Der Industriegigant Siemens spaltet sich auf. Wie die Münchener mitgeteilt haben, sollen die Geschäfte mit der Energiebranche („Gas & Power“) im kommenden Jahr via eines „Spin-offs“ an die Börse gebracht werden.
Die Dimensionen des IPOs lassen aufhorchen: Mit dem geplanten Börsengang trennt sich Siemens von 27 Milliarden Euro Umsatz, was rund einem Drittel der Konzernerlöse entspricht. Die Marge gemessen am bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebita) des neuen Konzerns lag zuletzt bei 4 Prozent, soll bis 2023 aber auf 8 bis 12 Prozent anschwellen. Zudem wandern über 80.000 Mitarbeiter in den noch zu formenden Konzern.
35 Prozent der Umsätze des neuen Konzerns soll die konventionelle Energiegewinnung ausmachen. Mit 33 Prozent entfällt der zweitgrößte Anteil dann auf die Windkrafttochter Siemens Gamesa, die Siemens in den neuen Konzern einbauen möchte. Momentan leidet Siemens Gamesa mit Sitz in Spanien unter dem Preisverfall in der Windturbinenbranche, kommt aber auf eine Marktkapitalisierung von 10 Milliarden Euro. Siemens hält 59 Prozent an dem Turbinenbauer und will diesen Anteil in die Gesellschaft einbringen. Weitere wichtige Säulen der neuen Siemens-Sparte werden die Segmente Netzarchitektur („Grid“) mit 21 Prozent Umsatzanteil sowie Öl & Gas (11 Prozent).
Klaus Patzak wird CFO von Siemens Gas & Power
Den Börsengang des künftigen Energieriesen „Siemens Gas & Power“ soll ein bekanntes Gesicht durchführen: Klaus Patzak, bis vor wenigen Monaten noch CFO des Industriedienstleisters Bilfinger, wird Finanzvorstand der künftigen Siemens Gas & Power, wie der Dax-Konzern ebenfalls bekanntgegeben hat.
Der Manager, der heute seinen 54. Geburtstag feiert, war erst vor wenigen Wochen als Managing Partner der Sparte „Portfolio Companies“ zu Siemens zurückgekehrt. Dieser Aufgabe wird er jetzt wieder abgeben und sich voll auf seine neue Rolle konzentrieren, wie ein Siemens-Sprecher gegenüber FINANCE sagte. Michael Becker bleibe indes in seiner jetzigen Funktion als CFO für die operativen Aktivitäten von Siemens Gas & Power im Amt und unterstütze Patzak.
FINANCE-Köpfe
Patzak dürfte fast die Ideallösung für die Besetzung des CFO-Posten der neuen Firma sein: Der Manager hat seine Karriere 1993 bei Siemens begonnen und sich intern hochgearbeitet. 2013 hat er zudem als CFO die frühere Siemens-Lichtsparte Osram an die Börse gebracht, die jetzt im MDax notiert, zuletzt aber aufgrund mehrerer Problemherde in die Krise gerutscht ist.
Patzak bringt also wertvolle Spin-off-Erfahrung mit, die er jetzt einbringen kann. Zudem ist er ein intimer Kenner des Siemens-Konzerns. Patzak berichtet in seiner neuen Aufgabe an die Chefin von Siemens Gas & Power, Lisa Davis, und hat eine fachliche Berichtslinie an Siemens-CFO Ralf Thomas.
Siemens legt Zeitplan für Energie-Spin-off vor
Den Zeitplan für den IPO hat Siemens bereits detailliert dargelegt. So soll in den kommenden Wochen das Carve-out-Konzept für die jeweiligen Länder erstellt werden. Bis April 2020 will Siemens dann alle eigenen Anteile an Siemens Gamesa in das neue Unternehmen einbringen.
Im Juni kommenden Jahres folgt laut den Plänen dann eine außerordentliche Hauptversammlung, in der die Aktionäre über den Spin-off abstimmen können. Im September 2020 will Siemens den neuen Konzern schließlich an die Börse bringen.
Danach will Siemens mit maximal 49 Prozent an dem Spin-off beteiligt sein und auf absehbare Zeit eine Sperrminorität halten. Ähnlich war der Konzern auch bei der Abspaltung von Osram vorgegangen. Mit dem IPO würde ein neues deutsche Börsenschwergewicht entstehen. An dem voraussichtlichen Jahresumsatz gemessen könnte Siemens Gas & Power sogar in den Dax und somit in die oberste Börsenliga aufsteigen. Mit Blick auf die eher geringe Profitabilität dürfte es aber eher auf eine Position im MDax hinauslaufen.
Siemens konzentriert sich auf neue Technologien
Der geplante Börsengang ist Teil eines großen Konzernumbaus, den Siemens sich selbst verordnet hat. Siemens-CEO Joe Kaeser will den Dax-Konzern dadurch vor allem auf neue Technologien ausrichten. Das Kerngeschäft werden den Plänen zufolge die Automatisierung von Fabriken („Digital Industries“) sowie das Segment „Smart Infrastructures“ sein, in dem der Dax-Konzern seine Geschäfte mit der Vernetzung von Gebäuden, Städten und Ländern bündelt.
Siemens hatte erst im vergangenen Jahr seine Medizintechniktochter Healthineers an die Börse gebracht und auf diese Weise 4 Milliarden Euro eingenommen. Die Münchener halten weiterhin 85 Prozent der Anteile an Healthineers und bezeichnen die Sparte auch für die Zukunft als eine „strategische Mehrheitsbeteiligung“. Auch das Mobilitätsgeschäft soll ein wichtiger Teil des Siemens-Konzerns bleiben.
Für den nun geplanten Umbau nimmt Siemens viel Geld in die Hand: 1 Milliarde Euro will CEO Kaeser für die Umstrukturierung ausgeben und in dem Zuge über 10.000 Stellen abbauen. Allerdings rechnet der Siemens-Chef bis 2023 mit Einsparungen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro, zudem sollen 20.000 Arbeitsplätze neu geschaffen werden. Die Arbeitnehmervertreter unterstützen die Pläne von Kaeser daher offiziell.
Info
Mehr über den neuen CFO der Siemenssparte Gas & Power Klaus Patzak erfahren Sie auf seinem FINANCE-Köpfe-Profil.
Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.