NEUZur Serie: Top-Dealmaker

Newsletter

Abonnements

Baker Tilly kommt nur langsam voran

Ralf Gröning, Sprecher des Management Boards von Baker Tilly, verspricht für das aktuelle Geschäftsjahr zweistellige Wachstumstraten.
Baker Tilly

Das Prüf- und Beratungshaus Baker Tilly konnte auch im zurückliegenden Geschäftsjahr die Marktposition in Deutschland verteidigen: Mit einem organischen Wachstum von knapp 3 Prozent auf rund 152 Millionen Euro bleibt Baker Tilly aller Voraussicht nach die achtgrößte Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deutschlands, sofern die Wettbewerber keine riesigen Sprünge vermelden.

Allerding blieb das Next-Ten-Haus mit diesem Wachstum unter den Erwartungen: Noch im November kündigten die damaligen Managing-Partner Ralf Gröning und Wolfgang Richter im Gespräch mit FINANCE ein Umsatzplus im hohen einstelligen Bereich an. Vor einigen Jahren hatte das Führungsduo sogar noch dauerhaft zweistellige Wachstumsraten versprochen.

Als Grund für das geringe Wachstum nennt Ralf Gröning im Gespräch mit FINANCE vor allem unerwartete Verschiebungen von Geschäftsereignissen vom vergangenen ins aktuelle Geschäftsjahr, unter anderem bei einem nicht näher genannten Großprojekt. „Die Umsätze daraus werden wir erst im aktuellen Jahr realisieren können“, so Gröning, der vor Kurzem zum Sprecher des Management Boards von Baker Tilly gewählt wurde. Co-Managing-Partner Wolfgang Richter hatte sich aus Altersgründen nicht mehr zur Wahl gestellt, soll das Board aber als Berater weiter unterstützen.

Baker Tilly bleibt mit WP auf Vorjahresniveau

Ein anderer Grund für das verhaltene Wachstum seien zudem Rückgänge im Schifffahrtsgeschäft, sagt der Sprecher des neuen Management Boards. Baker Tilly betreut gerade in Norddeutschland einige Mandate aus der unter Druck geratenen Branche. Das schlägt sich vor allem im Geschäftsbereich Wirtschaftsprüfung nieder: Dort stagnierten die Umsätze 2018 bei rund 75 Millionen Euro, im Vorjahr lag das Wachstum noch bei 5 Prozent. Da sich die Umsätze nicht immer vollkommen trennscharf den einzelnen Geschäftsfeldern zuordnen lassen, handelt es sich bei allen Angaben um Näherungswerte.

Abgesehen von solchen spezifischen Ursachen wie der Krise der Schifffahrtsbranche haben aktuell alle mittelständischen Häuser mit dem hohen Wettbewerb im Prüfgeschäft zu kämpfen, denn dort konkurrieren sie nicht nur mit anderen Next-Ten-Häusern, sondern zum Teil auch mit den Big Four KPMG, PwC, Deloitte und EY, die es auch auf die größeren mittelständischen Mandate abgesehen haben.

Verschärft wird die Situation durch die seit Kurzem geltende verpflichtende Abschlussprüferrotation, wegen der kapitalmarktorientierte Unternehmen ihren Prüfer nun regelmäßig wechseln müssen – und die wenigen kapitalmarktorientierten Kunden, die die Next Ten noch haben, wählen bei dem erzwungenen Wechsel meist direkt ein Big-Four-Haus.

Baker Tilly gewinnt EZB und Ringmetall als Prüfkunden

Im vergangenen Jahr konnte Baker Tilly dennoch neue Prüfmandate gewinnen, sagt Gröning, nennt allerdings keine konkreten Namen. FINANCE-Recherchen zufolge gehören dazu die Europäische Zentralbank, Ringmetall sowie die Saarländische Investitionskreditbank, wie aus Mitteilungen und Geschäftsberichten dieser Unternehmen ersichtlich ist.

