Welcher Wirtschaftsprüfer erhält die höchsten Honorare? War die Antwort auf diese Frage jahrzehntelang eindeutig, kommt im Zuge der verpflichtenden Abschlussprüferrotation langsam aber sicher Bewegung in den Markt: Vor allem im Dax, dem Segment mit den am höchsten dotierten Mandaten, wechseln immer mehr Unternehmen ihren Prüfer und verteilen somit die Honorare neu.
Welcher Big-Four-Prüfer (KPMG, PwC, Deloitte und EY) im vergangenen Jahr die höchsten Dax-Honorare überwiesen bekommen hat und wem durch die Rotation massive Verluste drohen, zeigt eine FINANCE-Analyse der Geschäftsberichte 2018 der Dax-Unternehmen. Darin müssen die gezahlten Honorare sowie deren Zweck (Beratung oder Prüfung) ausgewiesen werden. Die Summe bezieht sich in der Regel nicht nur auf die Leistungen, die das Unternehmen in Deutschland erhalten hat, sondern gilt konzernweit für alle Tochtergesellschaften, die der Prüfer durch sein Netzwerk betreut.
KPMG bekommt die höchsten Honorare
Wie in den Vorjahren schon hat KPMG von seinen Dax-Kunden die mit Abstand höchste Summe überwiesen bekommen: rund 334 Millionen Euro, weniger als im Vorjahr (rund 356 Millionen Euro). Das dürfte unter anderem daran liegen, dass KPMG im Zuge der Prüferrotation sein Mandat bei der Allianz an PwC verloren hat. Der Versicherer zahlte KPMG zuletzt etwa 58 Millionen Euro, womit die Allianz-Prüfung zu den am besten bezahlten Mandaten im Dax gehört. KPMG hatte das Unternehmen rund 130 Jahre lang durchgängig geprüft.
Kompensieren konnte KPMG diesen Honorarwegfall teilweise durch deutlich höhere Zahlungen von Linde: Der Gasekonzern überwies dem Big-Four-Haus 48 Millionen Euro (Vorjahr: 25 Millionen Euro). Mit 30 Millionen Euro entstand der Großteil dieser Summe durch die Leistungen als Abschlussprüfer, den Rest zahlte Linde für Beratungsdienste. Der Grund für die Verdopplung des Honorars ist allerdings ein einmaliger Mehraufwand nach dem Zusammenschluss mit Praxair – 2019 wird die Summe also wieder absinken.
Prüferrotation wird KPMG zusetzen
KPMG zählt aber nach wie vor einen Großteil der hochbezahlten Mandate zu seinem Portfolio: die Deutsche Bank (78 Millionen Euro), Daimler (66 Millionen Euro), BMW und Fresenius (jeweils 24 Millionen Euro), BASF (22 Millionen Euro), Munich Re (13 Millionen Euro) sowie Henkel und Continental (jeweils rund 12 Millionen Euro). Aber nicht mehr lange: Linde, die Deutsche Bank, BMW, Fresenius, Munich Re, Henkel und Continental haben sich schon auf die Suche nach einem neuen Prüfer gemacht. BMW wird sogar schon ab diesem Jahr von einem Konkurrenten geprüft.
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Dadurch wird KPMG in den nächsten ein bis zwei Jahren ordentlich an Honorar einbüßen – und bisher sieht es nicht danach aus, dass das Prüf- und Beratungshaus die Verluste durch neue Mandate kompensieren kann. Bislang konnte KPMG im Dax nur Covestro als neuen Kunden gewinnen. Der Werkstoffhersteller hat KPMG für seine Leistungen aber gerade einmal 3,2 Millionen Euro gezahlt.
PwC kassiert erstmals Allianz-Honorar
Die zweithöchste Honorarsumme aus dem Dax hat Konkurrent PwC erhalten. Mit insgesamt 216 Millionen Euro liegt PwC zwar noch ein gutes Stück hinter KPMG, hat aber im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 40 Millionen Euro zulegt. Das liegt auch daran, dass PwC im vergangenen Jahr erstmals die Honorare seines neuen Kunden Allianz erhalten hat.
Interessant ist dabei, dass PwC mit rund 58 Millionen fast auf den Euro genau so viel von der Allianz gezahlt bekommen hat wie Vorgänger KPMG. Marktbeobachter hatten vermutet, dass die Prüfhonorare im Zuge der Rotation grundsätzlich sinken könnten. Zum einen ist denkbar, dass manche Wirtschaftsprüfer das Auswahlverfahren über einen Preiskampf für sich entscheiden wollen. Zum anderen kann es sein, dass ein Unternehmen seinen neuen WP als reinen Abschlussprüfer beschäftigen will, während der alte Prüfer die komplette Beratungsarbeit übernimmt – und deshalb das Beratungshonorar für den Neuling entfällt.
