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Deloitte-Chef Plendl: „Für Berater sind die goldenen Zeiten vorbei“

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Martin Plendl sieht Deloitte gut gerüstet für den Konkurrenzkampf mit den Unternehmensberatern.
Deloitte

„Wirtschaftsprüfer spielen nicht in der selben Liga“ – Mit dieser Aussage dürfte Walter Sinn, Chef der in Deutschland drittgrößten Unternehmensberatung Bain, einige Unternehmensberater der Big Four verärgert haben. Und er ist nicht der einzige in der Branche, der so denkt: Auch andere Beratungshäuser sehen Wirtschaftsprüfer wie KPMG, PwC, Deloitte oder Ernst & Young, die zunehmend in die Beratung drängen, nicht als ernsthafte Konkurrenz an. Ein Berater bringt es mit folgenden Worten auf den Punkt: „Bei uns bewerben sich Berater von den Big Four mit der Aussage, dass sie gerne einmal in einer richtigen Unternehmensberatung arbeiten würden.“

Trotz aller Skepsis aus der Branche: Die Unternehmen selbst scheinen die Beratungsleistungen der Wirtschaftsprüfer zu goutieren. Anders kann man sich die Entwicklung der Geschäftszahlen nicht erklären: PwC ist im Geschäftsjahr 2015 in seiner Beratungssparte um mehr als 40 Prozent gewachsen und setzt dort mit über 660 Millionen Euro fast so viel wie in der Wirtschaftsprüfung um.

Ebenfalls über 40 Prozent ist Deloitte in der Beratung gewachsen, wobei der Umsatz mit rund 470 Millionen Euro inzwischen sogar höher ist als in der Abschlussprüfung. Dabei gewinnen die Gesellschaften sowohl in der Corporate-Finance-Beratung als auch in der Strategieberatung immer mehr Kunden. 

Big Four wollen sich mit Umsetzungskompetenz abgrenzen

Für Deloitte-Chef Martin Plendl liegt der Grund für das starke Wachstum auf der Hand: „Die Kunden schätzen unsere Umsetzungskompetenz.“ Die großen Berater erarbeiten vor allem Strategiekonzepte, die Kundenanforderungen verlagern sich jedoch stärker zu Systemleistungen, da ist technologische Kompetenz gefragt. Deloitte könne vom Konzept bis zur IT-Umsetzung alle Leistungen aus einer Hand anbieten – sei es eine Implementierung in SAP oder die Programmierung einer App.

Auch die anderen großen Wirtschaftsprüfer setzen auf diese Strategie. Gegenüber den Beratern wie McKinsey, BCG oder Bain wollen sie sich mit ihrer IT-Umsetzungskompetenz abgrenzen. Gegenüber spezialisierten IT-Beratungen wie Accenture wollen sie sich mit ihrem Know-how zu Regulatorik oder Strategie absetzen.

Das IT-Wissen holen sie sich entweder über Kooperationen mit Softwareentwicklern wie SAP, Oracle oder Microsoft, oder indem sie selbst kleinere IT-Berater kaufen. So hat sich PwC kürzlich mit den IT-Beratungen Persicon und Outbox Group verstärkt.

Deloitte-Chef Plendl: „Der Markt bildet den Preis“

Damit stellen die WPs sich genau in die Mitte zwischen strategischer und spezialisierter Beratung – und scheinen mit diesem Portfolio gut bei den Kunden anzukommen. Ein anderer Vorteil des breiten Portfolios: Die Gesellschaften können durch Quersubventionen niedrigere Preise anbieten. Indem sie diverse Leistungen von der Steuerberatung über Due Diligence zur Strategieberatung aus einer Hand anbieten, können sie die Preise im Paket drücken.

Das kommt bei vielen Beratern, die sich über viele Jahrzehnte ihre Preis erkämpft haben, nicht gut an. „Top-Qualität und ein internationales Netzwerk haben ihren Preis“, sagte Bain-Chef Sinn kürzlich im Interview mit FINANCE. Deloitte-Chef Martin Plendl findet: „Der Markt bildet den Preis.“

Dabei nehmen die Wirtschaftsprüfungshäuser ihre hohen Wachstumsraten in der Beratung nicht nur daher, dass sie den angestammten Unternehmensberatungen Kunden wegschnappen. Vielmehr akquirieren sie Projekte, die es vorher noch gar nicht gab – möglich macht das die Digitalisierung, die die Geschäftsmodelle etlicher Unternehmen auf den Prüfstand stellt und eine hohe Beratungsnachfrage nach sich zieht.

„Die Disruption eröffnet die Möglichkeit für neue Player am Markt“, sagt Martin Plendl. Deshalb investiert Deloitte fokussiert in das Thema Digitalisierung, um „der beste digitale Transformationsberater zu werden“, wie er es nennt. Das gilt nicht nur für Deloitte, sondern auch für die anderen der Big Four: Sie alle nutzen die Chance, sich in diesem neuen Bereich zu positionieren.

Müssen Unternehmensberater die Alleinherrschaft aufgeben?

Diesen Trend haben Unternehmensberater womöglich verschlafen. Auch sie bieten natürlich Leistungen im Bereich der Digitalisierung an. Doch die WP-Gesellschaften haben einen großen Vorteil: Durch ihre Prüfungstätigkeiten beschäftigen sie sich schon lange mit Themen wie Datenanalyse und Business Intelligence.

Sie entwickeln beispielsweise neue Tools, um Fehler in der Bilanzierung besser zu erkennen und um aus der Stichprobenprüfung eine Vollprüfung zu machen. Dieses Wissen kommt ihnen auch in der Beratung zugute. Berater hingegen tun sich mit der Datenanalyse beim Kunden schwer, hat kürzlich eine Studie ergeben. Statt auf Business Intelligence setzen viele nach wie vor auf Excel.

Klar ist, dass die Branche vor großen Veränderungen steht. Die Berater, die ihre Alleinherschafft lange Zeit durch ihre tiefe Branchenkenntnis und jahrzehntelange Erfahrung begründet haben, sehen sich jetzt mit neuen Playern konfrontiert, die dank der Abschlussprüferleistungen und gezielten Investitionen ebenfalls ein profundes Sektorwissen und gleichzeitig digitales Know-how haben. „Für manchen Berater sind die goldenen Zeiten vorbei“, glaubt Martin Plendl daher.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Info

PwC, KPMG, Ernst & Young und Deloitte drängen immer stärker in die Unternehmensberatung. Lesen Sie alles über die aktuellen Trends bei den Big Four auf unserer Themenseite.

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.