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PwC greift die großen Strategieberater an

PwC hat auf Angriffsmodus geschaltet und will sowohl den großen Strategieberatern als auch den Konkurrenten der Big Four Marktanteile in der Beratung abknöpfen.
PwC

Was haben ein Start-up und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gemeinsam? So gut wie gar nichts, könnte man meinen. Doch wer in den 34. Stock des PwC-Towers in Frankfurt fährt, um einen Einblick in eines der weltweit größten Wirtschaftsprüfungsunternehmen zu bekommen, könnte auf den ersten Blick eines Besseren belehrt werden.

Wer strenge Wirtschaftsprüfer in konservativen Anzügen und Kostümen erwartet, die durch kühle Flure eilen oder in modernen Konferenzräumen diskutieren, wird enttäuscht. Stattdessen: Junge Leute mit Nerd-Brille, Jeans und Turnschuhen, gebeugt über Notebooks oder diskutierend auf  Vintage-Sofas. Die Tapete mit Star-Wars-Muster hängt direkt neben der schwarzen gesteppten Tapete aus Lederimitat. Hier und da sind Einbuchtungen in die Wände eingelassen, in denen sich zwei Polster-Bänke mit einem Tisch in der Mitte befinden.

Statt schwarzen Bürostühlen stehen neon-farbene „Cubes“ in pink, orange oder grün auf dem Boden, daneben findet sich der ein oder andere Sitzsack. Fast alle Wände und Fenster sind beschriftbar – keine Idee, die in diesem sogenannten „Experience Center“ über den Dächern Frankfurts entsteht, soll verloren gehen.

PwC investiert 250 Millionen Euro in die Digitalisierung

„Wir wollen zeigen, dass PwC auch anders sein kann“, erklärt Barbara Lix, Data & Analytics Leader bei PwC, das ungewöhnliche Bild. Das Center soll für die PwC-Kunden die disruptive Kraft der Digitalisierung erfahrbar machen. „Wir wollen den CFO und CXO aus der Komfortzone holen, nur so können sich neue Ideen entwickeln.“ Das Center ist nur eine von vielen Maßnahmen, mit denen PwC sein Beratungsgeschäft nach vorne bringen will. Die Beratung bei der digitalen Transformation der Unternehmen spielt neben der klassischen Strategie- und Corporate-Finance-Beratung dabei eine besonders wichtige Rolle.

5 Millionen Euro hat PwC sich das Center kosten lassen, doch das ist nur ein Bruchteil dessen, was PwC insgesamt investiert: 250 Millionen Euro will die Gesellschaft in den kommenden fünf Jahren in die Digitalisierung stecken. Im Unternehmen sorgt dieses Vorhaben für Wirbel – vor allem nachdem PwC im Oktober 2015 die Schließung von sieben Standorten ankündigte, um die dadurch eingesparten 25 Millionen Euro in die Digitalisierung umzuschichten. Das Geld soll sowohl in den Ausbau der Beratungskompetenz bei Mandanten als auch in die eigene Digitalisierung von PwC fließen, zum Beispiel in bessere Analysetools bei der Wirtschaftsprüfung. 

Beratung ist attraktiver als Wirtschaftsprüfung

Jede der Big Four PwC, KPMG, Ernst & Young (EY) und Deloitte investiert zurzeit viel Zeit und Geld, um ihr Beratungsgeschäft massiv auszubauen. 2016 gab es erste durschlagende Erfolge, sowohl PwC als auch Deloitte sind in der Beratung um über 40 Prozent gewachsen. Deloitte und EY erlösen erstmals in der Geschichte sogar mehr mit der Beratung als mit ihrem klassischen Wirtschaftsprüfungsgeschäft. Bei PwC machen die Mitarbeiter im Bereich Advisory inzwischen schon über ein Viertel aller Mitarbeiter in Deutschland aus, bei der Konkurrenz ist es eine ähnliche Größenordnung.

Dabei ist die Beratung von Unternehmen seit jeher das Metier der großen internationalen Strategieberater McKinsey, BCG, Bain oder Roland Berger. Dass die Wirtschaftsprüfer in diesem Segment vorpreschen, hat einen besonderen Grund: Während der Markt für Abschlussprüfungen nicht mehr wächst, bietet gerade die Digitalisierungsberatung für große Konzerne ein riesiges Wachstumspotential – und diese sind alle langjährige Kunden der Big-Four-Wirtschaftsprüfer. Im Kampf um die besten Mandanten versucht jede der Big Four mit einer eigenen Strategie zu punkten.

Big Four bieten Leistungen aus einer Hand an

Die Big Four können den Unternehmen etwas bieten, was Strategieberater nicht leisten können, ist sich PwC-Advisory-Chef Martin Scholich sicher: Beratung zu Regulatorik, Strategie, M&A, Technologie und mehr, alles aus einer Hand. Möglich soll ihnen das die jahrzehntelange Erfahrung als Wirtschaftsprüfer machen, die ihnen tiefe Einblicke in Unternehmen gegeben hat.

„Die Zeit, in der ein Berater ins Unternehmen kam, eine neue Strategie auf Power-Point-Folien präsentiert hat und anschließend jemand anderes kommt, um diese umzusetzen, ist vorbei“, glaubt Scholich. Die Kunden verlangten jemanden, der integriert alles von der Strategie bis zur Umsetzung anbietet, und PwC will dieser Anbieter sein.

