Corona-Pandemie, Kostendruck und eine laufende Transformation des eigenen Hauses: Es war nicht die leichteste Zeit, die sich Johannes Anschott für seinen Jobwechsel ausgesucht hatte. Im Frühjahr zog es den ehemaligen Commerz-Real-Vorstand vom Rhein-Main-Gebiet an die Isar, seit April leitet er dort das Firmenkunden- und Kapitalmarktgeschäft der Bayerischen Landesbank. Nun, rund acht Monate und zwei Präsentationen mit Halbjahres- und Quartalszahlen später, ist der Firmenkunden-Chef mit den Entwicklungen in seinem Beritt durchaus zufrieden.
So sind die Münchener bei ihrer laufenden Umstrukturierung aktuell dem Plan sogar ein wenig voraus. Bis 2024 will die BayernLB zu einer Spezialbank mit dem Fokus auf Mobilität, Technologie und Energie werden. Das erklärte Ziel von CEO Stephan Winkelmeier: Eine Eigenkapitalrendite (RoE) von 8 Prozent, eine harte Eigenkapitalquote (CET-1) von mindestens 14 Prozent sowie eine Cost-Income-Ratio (CIR) von 55 Prozent. Erstere hat die BayernLB mit 9,5 Prozent im ersten Halbjahr 2021 bereits erreicht, und auch das Kostenziel scheint mit einer CIR von 55,3 Prozent greifbar.
Doch die Bank muss in einigen Bereichen dringend investieren, wie die Ergebnisse des diesjährigen FINANCE-Banken-Surveys zeigen. Auf Anschott und sein Team kommt also noch viel Arbeit zu.
Herr Anschott, Ihr Wechsel von der Commerz Real zur BayernLB kam mitten in einer herausfordernden Zeit. Wie haben sie den Wechsel zu Coronazeiten erlebt?
Wirklich sehr unkompliziert. Vom ersten Kontakt an habe ich die Bank als sehr sympathisches Haus erlebt. Ehrlich, direkt und durchaus offen – viel weniger politisch als man das bei einer Landesbank vielleicht vermuten würde.
Kam man das von Ihrer neuen Heimat München auch sagen?
Ja, bisher fühlen wir uns hier sehr wohl. Das war mir auch wichtig, schließlich musste letztlich vor allem die Familie grünes Licht geben. Wir sind in der Vergangenheit schon häufiger umgezogen, haben in Frankfurt, Hamburg, London und zuletzt Wiesbaden gewohnt. Für die Kids mit 9 und 6 Jahren ist es jetzt die dritte Stadt, bei mir und meiner Frau sind es nochmal deutlich mehr Umzüge. Da kommt so natürlich auch mal der Wunsch auf, dass man einen Platz zum Ankommen findet und nicht mehr alle fünf bis acht Jahre weiterzieht.
Und München und die BayernLB könnten aus ihrer Sicht so ein Platz sein?
Bisher sieht es stark danach aus (schmunzelt). Aber diese Entscheidung liegt freilich nicht bei mir alleine. Momentan widme ich mich erstmal meinen aktuellen Aufgaben. Die ersten Wochen und Monate waren von vielen Kennenlern-Terminen geprägt, sowohl mit den Kollegen als auch mit Kunden. An einigen Stellen im Haus muss ich mich noch reinfinden, da fehlt mir manchmal die Historie.
Die BayernLB befindet sich mitten in der Neustrukturierung. Bis Ende 2023 wollen Sie im Firmenkundengeschäft zu einer Art Spezialbank mit Fokus auf Branchen wie Mobilität, Technologie und Energie werden. Das heißt auch, dass Sie viele Felder verlassen. Wie ist der aktuelle Stand?
Als ich am 1. April gestartet bin, war mein Ressort natürlich schon deutlich im Umbruch. Alles in allem liegen wir mit unserer Strategie für 2024 sehr gut im Plan.
FINANCE-Banken-Survey offenbart Schwächen der BayernLB
Das haben die Kunden beim diesjährigen FINANCE-Banken-Survey an der ein oder anderen Stelle aber noch anders gesehen. In Kategorien wie dem Kundenservice oder der Digitalisierung ging es für die BayernLB aus Sicht der CFOs und Treasurer auch nach unten. Woran liegt das?
Das Ergebnis des Surveys kann ich sehr gut nachvollziehen, zum Zeitpunkt der Befragung [Mai/Juni 2021; die Red.] waren wir ja gerade mitten in der Umstellung. Die neue Strategie setzt aber genau an diesen Punkten an und wird die Qualität der Beratung und den Kundenservice verbessern sowie die Geschwindigkeit der Prozesse erhöhen. Sehr positiv stimmen mich übrigens die Ergebnisse unserer eigenen Kundenbefragung aus den letzten Wochen, insbesondere was die Werte für Kundenzufriedenheit, Wiederempfehlungsquote und Sektorkompetenz angehen. Aber natürlich bedeutet die neue Strategie auch erstmal eine Umstellung.
Inwiefern?
Der Weg im Betreuungssystem hin zum sektoralen Modell löst natürlich Beziehungen zwischen Beratern und Kunden, die in der Vergangenheit immer sehr konstant waren. Im Gegenzug können wir unseren Kunden in der Beratung durch das bessere Branchenwissen eine deutlich höhere Qualität bieten. Wir haben Sektorteams geschaffen, in denen jeweils alle Fachleute gebündelt sind, die sich um die Kunden einer Branche kümmern. So können wir mit unseren Kunden auf Augenhöhe über Trends und Zukunftsthemen diskutieren und sie bei der Weiterentwicklung und der Transformation ihrer Geschäftsmodelle begleiten.
