Die Perspektive des Aufsichtsrats und den Blickwinkel der Anwärterin auf den Posten: Simone Menne kennt beides. Als Finanzchefin der Deutschen Lufthansa und des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim steuerte sie bis Ende 2017 selbst viele Jahre die Finanzabteilungen großer Konzerne.
Heute ist sie Aufsichtsrätin bei BMW, der Deutschen Post sowie bei Johnson Controls International und baut eine Kunstgalerie in Kiel auf, die im Herbst eröffnen soll. Mit FINANCE sprach sie darüber, welche Herausforderungen sie für Frauen in der Finanzabteilung sieht und auf welchen Gebieten sich Fortschritte abzeichnen.
Als Finanzchefin im Großkonzern waren Sie viele Jahre eine Ausnahme, in den Aufsichtsräten nimmt der Frauenanteil dagegen zu. Hilft das auch angehenden Finanzchefinnen?
Wenn die Aufsichtsräte diverser besetzt sind, dann werden auch die Auswahlprozesse vielfältiger. Man sieht bereits jetzt, dass weibliche Expertise stärker gesucht wird. Die Unternehmen schauen mehr über den Tellerrand. Wer sich umschaut, der findet geeignete Frauen für Führungsaufgaben. Man muss nur die Augen aufhalten.
FINANCE-Köpfe
Geschah das bislang zu wenig?
Ja, wenn auch nicht unbedingt vorsätzlich. Ich geben Ihnen ein Beispiel: Während meiner Zeit als CFO von Boehringer Ingelheim suchten wir Nachwuchsführungskräfte für unsere Auslandsorganisationen. Auf der Vorschlagsliste, die ein Mann erstellt hatte, fanden sich aber nur männliche Kandidaten. Ich habe dann darum gebeten, eine mindestens ebenso lange Liste mit Frauen zu erhalten, und es waren tolle Kandidatinnen dabei. Führungskräfte und Aufsichtsräte müssen darauf achten, dass ein ausgewogener Kandidatenpool erstellt wird, und das dann auch aktiv einfordern.
Frauen fehlen oft auf Recruiting-Listen
Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Männer die Listen so häufig dominieren? Gibt es vielleicht einfach noch zu wenige Frauen im Umkreis der Top-Jobs?
Es gibt viele Frauen im Rechnungswesen, gerade auch im Mittelstand, aber die Hürden für einen Aufstieg liegen sehr hoch. Ich glaube, es hat viel mit Vorurteilen zu tun, die teilweise unbewusst und verhaltenspsychologisch begründet sind. Wer eine Position besetzen muss, der sucht instinktiv nach einem Vertrauten. Da Führungskräfte über Jahrzehnte von Männern ausgesucht wurden, waren es dann eben männliche Kandidaten. Das ist nachvollziehbar. Aber dieses Verhalten müssen wir aufbrechen, wenn wir etwas verändern wollen.
Schauen Männer und Frauen unterschiedlich auf Bewerber?
Ja, das habe ich in vielen Assessments selbst erlebt. Daher ist es wichtig, im Auswahlgremium Männer und Frauen zu haben. Beide Geschlechter kommunizieren anders, und das nimmt das Gegenüber anders wahr. Es gab Fälle, in denen ich einer Frau eine Aufgabe ganz klar zutraute, auf meine männlichen Kollegen wirkten ihre Körperhaltung und Sprache dagegen eher verunsichert.
„Es fehlt an Erfahrung im beruflichen Umgang miteinander.“
Da fehlt es auch an Erfahrung im beruflichen Umgang miteinander. Beide Seiten müssen versuchen, ein Gespür für die Sprache des Gegenübers zu entwickeln, ohne dessen Verhaltensweisen künstlich nachzuahmen.
Sie kennen selbst auch die Perspektive als Finanzchefin. Welchen Rat würden Sie anderen Frauen mitgeben?
Frauen sollten sich mehr zutrauen. Oft muss man sie mehr bestärken und stärker zu Jobs motivieren – das wird dann schnell Teil des Problems: Männer trauen sich Positionen oft sofort zu. So jemanden für eine Führungsposition zu gewinnen ist einfacher als bei einer Frau, der man gut zureden muss.
Auch Themen wie Homeoffice-Zeiten für Frauen mit Kindern lassen sich in aller Regel gut darstellen, aber auch das ist aufwendiger als einen Mann einzustellen, der dauerhaft im Büro sitzt. Frauen sollten daher ausstrahlen, dass sie eine Position wirklich wollen, und auch selbst Ideen anbringen, wie sich beispielsweise die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verwirklichen lässt. Ich habe schon Gremiensitzungen bei einer Kollegin am Küchentisch abgehalten, die zwischendurch ihre Kinder ins Bett gebracht hat. Mit etwas Kreativität und Flexibilität wird vieles möglich.
Frauenquote nicht überall sinnvoll
Fänden Sie eine Quotenregelung für weibliche Führungskräfte sinnvoll?
Das sehe ich differenziert. Ich finde eine Quote für Vorstandspositionen nicht sinnvoll. Es ist ohnehin ein sehr kleiner Kreis, der die jeweilige Fach- und Branchenkenntnis mitbringt. Dann auch noch das Geschlecht als eingrenzendes Kriterium hinzuzufügen, würde den Bewerbermarkt so stark beschränken, dass das Risiko von Fehlbesetzungen steigt. In Aufsichtsräten dagegen finde ich die Quote sinnvoll. Ich könnte mir zudem vorstellen, den Frauenanteil auf den Ebenen unterhalb des Vorstands zu stärken, indem man sich feste Zielwerte setzt. Wenn irgendwann jeder zweite Teamleiter, Fachgruppenleiter und Abteilungsleiter eines Unternehmens eine Frau ist, dann gibt es auch eine große Auswahl an Kandidatinnen, die in die Top-Positionen aufsteigen können.
Info
Wie entwickelt sich der Anteil von Frauen auf der CFO-Position? Eine ausführliche Analyse der aktuellen Situation finden Sie in der Titelgeschichte des FINANCE-Magazins Juli/August 2018, das Sie hier als e-Paper beziehen können.
Lesen Sie hier den ersten Teil unserer Serie mit der Professorin für Arbeitssoziologie Heather Hofmeister sowie den zweiten Teil mit der Headhunterin Simone Siebeke. Alle Teile unserer Interviewreihe finden Sie gebündelt auf unserer Themenseite Frauen in Finance.