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Wie künstliche Intelligenz die Steuerberatung verändert

Künstliche Intelligenz verändert die Steuerberatung. Für die Berater kann die Entwicklung von KI-Lösungen zu einer weiteren Einnahmequelle werden.
Jirsak/iStock/Thinkstock/Getty Images

Ein hohes Datenaufkommen, klare Regeln, eng gefasste Definitionen: „Der Steuerbereich bietet sehr gute Rahmenbedingungen für den Einsatz künstlicher Intelligenz“, sagt Fritz Esterer, Steuerberater und Vorstand der Steuerberatungsgesellschaft WTS in München. Der Grund: Die intelligenten Algorithmen, die als künstliche Intelligenz bestimmte Prozesse übernehmen sollen, brauchen zum Lernen klare Vorgaben und große Datenmengen.

Bei der Bearbeitung von Umsatzsteuer, Zoll, Verrechnungspreisen und Lohnsteuer ist die Datenlage Esterer zufolge besonders groß. Erste Prototypen haben das Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und WTS in den vergangenen Monaten mit den Konzernen Audi, Bosch, E.on und Henkel entwickelt. DFKI und WTS kooperieren in einem gemeinsamen „Center of Competence Tax Technology“. Dort wollen sie Einsatzgebiete für künstliche Intelligenz im Steuerbereich erforschen und passende Werkzeuge entwickeln.

Auch Wirtschaftsprüfer sammeln derzeit Erfahrungen mit künstlicher Intelligenz (KI). KPMG etwa hat dafür erst vor wenigen Wochen den Data-Science-Spezialisten Kiana vollständig übernommen, ein früheres Spin-off des DFKI.

Künstliche Intelligenz bei Umsatzsteuer

Besonders großes Potential sieht Esterer nach der Pilotphase derzeit in den Bereichen Umsatzsteuer, Zoll und bei steuerlichen internen Kontrollsystemen. Dass eine künstliche Intelligenz weite Teile der Steuererklärung eigenständig erledigt, ist derzeit zwar noch Zukunftsmusik, doch mittelfristig scheint es möglich.

„Ein Ziel lautet beispielsweise, alle umsatzsteuerrelevanten Daten mit Hilfe einer KI auszuwerten und zu strukturieren, so dass die Angaben aus allen Datenquellen automatisiert auf Knopfdruck zur Umsatzsteuervoranmeldung genutzt werden können“, sagt Esterer. Derzeit liegen die Daten in den Unternehmen an unterschiedlichen Stellen, etwa in den verschiedenen ERP-Systemen.

Herausforderung für künstliche Intelligenz

Bis eine KI die Datenquellen auswerten kann, ist es allerdings ein weiter Weg. „Die künstliche Intelligenz muss mehrere Faktoren beherrschen: Wo steht der Steuerschlüssel? Welche Daten müssen an welcher Stelle extrahiert werden? Wie werden sie zugeordnet?“, erklärt Esterer die größten Herausforderungen. Erst wenn dies gelingt, könnten KI-Lösungen das Rechnungswesen wirklich entlasten.

Am weitesten vorangeschritten ist derzeit ein Prototyp, den DFKI und WTS für eine KI-Anwendung im Zollbereich entwickeln. Die künstliche Intelligenz soll Freihandelsabkommen analysieren und feststellen, wo ein Unternehmen deren Regelungen noch nicht vollständig berücksichtigt  – und damit womöglich Regelungen zu seinem eigenen Vorteil nicht voll ausschöpft.

„Wir konnten in einzelnen Ländern erste Einsparungen erzielen.“

Fritz Esterer, Vorstand, WTS

Dazu müssen dem Algorithmus nach und nach alle weltweiten Abkommen angelernt werden. „Das ist mühsam, aber erste Einsparungen konnten wir in einzelnen Ländern schon erzielen“, sagt Esterer.

Nach der ersten Pilotphase setzt der Industriekonzern Henkel die Zusammenarbeit mit dem „Center of Competence Tax Technology“ nun weiter fort, andere Industriepartner sollen folgen. Für Steuerberater Esterer ist die Entwicklung von KI-Lösungen ein wichtiger neuer Geschäftszweig – steht am Ende ein fertiges Werkzeug, kann der Kunde dies bei WTS kaufen oder lizenzieren.

Neuer Einnahmezweig für Steuerberater

Esterer hält es für wichtig, dass die Steuerberatung sich neue Einnahmequellen wie KI-Lösungen erschließt. „Das Berufsbild des Steuerberaters verändert sich, immer mehr läuft über den Einsatz von Software oder KI-Lösungen“, sagt er. Neben einem fundierten IT-Verständnis brauchen die Steuerberater daher auch Zugriff auf Daten, um die entsprechenden Lösungen entwickeln zu können – und diese Daten liegen beim Kunden.

Esterer fordert daher ein Umdenken, was die Beziehung zwischen Berater und Firmenkunde angeht: „Beide müssen sich stärker verbinden und Prozesse enger integrieren“, fordert er. Dann könnten Steuerberater sich stärker der strategischen Beratung widmen, während KI-Lösungen  immer mehr Routineaufgaben übernehmen. „Der Steuerberater muss Prozesse und Strukturen der Unternehmen kennen, um gut beraten zu können.“

Künstliche Intelligenz braucht gute Datenqualität

Bei den Unternehmen werden die neuen Technologien je nach Bereich allerdings unterschiedlich aufgenommen. „CFOs haben das Thema Digitalisierung nahezu alle weit oben auf der Agenda. In den Steuerabteilungen gibt es aber noch große Unterschiede“, räumt Esterer ein.

„Bei schlechter Datenqualität nützt die beste künstliche Intelligenz nichts.“

Fritz Esterer, Vorstand, WTS

Um die Vorteile künstlicher Intelligenz voll nutzen zu können, benötigen die Unternehmen zudem eine gute Datenbasis. „Bei schlechter Datenqualität nützt die beste künstliche Intelligenz nichts mehr, das Ergebnis wird dann zwangsläufig verfälscht“, sagt Esterer.

Nicht zuletzt müssten auch Finanzverwaltung und Betriebsprüfer eine von einer künstlichen Intelligenz erstellte Steuererklärung annehmen. Bis dies in der Breite akzeptiert ist, muss nach Einschätzung des Steuerberaters noch einiges an Aufklärungsarbeit geleistet werden.

Info

Welche Einsatzfelder sich in anderen Bereichen eröffnen, lesen Sie auf unserer Themenseite über Robotics und künstliche Intelligenz.