Das Rätsel um den überraschenden Abschied von Finanzchef Axel Kaufmann beim Großküchenbauer Rational ist gelöst: Der 49-Jährige wechselt zum Softwarekonzern Nemetschek und übernimmt dort eine wesentlich breitere Rolle als bei seinem bisherigen Arbeitgeber. Er wird Vorstandssprecher und Finanzchef mit zusätzlicher operativer Verantwortung, was auch sein neuer Jobtitel „CFOO“ ausdrückt.
Konkret übernimmt Kaufmann neben seinen CEO- und CFO-Aufgaben auch noch die Führung des Geschäftsbereichs Media & Entertainment. Dieser ist mit einem Anteil von 6 Prozent am Gesamtumsatz allerdings der kleinste Geschäftsbereich.
Nemetschek entwickelt Bau- und Designsoftware und gehört in dieser Nische des Softwaremarkts zu den weltgrößten Anbietern. Aufsichtsratschef Kurt Dobitsch bezeichnet Kaufmann als „erfahrenen Manager mit langjähriger internationaler Industrieerfahrung und großer Finanzkompetenz“. Kaufmann verfüge über „Führungsstärke, strategisches Denken und Handeln sowie vorbildlichen Teamgeist“. Seine Aufgabe ist es Dobitsch zufolge, „Nemetschek in die nächste Innovations- und Wachstumsepoche zu führen“.
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Die Hürde für Axel Kaufmann liegt hoch
Dieser Auftrag ist kein leichter, denn unter dem bisherigen Vorstandschef und CFOO Patrik Heider ist Nemetschek stark gewachsen. Im vergangenen Jahr erzielte das Softwarehaus einen Rekordumsatz von 461 Millionen Euro, fast 17 Prozent mehr als im Jahr davor. 80 Prozent des Wachstums kamen aus eigener Kraft, die Hälfte der Umsätze ist mittlerweile wiederkehrend – eine Marke, die die meisten anderen Softwarehäuser erst in vielen Jahren anstreben. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) wuchs um 12 Prozent auf 121 Millionen Euro, die Ebitda-Marge erreichte 26,3 Prozent.
Heider hatte das CFOO-Amt seit 2014 inne und wird am Jahresende den Platz räumen, damit Kaufmann zum 1. Januar übernehmen kann. Über die Gründe für den Chefwechsel will Nemetschek erst am Donnerstag kommenden Woche informieren, wenn das Unternehmen neue Quartalszahlen vorlegt.
Für das laufende Jahr prognostiziert Nemetschek einen weiteren Umsatzzuwachs von 17 bis 19 Prozent auf 550 Millionen Euro. Die Ebitda-Marge soll auf 27 bis 29 Prozent steigen.
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Nemetschek ist eine Kursrakete
Vor nicht einmal zwei Wochen hatte Axel Kaufmann seinen vorzeitigen Abschied bei Rational angekündigt. Dort agierte er seit Oktober 2015 als Finanzchef. Zuvor war er CFO des Druckmaschinenerstellers König & Bauer, vorherige Managementstationen waren Siemens und Nokia. Kaufmann hat also einen eher klassischen Industrie- und keinen Technologiehintergrund.
Was ihn an seiner neuen Aufgabe in der Softwarebranche reizt, kommentiert er so: „Nemetschek hat sich von einem nationalen Familienunternehmen zu einem internationalen Softwarehersteller entwickelt, der als einer der weltweiten Marktführer die Digitalisierung der gesamten Baubranche vorantreibt. Dazu genießt Nemetschek am Kapitalmarkt einen hervorragenden Ruf.“
„Nemetschek treibt die Digitalisierung der gesamten Baubranche voran und genießt am Kapitalmarkt einen hervorragenden Ruf.“
In der Tat wechselt Kaufmann von einem Börsenstar zum nächsten: Die Aktie seines bisherigen Arbeitgebers Rational gehört zu den Dauerläufern am deutschen Aktienmarkt und hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als versechsfacht. Nemetschek stellt diese Entwicklung noch weit in den Schatten: Im gleichen Zeitraum hat das Papier über 3.300 Prozent an Wert gewonnen. Aktiensplitbereinigt notierte die Nemetschek-Aktie im Herbst 2009 bei Werten um 1,20 Euro, der aktuelle Kurs liegt bei 46 Euro. Der Mittelständler bringt eine Marktkapitalisierung von fast 5,5 Milliarden Euro auf die Waage.
Info
Mehr zum Werdegang des neuen Nemetschek-CFOOs finden Sie im FINANCE-Köpfe-Profil von Axel Kaufmann, zum scheidenden CFOO im Köpfe-Profil von Patrik Heider.