Ernst & Young (EY) steht kurz davor, eine Digitalberatung zu kaufen. Wie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gegenüber FINANCE bestätigt hat, gibt es bereits eine Absichtserklärung über den Erwerb des Berliner Start-ups Etventure. Der Kaufprozess sei noch nicht abgeschlossen. Als erstes hatte das Web-Portal „Gründerszene“ darüber berichtet.
Etventure wurde 2010 von Philipp Depiereux, Philipp Herrmann und Christian Lüdtke gegründet und ist mit Standorten in Berlin, Essen, Hamburg, München, Stuttgart, Hongkong, London, New York, Paris und Zürich vertreten. Das Unternehmen berät Unternehmen beim digitalen Wandel und setzt nach Angaben von Gründerszene mit rund 250 Mitarbeitern etwa 20 Millionen Euro um.
Etventure ist in der attraktiven Digitalberatung aktiv
Aus dem Unternehmensumfeld hieße es, die Gründer blieben auch nach einer Übernahme an Bord, schreibt Gründerszene. Voraussichtlich werde auch die Marke bestehen bleiben, mit EY im Rücken wolle man nun aber besonders international stark wachsen.
Die Berliner beraten Unternehmen bei der digitalen Transformation und bei dem firmeninternen Aufbau von Teams, die die Digitalisierung in der eigenen Firma vorantreiben sollen. Daneben baut Etventure auch selbst Start-ups auf.
EY kaufte unter anderem Novumed, Innovalue und J&M
Damit bietet Etventure die Leistungen an, die auch EY seinen Mandanten verkaufen will. Die Big-Four-Gesellschaft versucht momentan genau wie die Konkurrenz, ihren Beratungsarm auszubauen, und will dabei offenbar von der hohen Nachfrage nach Digitalberatung profitieren.
EY hat in den vergangenen Jahren bereits einige Beratungsunternehmen gekauft, doch ein reiner Digitalberater war bislang noch nicht dabei. 2013 kaufte EY den Supply-Chain-Berater J&M, im Juli 2016 erwarb die Gesellschaft den Versicherungsberater Innovalue und im Oktober den auf Pharma und Biotechnologie spezialisierten Strategieberater Novumed. Seit einigen Monaten hält sich außerdem das Gerücht, dass EY den Strategieberater OC&C kaufen will.
Big Four drängen in das Beratungsgeschäft
Für die Big Four KPMG, PwC, Deloitte und EY ist es attraktiv, das Beratungsgeschäft auszubauen, weil es kaum noch Wachstum im traditionellen Geschäftsfeld Wirtschaftsprüfung gibt. Die WP-Gesellschaften argumentieren damit, dass sie dank der Wirtschaftsprüfung, die sie seit vielen Jahrzehnten bei den Unternehmen durchführen, ein tiefes Verständnis von den Geschäftsmodellen haben, das sie für die Beratung der Unternehmen nutzen können.
Das zeigt sich auch in den Geschäftszahlen der Großen Vier, 2016 legten alleine PwC und Deloitte in der Beratung um über 40 Prozent zu, KPMG wuchs um immerhin 12 Prozent. EY schwächelte noch beim Beratungsgeschäft, das Wachstum lag bei etwa 8 Prozent.
BCG und Accenture haben Digitalberater gekauft
Alle Big Four haben in den vergangenen Jahren daher Berater übernommen, so kaufte KPMG unter anderem den Cyber-Security-Berater p3 Consulting + Software AG und den Vertriebsberater TellSell. PwC erwarb unter anderem die IT-Berater Persicon und Outbox sowie die Strategieberatung Strategy& (ehemals Booz & Company) und Deloitte den Strategieberater Monitor.
Bei dem Versuch, sich als Unternehmensberater durchzusetzen, müssen die Big Four in das angestammte Feld der Berater McKinsey, BCG und Bain oder Accenture vordringen. Diese haben zuletzt insbesondere im Bereich der Digitalberatung zugekauft. So kaufte BCG vor wenigen Tagen erst die Digitalagentur Maya Design aus Pittsburgh.
Accenture stärkte sich Anfang des Jahres mit dem Cloud-Berater Solid-Servison und kündigte kurz darauf an, die große Internetagentur Sinner Schrader zu übernehmen. Es war der zehnte Agentur-Deal von Accenture in den vergangenen drei Jahren.
julia.schmitt[at]finance-magazin.de
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Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.