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Restrukturierer beobachten lockere Kreditvergabe mit Sorge

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Viele Krisenfälle können wieder aus der Intensivstationen entlassen werden. Allerdings beobachten die Banker auch leicht steigende Insolvenzzahlen.
kieferpix/Thinkstock/Getty Images

Die seit Jahren robuste Konjunktur in Deutschland macht sich inzwischen auch in einer anziehenden Kreditnachfrage bemerkbar. Dabei zeigt sich, dass die Banken und Sparkassen ihre Standards für die Vergabe von Krediten zunehmend aufweichen. Das ist ein Ergebnis des 11. Restrukturierungsbarometers, das FINANCE in Zusammenarbeit mit dem Beratungshaus Struktur Management Partner im September dieses Jahres durchgeführt hat.

Der Anteil der Restrukturierungsexperten, die in den vergangenen sechs Monaten einen weiteren Verfall der Kreditstandards – zumindest in Teilen – beobachtet haben, ist mit 71 Prozent so hoch wie noch nie. Gleichzeitig ist der Anteil derer, die im Betrachtungszeitraum keinen weiteren Verfall beobachtet haben, mit 14 Prozent auf einen neuen Tiefststand gesunken. 

Besonders kreditnehmerfreundliche Bedingungen haben die befragten Banker bei konventionellen Unternehmenskrediten ausgemacht. Der Befund wird auch durch Daten der Europäischen Zentralbank (EZB) gestützt. Deren Umfrage zum Kreditgeschäft der Banken im Euroraum zeigte im zweiten Quartal dieses Jahres überraschend eine abermalige Lockerung der Kreditstandards.

Haben die Risikomargen den Boden erreicht?

In das Bild eines wettbewerbsintensiven Kreditgeschäfts passt auch die Beurteilung der aktuellen Finanzierungsbedingungen. So ist der Anteil der Befragten, die bei Restrukturierungsfällen die Finanzierung als einfach oder sehr einfach einschätzten, um lediglich einen Prozentpunkt auf 14 Prozent abgerutscht. Für die Mehrheit – 51 Prozent – sind die Finanzierungsbedingungen unverändert.

31 Prozent berichteten von schwierigen oder sehr schwierigen Finanzierungsbedingungen, was den Schluss zulässt, dass Unternehmen, die trotz der außerordentlich positiven Umfeldbedingungen in die Krise geraten, in der Regel auch schwierige Fälle sind. Experte Georgiy Michailov bestätigt dies: „Viele Restrukturierungsfälle, die jetzt sichtbar werden, sind aufgrund von zum Teil irreparablen Geschäftsmodellen und hohem Bedarf nach Fresh Money kaum sanierungsfähig“, sagt der Managing Director von Struktur Management Partner. 

Befragt nach dem allgemeinen Restrukturierungsumfeld, zeichnen die Banker ein etwas optimistischeres Bild. 43 Prozent der Restrukturierungsexperten gaben an, in den vergangenen sechs Monaten weniger neue Krisenfälle zur Bearbeitung auf den Tisch bekommen zu haben (Frühjahr 2017: 38 Prozent). Korrespondierend dazu ging der Anteil derer, die steigende Zahlen registrierten, auf 18 Prozent zurück. Auf Branchen heruntergebrochen, hat der Sektor „Textil und Bekleidung“ den Bereich „Handel und E-Commerce“ von der Spitze verdrängt.

„Viele Restrukturierungsfälle, die jetzt sichtbar werden, sind kaum sanierungsfähig.“

Georgiy Michailov, Struktur Management Partner

Insolvenzzahlen steigen leicht an

Anhaltend positiv stellen sich auch die Erfolgsaussichten von Restrukturierungsfällen dar. Im Vergleich zur vorangegangenen Befragung blieb das Lager derer, die mehr Engagements aus der „Intensivstation“ wieder in den Marktbereich zurückgeführt haben, mit 42 Prozent konstant – und damit erneut über dem Durchschnittswert der vergangenen Jahre. Allerdings meldeten 11 Prozent der Experten einen Anstieg der Insolvenzzahlen bei den von ihnen betreuten Krisenfällen. Bei der vorangegangenen Befragung waren das mit 7 Prozent noch deutlich weniger.

Was die Restrukturierungsexperten für die kommenden sechs Monate erwarten, und welche makroökonomischen Risiken sie als besonders heikel einstufen, erfahren Sie in der vollständigen Auswertung.

Info

Mehr News und Analysen aus dem Themenbereich finden Sie auf der FINANCE-Themenseite Restrukturierung.

Das 11. Restrukturierungsbarometer

Im Rahmen des Restrukturierungsbarometers befragt FINANCE in Zusammenarbeit mit dem Beratungshaus Struktur Management Partner regelmäßig die Professionals aus dem Intensive-Care-Bereich von Banken. An der 11. Auflage mit dem Schwerpunkt Kreditvergabe haben sich 65 Befragte beteiligt. Zum Archiv geht es hier.