Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine wegweisende Entscheidung für die Zukunft des Kapitalmarkts getroffen und die Klage von Union Investment gegen den Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé und den Gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger, Frank Nikolaus, abgewiesen.
Union Investment hatte von 2015 bis zum 12. Juni 2020 für institutionelle Anleger Aktien von Wirecard gekauft. Durch die Insolvenz des Zahlungsdienstleisters wurden ebendiese wertlos. Union Investment wollte diese Verluste zur Insolvenztabelle hinzufügen. Das hätte weitreichende Folgen für den Fall Wirecard gehabt. Rund 50.000 Wirecard-Aktionäre haben laut Gericht Forderungen in Höhe von rund 8,5 Milliarden Euro zur Insolvenztabelle angemeldet.
Jaffé und Nikolaus bestritten diese Ansprüche und bekamen zunächst Recht, doch das OLG München entschied in der Berufung, dass Aktionäre gleichrangig wie Gläubiger behandelt werden sollen, was weitreichende Folgen für Deutschlands Kapitalmarkt gehabt hätte.
BGH kippt Entscheidung des OLG
Der zuständige Zivilsenat des BGH kippt diese Entscheidung nun. Aktionäre können ihre Ansprüche, wie bisher, erst nach Forderungen einfacher Gläubiger wie kreditgebenden Banken oder ehemaliger Angestellter einbringen.
„Als Geschäftsführer des beklagten gemeinsam Vertreters der Anleihegläubiger begrüße ich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, weil die Ansprüche von regulären Insolvenzgläubigern aus erbrachter Liquidität, Dienstleistungen oder Lieferungen nicht durch Spekulanten verwässert werden dürfen“, kommentiert Nikolaus die Entscheidung.
Zudem sei die Entscheidung wichtig für die Zukunft von Fremdfinanzierungen in Deutschland. Im Oktober hatte Nikolaus noch befürchtet, sollte das Urteil des OLG München bestätigt werden, dass die Kosten für Fremdfinanzierung massiv steigen würden. Fremdkapitalgeber würden sich deshalb das erhöhte Risiko, bei einer Insolvenz noch weniger als ohnehin zu erhalten, mit deutlich höheren Zinsen bezahlen lassen oder sich gleich komplett zurückziehen.
„Über den Gläubigerschutz hinaus untermauert die Entscheidung auch die Bedeutung, den Stellenwert und die Verlässlichkeit verbriefter Gläubigeransprüche bei Unternehmensanleihen als Treiber zur Finanzierung von Investitionen und Wirtschaftswachstum“, fasst Nikolaus zusammen.
Frederic Haupt ist Redakteur bei FINANCE und betreut schwerpunktmäßig die Themen Private-Equity und M&A. Er hat Journalismus und Unternehmenskommunikation an der Media University (ehemals HMKW) studiert. Nach dem Studium hat er sein Volontariat bei F.A.Z. Business Media absolviert und dabei neben FINANCE für weitere Publikationen des Verlags gearbeitet, unter anderem für die Personalwirtschaft und das Wir-Magazin.