PwC verstärkte sich mit Booz und Cundus

Zwei entscheidende Schritte hat PwC dazu in den vergangenen Jahren unternommen. 2013 kaufte PwC das US-Unternehmen Booz & Company, einen reinen Strategieberater mit 3.000 Mitarbeitern, der heute Strategy& heißt. Die Zusammenführung beider Unternehmen ist nicht einfach, als zu unterschiedlich gelten die Kulturen.

In der Vergangenheit hatten KPMG, EY und PwC schon mehrfach versucht, mit großen Strategieberatern zu fusionieren, beispielsweise mit Roland Berger – meist vergeblich. Wie aus Marktkreisen zu hören ist, verlief auch die Fusion von PwC und Strategy& nicht reibungslos, es gab offenbar viele personelle Abgänge. Laut PwC-Chef Norbert Winkeljohann sind die Weichen nun aber gestellt.

Der zweite Schritt kam 2014, als PwC den Duisburger IT-Spezialisten Cundus AG übernahm und damit fast 150 Mitarbeiter integrierte, die große Dax-Unternehmen zu Business-Intelligence- und Analytics-Fragen berieten. Durch diese Übernahmen stützt PwC sein Beratungsgeschäft heute auf folgende Säulen: Strategie- und Managementberatung, Technologie- und Data-Analytics-Beratung sowie die Corporate-Finance-Beratung.

„Im Gegensatz zu einem reinen Strategieberater haben wir echte Technologiespezialisten an Bord. Und im Vergleich zu den anderen Big Four punkten wir mit echten Strategieberatern“, erklärt Martin Scholich das Modell, mit dem sich PwC abgrenzen will. Diese Leistungen bietet PwC aus einer Hand, nach eigenen Angaben oft günstiger als die reinen Strategieberater. „Weil wir diverse Leistungen in einem Paket bündeln, können wir Synergien nutzen und einen realen Mehrwert bieten“, erklärt Scholich.

Unterschätzen McKinsey & Co. die Big Four?

Die Strategieberater verfolgen den Vorstoß der Big Four in ihr angestammtes Revier skeptisch. Bei Pitches auf Vorstandseben würde man nur selten einen der Big Four sehen, hört man aus Beraterkreisen. In einem Interview im Oktober mit FINANCE erklärte Bain-Chef Walter Sinn, dass Wirtschaftsprüfer nicht in einer Liga mit Beratern spielen würden. Bei PwC ist man da anderer Meinung: „Es gibt kein Projekt, bei dem wir nicht gegen einen reinen Strategieberater antreten könnten“, meint Peter Gassmann, Deutschlandchef von PwC Strategy&. Und er geht sogar noch einen Schritt weiter: „In Zukunft werden wir die großen Strategieprojekte machen.“ Eine klare Kampfansage.

Anders verhält es sich gegenüber den spezialisierten Beratern, zu denen große Player wie Accenture oder Capgemini gehören. Gegen IT-Spezialisten mit einem derart fokussierten Leistungsangebot wolle man nicht immer antreten, gibt Peter Gassmann zu. Trotzdem erweitert PwC auch in diesem Bereich sein Angebot, indem die Gesellschaft Kooperationen mit Software-Konzernen wie Oracle, Microsoft oder SAP eingeht. Auch dort habe sich der Marktangang in den vergangenen Jahren stark gewandelt: „Früher wollten wir alle Probleme mit unseren eigenen Mitarbeitern lösen. Jetzt holen wir uns die Expertise auch über Kooperationen mit Start-ups, IT-Firmen oder Forschungsinstituten“, sagt Gassmann.

Digitalisierung: Deloitte ist der gefährlichste Konkurrent von PwC

Wird die Expertise dauerhaft benötigt, kauft PwC auch zu: So war es bei den IT-Beratern Persicon und Outbox im vergangenen Jahr. „Wir halten nach weiteren Zukäufen Ausschau, wir würden gerne die bereits vorhandene Artificial-Intelligence-Kompetenz verstärken“, sagt Analytics-Expertin Barbara Lix. So gehen auch die anderen Big Four vor, EY etwa kaufte im Juli den Berater Innovalue.  

Doch häufig bleibt es bei Akquisitionen kleiner Beratungshäuser, eine große Strategieberatung hat außer PwC noch niemand gekauft. Einzig Deloitte, die im Gegensatz zur Konkurrenz ihre Beratungssparte nie verkauft hat, kann da mithalten – und gibt sogar den Takt vor: Nimmt man bei PwC das anorganische Wachstum durch die Konsolidierung von Strategy& heraus, ist Deloitte 2016 in der Beratung sogar mehr als doppelt so stark wie PwC gewachsen. Deloitte dürfte damit der ärgste Gegner von PwC in den kommenden Jahren werden, wenn es darum geht, das WP-lastige Geschäftsmodell in die digitale Welt der Zukunft zu heben.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Info

Noch nie war der Wettbewerb zwischen KPMG, Deloitte, PwC und Ernst & Young (EY) so hart wie derzeit. Wer schnappt sich die lukrativsten Mandate, wer wächst am stärksten und wer hat die beste Strategie? Bleiben Sie auf dem Laufenden mit unserer Themenseite zu den Big Four.

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.