Doch bei der Allianz bestätigt sich die Erwartung nicht, sowohl die Prüf- als auch die Beratungshonorare sind beim neuen Prüfer gleich hoch. Ob die Markterwartungen wirklich daneben lagen, wird man aber erst sehen, wenn mehr Wechsel stattgefunden haben.
FINANCE-Leser-Voting: Werden die Prüfhonorare durch den Prüferwechsel sinken?
Zu den weiteren gut bezahlenden PwC-Mandanten aus dem Dax zählen Volkswagen (52 Millionen Euro, Wert nur für Deutschland, da VW die Honorare für konzernweite Leistungen nicht ausweist), E.on (24 Millionen Euro), RWE (27 Millionen Euro), ThyssenKrupp (18 Millionen Euro), Deutsche Telekom (16 Millionen Euro) und die Lufthansa (10 Millionen Euro).
Bis auf RWE und ThyssenKrupp haben aber alle diese Kunden ihr Mandat neu ausgeschrieben – und ThyssenKrupp wird aus dem Dax absteigen. Immerhin wird PwC ab 2019 das hochdotierte BMW-Mandat erhalten, ab 2020 außerdem Henkel, Fresenius, Fresenius Medical Care und Heidelberg Cement. Dadurch können die verlorenen Honorare teilweise ausgeglichen werden.
EY wird bald deutlich aufholen
Nach wie vor weit abgeschlagen ist EY mit einem Gesamthonorar aus dem Dax von rund 71 Millionen Euro (Vorjahr: 58 Millionen Euro). Das bestbezahlte Dax-Mandat ist Siemens mit rund 64 Millionen Euro, davon gehen 51 Millionen Euro auf die reine Abschlussprüfung zurück. 2018 erhielt EY auch erstmals Zahlungen des neuen Mandanten Commerzbank (15 Millionen Euro), die Bank notiert aber nicht mehr im Dax. Die übrigen EY-Mandate Wirecard, Beiersdorf und Heidelberg Cement bewegen sich im unteren einstelligen Millionenbereich.
Allerdings dürfte EY in den nächsten Jahren massiv aufholen: Das Big-Four-Haus konnte im Zuge der Prüferrotation überraschend viele Dax-Mandate gewinnen, von denen die Deutsche Bank und Volkswagen mit die höchsten Dax-Honorare zahlen. Aber auch die neuen Kunden Lufthansa und die Munich Re sind lukrativ. Ob diese Unternehmen EY tatsächlich so viel zahlen wie dem Vorgängerprüfer, wird sich aber erst noch zeigen.
Deloitte ist weit abgeschlagen
Das Schlusslicht unter den Big Four bleibt Deloitte: Die Nummer 4 erhielt 25 Millionen Euro Honorar, und zwar von Bayer, dem einzigen Dax-Mandat. 15 Millionen Euro davon entfielen auf die Abschlussprüfung. Insgesamt hat sich die Summe aber deutlich erhöht, im Vorjahr waren es noch 17 Millionen Euro Gesamthonorar, 9 Millionen Euro davon für die Prüfungsleistungen.
So viel hat der Dax den Big Four gezahlt
(Noch) Anführer: KPMG mit rund 334 Millionen Euro
Hartnäckiger Verfolger: PwC mit 216 Millionen Euro
Künftiger Aufsteiger: EY mit 71 Millionen Euro
Abgeschlagener Vierter: Deloitte mit 25 Millionen Euro
Der Grund: Nach der Fusion von Bayer mit Monsanto betreut Deloitte mehr Konzerngesellschaften. 2019 wird das Honorar sogar noch weiter ansteigen, da der Verkauf der Sparte Animal Health zu einem erhöhten Prüfungsaufwand führen wird, so ein Bayer-Sprecher. Immerhin ein kleiner Trost für Deloitte, die sich bislang schwer damit tun, weitere Dax-Mandate zu ergattern.
Info
Noch nie war der Wettbewerb zwischen den Big Four so hart wie derzeit. Wer schnappt sich die lukrativsten Mandate, wer wächst am stärksten und wer hat die beste Strategie? Bleiben Sie auf dem Laufenden mit unserer Themenseite zu den Big Four.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.