Die Deutsche Bank kommt nicht zur Ruhe. Nur wenige Tage nach den Spekulationen um eine Abberufung von Bankchef John Cryan berichtet das „Wall Street Journal“ (WSJ) nun, dass Garth Ritchie mit Aufsichtsratschef Paul Achleitner die Modalitäten seines Ausscheidens bespreche. Ritchie ist einer der wichtigsten Manager der Bank: Erst vor einem Jahr ist er gemeinsam mit Ex-CFO Marcus Schenck zum Co-Chef des Investmentbankings aufgestiegen. Der 49-jährige Südafrikaner sitzt seit Januar 2016 auch im Vorstand der Deutschen Bank.
Dass Ritchie mit Achleitner über seine Zukunft spricht, klingt plausibel, denn sein Vertrag läuft Ende des Jahres aus. Die Deutsche Bank wollte die Personalie Ritchie auf Anfrage nicht kommentieren. In einem internen Memo sollen Ritchie und Schenck die Mitarbeiter darum gebeten haben, sich durch solche „Spekulationen“ nicht irritieren zu lassen, schreibt das WSJ.
Kürzt die Deutsche Bank ihr US-Geschäft?
Sollte Ritchie tatsächlich in Kürze die Waffen strecken, würde das neue Unruhe in das Investmentbanking der Deutschen Bank tragen, das ohnehin mal wieder vor einem großen Umbau steht. Verschiedenen Medienberichten zufolge hat das Management ein Projekt namens „Colombo“ aufgesetzt, dessen primäres Ziel es sein soll, Einsparmöglichkeiten im Investmentbanking zu identifizieren.
Im Fokus des Projekts Colombo steht dem Vernehmen nach das US-Geschäft. Laut einer Analyse von JP Morgan bindet dieses ein Fünftel des harten Kernkapitals der Bank, erwirtschaftet aber nur eine minimale Eigenkapitalrendite. Vor allem der US-Aktienhandel droht daher nun gestutzt zu werden – möglicherweise aber auch noch mehr Handelsgeschäfte an anderen Standorten.
Kursschwäche der Deutschen Bank hält an
Es werden schon Nachfolger für Ritchie gehandelt
Handlungsbedarf besteht, da die Deutsche Bank im Aktienhandel vergangenes Jahr einen Ertragseinbruch von 19 Prozent erlitten hat – ohne Aussicht auf eine baldige Trendwende. Vor zwei Wochen versetzte CFO James von Moltke den Markt in Aufregung, indem er die Investoren darauf vorbereitete, dass die Hoffnungen auf eine Erholung des Investmentbankings im ersten Quartal überzogen seien.
Für Ritchie hat das Projekt Colombo auch eine persönliche Dimension: Er ist persönlich stark im Aktienhandel verwurzelt und übernahm schon im Jahr 2009 die Verantwortung für den Aktienhandel der Deutschen Bank. Anders als im Handel steht die Deutsche Bank im Geschäft mit Emissionen von Aktien und Anleihen dagegen gut da: Bei der Begleitung von IPOs rangiert sie weltweit aktuell auf Rang 4, bei Bondemissionen steht sie sogar an der Spitze. Laut WSJ kursieren auch schon die Namen von zwei möglichen Nachfolgern für Ritchie: Anleihechef Ram Nayak und der Leiter des Kredithandels John Pipilis.
Deutsche-Bank-Aktie weiter im Sinkflug
Die Gerüchte um einen Chefwechsel im Investmentbanking tragen nicht dazu bei, die Sorgen der Deutsche-Bank-Investoren zu zerstreuen. Nachdem die Aktie gestern im Rahmen der allgemeinen Kurserholung um fast 4 Prozent zulegen konnte, dreht sie heute wieder ins Minus: In der ersten Handelsstunde verliert sie rund 2 Prozent auf weniger als 11,50 Euro. Damit nimmt sie wieder Kurs auf die kritische Marke von 10 Euro, die sie im September 2016 kurzzeitig durchbrochen hatte.
Zusätzliche Kritik entzündet sich derzeit auch an der geplanten Neubesetzung des Aufsichtsrats. Die beiden deutschen Top-Manager Henning Kagermann (Ex-Chef von SAP) und Johannes Teyssen (CEO von E.on) werden sich nach der Hauptversammlung am 24. Mai zurückziehen. Die frei werdenden Plätze will Aufsichtsratschef Achleitner mit Amerikanern besetzen, darunter dem wegen seiner Bonus-Exzesse extrem umstrittenen Ex-Merrill-Lynch-Chef John Thain. Die Deutsche Bank verliere damit endgültig den Kontakt zur deutschen Industrie, werfen Kritiker Achleitner vor.