insolvenzantragspflicht vorübergehend ausgesetzt, sowie staatliche Unterstützungen, etwa einen leichteren Zugang zum Kurzarbeitergeld. Zudem beinhalteten die an Unternehmen gerichteten Direktmaßnahmen neben Steuersenkungen auch die einfachere Gewährung von KfW-Krediten.
Risikomanagement: Was ist ein Problemkredit?
Die Rolle der KfW ist dabei beträchtlich: Neben Bürgschaften für Privatpersonen bietet die KfW bis zu 80 Prozent Risikoübernahme im Rahmen eines umfangreichen Kreditportfolios für Großunternehmen. Gesellschafter, Selbstständige und Freiberufler in wirtschaftlichen Schieflagen erhalten auf Anfrage einen Risikoschutz für Kredite, um Liquiditätsengpässe oder laufende Kosten decken zu können. Das Spektrum der Kredite, die über die Hausbanken beantragt werden, reicht von Schnellkrediten bis hin zu längerfristigen Kapitalfinanzierungen.
„Ein Kredit qualifiziert sich als Problemkredit, wenn die Kapitaldienstfähigkeit des Kreditnehmers auf absehbare Zeit nicht gegeben ist.“
Wenn Hausbanken Sanierungs-, Unterstützungs- oder Überbrückungskredite gewähren wollten, mussten sie dabei die Restriktionen beachten, die bei der Gewährung von Problemkrediten in den „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“ (MaRisk) vorgegeben sind. Ein Kredit qualifiziert sich demnach als Problemkredit, wenn die Kapitaldienstfähigkeit des Kreditnehmers auf absehbare Zeit nicht gegeben ist und es daher nicht möglich erscheint, das Ausfallrisiko zu begrenzen.
Unternehmen, die einen Problemkredit im Rahmen einer Sanierung beantragen, sind bisher verpflichtet, ein Sanierungsgutachten eines unabhängigen Gutachters vorzulegen und dieses dem Kreditgeber zur Verfügung zu stellen. Die Hausbank kann somit ein „eigenständiges Urteil darüber treffen, ob eine Sanierung erreicht werden kann“, so das Urteil in den MaRisk.
Änderungen der BaFin haben Folgen
Debattiert wurde zwischenzeitlich, ob eine Fremdmittelfinanzierung aus einem KfW-Programm in Zeiten von Covid-19 als Problemkredit anzusehen ist und somit auch dafür ein Sanierungsgutachten vorzulegen wäre.
Die BaFin hat im Frühjahr nahezu unbemerkt von einer größeren Öffentlichkeit einige geltende Regeln ausgesetzt und festgelegt, dass die „Kreditvergabe an Kreditnehmer auch dann erfolgen kann, wenn eine Kapitaldienstfähigkeit krisenbedingt zurzeit nicht gegeben ist bzw. im Wesentlichen vom weiteren Verlauf der Krise abhängt.“ Diese Änderung hält einer kritischen Betrachtung stand, selbst wenn dabei ein gehöriger Prognoseanteil Raum greift.
Die Möglichkeit zur Kreditvergabe kann allerdings „automatisch für alle Kreditnehmer angenommen werden, die Fördermittel aus dem geplanten Hilfsprogramm der KfW oder gegebenenfalls aus Hilfsprogrammen der Länder und Kommunen erhalten. Diese Kredite sind zunächst nicht als Problemkredite einzustufen und erst gegen Ende der Förderung ist zu entscheiden, ob eine weitere Begleitung eine Sanierung erfordert“, heißt es weiter.
KfW-Mittel als „Persil-Schein“?
Diese weitergehende Interpretation muss Erstaunen hervorrufen. Gilt also nunmehr, dass Sanierungsgutachten nicht mehr erforderlich sind, sobald auch nur 1 Cent aus KfW-Mitteln aufgenommen wurde? Gibt dies betroffenen Unternehmen zukünftig „Persil-Scheine“ bei der Frage, ob ein Sanierungsgutachten gebraucht wird?
In diesem Zusammenhang sollte man auch die Frage klären, welcher Zeitpunkt mit dem „Ende der Förderung“ gemeint ist, zudem eine Einstufung als Problemkredit erörtert werden kann. Dieser unbestimmte Begriff könnte das Ende der Corona-Hilfen meinen. Daraus würde folgen, dass während der gesamten Laufzeit der Hilfen Sanierungsgutachten obsolet wären.
Eine weitere Interpretationsmöglichkeit könnte auf das Ende des KfW-geförderten Darlehens abstellen. Im Falle eines reinen Betriebsmittelkredits mit Laufzeit von zwei Jahren und endfälliger Tilgung würde das entsprechende Ende nach zwei Jahren kommen. Bei Darlehen mit Laufzeit von sechs bis zehn Jahren mit zweijähriger Tilgungsaussetzung könnte man aber auch nicht etwa das Ende der Laufzeit, sondern das Ende der Tilgungsaussetzung als „Ende der Förderung“ verstehen.
Wirtschaftliche Folgen durch Problemkredite offen
Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Neuregelungen sind selbst für Experten kaum zu überschauen. Es besteht die Gefahr, dass Unternehmen nach der Aufnahme von KfW-Mitteln ohne Sanierungsgutachten und mit einer falschen Risikobeurteilung durch die Finanzierer noch Kredite erhalten. Rezessive Prozesse würden jedoch durch diese Kredite nur verzögert und verschleppt werden. Unternehmen, die in einem Insolvenzverfahren längst hätten restrukturiert (oder auch abgewickelt) worden wären, entwickeln sich dann zu „Zombie-Unternehmen“, die auch bisher noch gesunde Unternehmen, mit denen sie Geschäft machen, gefährden.
„Es besteht die Gefahr, dass Unternehmen nach der Aufnahme von KfW-Mitteln ohne Sanierungsgutachten noch Kredite erhalten.“
Viele Akteure sind überzeugt, dass die Förderungsmaßnahmen im Falle eines Darlehens mit Laufzeit von sechs bis zehn Jahren mit der Tilgungsaussetzung enden und ab dann der Regelfall sowie auch die Pflicht zur Vorlage eines Sanierungsgutachtens greift. Kreditgeber sollten zwei bis vier Monate vor Auslaufen der Tilgungsaussetzungen oder vor Fälligkeit der Finanzierung prüfen, ob die Eigenschaften eines Problemkredits erfüllt sind. Bei einem zweijährigen Betriebsmittelkredit müsste dann beispielsweise 20 Monate nach Darlehensgewährung ein Sanierungsgutachten erstellt werden.