Mandate abgeben musste Baker Tilly laut Gröning bisher aufgrund der Prüferrotation noch nicht. „In Zukunft werden einige Kunden zwar gezwungen sein, das Mandat erneut auszuschreiben, hier dürfen wir uns aber erneut bewerben – und werden das auch tun.“

Überzeugen will Baker Tilly die Mandanten auch mit einer neuen Produktgestaltung bei den Abschlussprüfungen. In diesem Jahr startet Baker Tilly eine Art Online-Buchungssystem, mit dem die Kunden verschiedene Leistungsbündel in den Varianten Standard, Comfort und Premium und dazu passende zusätzliche Services buchen können. „Das erhöht die Transparenz für die Mandanten und ermöglicht eine maßgeschneiderte Prüfung“, wirbt Gröning.

Steuer- und Rechtsberatung treiben das Wachstum

Beworben hat sich Baker Tilly im vergangenen Jahr auch um neue Prüfmandate im SDax und MDax. Mit einem Prüfungsauftrag habe es zwar noch nicht geklappt – dafür habe man aber im Zuge dieser Pitches bei Unternehmen neue Rechts- oder Steuerberatungsprojekte gewonnen, sagt Gröning.

Entsprechend stark ist 2018 das Steuer- und Beratungsgeschäfts gewachsen: Mit einem Plus von über 7 Prozent auf rund 70 Millionen Euro war es der wichtigste Umsatztreiber. Auch im aktuellen Jahr dürfte dieser Bereich zum Umsatzwachstum beitragen, denn Baker Tilly hat zum 1. April ein großes Anwaltsteam um Michael Klett von PwC gewonnen. Er soll das Stuttgarter Büro zum Knotenpunkt für die integrierte Beratung des öffentlichen Sektors machen.

Baker Tilly setzt seit dem Zusammenschluss mit Rölfs Partner 2011 bewusst auf die Strategie, in der Beratung zu wachsen und das Prüfungsgeschäft als feste Basis eher konstant zu halten. Damit wollte sich das mittelständische WP- und Beratungshaus unabhängiger machen vom stark umkämpften Prüfungsmarkt.

Warth & Klein und Mazars sind dicht auf den Fersen

Diese Strategie scheint sich bei der Steuer- und Rechtsberatung auszuzahlen. In der Unternehmensberatung, zu der vor allem Prozessberatung gehört, gab es 2018 hingegen einen Umsatzrückgang um 8 Prozent auf rund 6,7 Millionen Euro. Im Vorjahr hatte der Bereich mit einem Plus von 9 Prozent noch zu den Umsatztreibern gehört. Der Grund für den Rückgang ist laut Gröning das Auslaufen mehrerer Projekte. „Wir sind in der Unternehmensberatung profitabel und werden im Folgejahr wieder wachsen“, verspricht er aber.

Das aktuelle Geschäftsjahr begann Gröning zufolge mit einem „Rekordstart“ – daraus leitet er auch das ambitionierte Wachstumsziel im niedrigen zweistelligen Prozentbereich ab. Ein deutlich höheres Wachstum als im abgelaufenen Jahr ist aber auch nötig, denn die Konkurrenten sind Baker Tilly dicht auf den Fersen.

Die Nummer 9 im Markt, Mazars, wuchs im vergangenen Geschäftsjahr stärker als Baker Tilly: Mazars legte um knapp 6 Prozent zu und rückt mit einem Umsatz von 143 Millionen Euro immer näher an Baker Tilly heran. Und selbst das zehntgrößte WP- und Beratungshaus Warth & Klein mit einem aktuellen Umsatz von 105 Millionen Euro könnte in Schlagweite rücken: Nach dem vollzogenen Zusammenschluss mit dem Konkurrenten Trinavis erwartet Warth & Klein für das Geschäftsjahr 2019/20 bereits einen Umsatz von 140 Millionen Euro.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Info

Lesen Sie mehr über die Verfolger von KPMG, PwC, Deloitte und EY auf unserer Themenseite zu den Next Ten.

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.