Im Zuge der neuen Strategie hatte ihr CEO Stephan Winkelmeier angekündigt, künftig ein verstärktes Augenmerk auf die Profitabilität der Kundenbeziehungen legen zu wollen. Gilt das nur für das Neukundengeschäft? Oder bedeutet das auch den Abschied von dem ein oder anderen Bestandskunden?
Das gilt auch für Bestandskunden, wobei das grundsätzlich aber unproblematisch ist. Denn jedem ist klar, wir müssen ja bei aller Kundenfreundlichkeit auch etwas verdienen. Und wenn ein Kunde nicht rein opportunistisch seine Banken wählt, findet man eigentlich immer einen gemeinsamen Weg. In der Regel ist den Kunden die Stabilität ihrer Bankbeziehung wichtiger als der letzte Basispunkt beim Kreditzins. Das hat die Krise noch einmal verstärkt.
BayernLB fährt LBO-Geschäft zurück
Nach FINANCE-Informationen will sich die BayernLB aus dem Leveraged Finance-Geschäft zurückziehen. Wie kam es zu der Entscheidung?
Wir haben ausschließlich das Neugeschäft mit Financial-Sponsor-getriebenen LBOs eingestellt, im Rahmen von Bestandsfinanzierungen begleiten wir unsere Kunden weiterhin. Wir haben uns zu diesem Schritt entschieden, da in diesem Markt ein extrem hoher Wettbewerb herrscht, der von Debt Fonds angeheizt wird und zu aggressiven Finanzierungsstrukturen bei hohen Unternehmensbewertungen führt. Die Ressourcen, die durch diese Entscheidung freiwerden, setzen wir ein, um unsere Fokusbereiche Structured Asset Finance, Projekt Finance, ESG Advisory und Corporate Finance Structuring zu stärken und weiter auszubauen.
An welchen Stellen wollen Sie ansetzen, um besser zu werden, auch im Hinblick auf die Digitalisierung?
Wir arbeiten inzwischen deutlich agiler, gehen mit neuen Lösungen bereits früh ins Testen. Und die Geschwindigkeit wird weiter zunehmen. Wichtig ist dabei aber bei aller Schnelligkeit auch, eine solide Basis zu schaffen. Klar kann man einfach nur ein schönes Frontend bauen – ich nenne das Chinese Laundry. Doch das bringt nichts, wenn die Customer Journey nicht durchdacht und frei von Störungen ist. Nur wenn das der Fall ist, schaffen wir einen Mehrwert für den Kunden, aber auch für uns.
Und der wäre?
Unser neues Handelssystem etwa löst drei alte ab. Ziel ist es, an das System des Kunden anzuknüpfen, der will sich nicht morgens erst zehnmal irgendwo einloggen. Das spart der Finanzabteilung Zeit und Kosten, da sich die Zahl der Trades erhöht.
Kostenziel bleibt unangetastet
Stichwort Kosten: Ihr CEO hat als Ziele bis 2024 eine Cost-Income-Ratio von 55 Prozent und eine Eigenkapitalrendite von 8 Prozent ausgerufen. Sind diese Ziele angesichts der nötigen Investitionen in die Umstrukturierung zu halten?
Was das angeht, sehe ich keinen Grund, an unseren Zielen zu rütteln. Letztlich reduzieren wir mit einer steigenden Automatisierung perspektivisch auch unsere Kosten. Zudem starten wir auf der Kostenseite auch mit weniger Legacy-Ballast, haben kein großes Filialnetz, das wir reduzieren müssen. Eine Landesbank kann die langfristige Renditeoptimierung betreiben und es sich leisten, weniger auf ein Quartal zu schauen. Dies ist bei börsennotierten oder im Besitz von Private Equity befindlichen Kreditinstituten häufig anders.
Einiges zu tun gibt es aus Sicht der CFOs und Treasurer auch beim Zukunftsthema Nachhaltigkeit, wo die BayernLB in unserem Banken-Survey lediglich auf Platz 12 rangiert. Wie ist Ihre Strategie im Bereich ESG?
Da haben mich die Ergebnisse der Befragung ehrlich gesagt ein wenig gewundert. Die Bank war beim Thema ESG schon früh sehr aktiv, im Bereich Green Finance beispielsweise sind wir historisch stark. Auf der anderen Seite fordert mich das natürlich auch heraus, noch besser zu werden. Dafür bauen wir unsere Stärken weiter aus. Wir setzen im Corporate-Bereich auf ein dezidiertes ESG-Team, aber transportieren das Thema auch vertikal durch alle Sektoren. Das heißt, wir schulen auch unsere Firmenkundenberater, die bei diesem Thema der erste Ansprechpartner für die Unternehmen sind. Mit Hinblick auf den Klimawandel ist es als traditionelle Förderbank unsere Aufgabe, den Unternehmen die notwendige Expertise zu geben und deren Transformation bankable zu machen.
thomas.holzamer[at]finanice-magazin.de
Thomas Holzamer ist Redakteur bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Banken-Sektor, speziell das Firmenkundengeschäft. Er hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Thomas Holzamer mehr als 12 Jahre in den Redaktionen der Mediengruppe Offenbach-Post, zunächst als verantwortlicher Redakteur für Sonderpublikationen, später im Lokalen.