Die Aktien von Zahlungsdienstleistern wie die des Münchener Anbieters Wirecard werden von Woche zu Woche wertvoller – mittlerweile ist Wirecard sogar mehr wert als die Deutsche Bank und die Commerzbank. Doch die Anbieter sind nicht nur bei den Investoren am Kapitalmarkt extrem beliebt.
Auch am deutschen M&A-Markt werden Zahlungsdienstleister heiß gehandelt. Bereits zu Jahresbeginn häuften sich die Meldungen über Übernahmen und Fusionen innerhalb der Branche. Dabei lag den Deals nicht selten eine Milliardenbewertung zugrunde. Doch was ist der Grund für den momentanen Boom am M&A-Markt für Zahlungsdienstleister? FINANCE hat sich den Sektor genauer angeschaut.
1. Immer mehr Deutsche zahlen bargeldlos
Ein Hauptgrund für die hohe M&A-Aktivität unter Zahlungsdienstleistern ist die stückweise Veränderung des Zahlungsverhaltens der Deutschen. Wie eine Studie der Deutschen Bundesbank vom Februar 2018 belegt, ist Bargeld für gut 74 Prozent der Bundesbürger immer noch die beliebteste Bezahlmethode. Im Vergleich zur letztmaligen Durchführung der Befragung 2014 ist das ein Rückgang von fast 5 Prozent. Jedoch folgt die Kartenzahlung mit über 18 Prozent bereits auf Platz zwei. Zur Vorgängerumfrage ist dies ein Zuwachs von knapp 3 Prozent.
Von den sich nun langsam verändernden Gewohnheiten der Deutschen profitieren jetzt auch in hohem Maße deutsche Zahlungsdienstleister wie Wirecard oder Concardis. „Die Digitalisierung erreicht mittlerweile alle unsere Lebensbereiche und sorgt dafür, dass bargeldlose Zahlungen kontinuierlich zunehmen“, schätzt Robert Hoffmann, CEO der Concardis Payment Group, die momentane Situation ein.
Dies mache sich vor allem bei Online-Händlern wie Zalando oder Amazon bemerkbar. Kunden kaufen immer häufiger auf diesen Plattformen ein, womit auch die bargeldlosen Transaktionen stetig zunehmen. „Verbraucher sehen den Komfort und die Zweckmäßigkeit von bargeldlosen Bezahlmöglichkeiten immer klarer“, bemerkt Hoffmann. Diese Entwicklungen machen Zahlungsdienstleister zunehmend attraktiver für mögliche Käufer.
Doch es gibt noch viel Luft nach oben, denn im internationalen Vergleich hinkt Deutschland noch weit hinterher. „In den USA, Skandinavien oder beispielsweise den Niederlanden ist man in diesem Bereich schon sehr viel weiter“, merkt Japhet Wünsch, Managing Director bei der M&A-Beratung Raymond James, an. Bekannte Beispiele sind hier Anbieter wie der US-Konzern Paypal oder das schwedische Unternehmen Klarna. In Europa sind es aus Sicht von Wünsch vor allem Frankreich und Deutschland, die bei der Entwicklung noch Nachholbedarf hätten.
„Verbraucher sehen den Komfort und die Zweckmäßigkeit von bargeldlosen Bezahlmöglichkeiten immer klarer.“
„Um gegen Konkurrenten bestehen zu können, sind Größenvorteile unerlässlich.“
2. Größe ist überlebensnotwendig
Durch die steigende Beliebtheit von Zahlungsdienstleistern nimmt auch der Wettbewerb der Anbieter untereinander zu – nicht nur in Deutschland, sondern auch in ganz Europa. Somit kämpfen nicht nur Platzhirsche wie Wirecard oder Concardis um Marktanteile, auch internationale Tech-Giganten wie Google, Apple oder Alipay drängen auf den deutschen Markt. „Um auch gegen diese Konkurrenten bestehen zu können, sind die Größenvorteile unerlässlich“, unterstreicht Wünsch. Dafür müssten die Anbieter das eigene Wachstum extrem beschleunigen – nicht zuletzt durch Übernahmen. Zudem geht es darum Skaleneffekte zu heben. Denn letztlich ist die Wahrscheinlichkeit sich am Markt zu behaupten größer, je mehr Kunden das Angebot eines Zahlungsdienstleisters nutzen.
Darin liegt offenbar auch die jüngste Konsolidierungswelle aus dem Frühjahr begründet. So haben unter anderem die Sparkassen-Tochter BS Payone, die zu den größten Anbietern auf dem deutschen Markt zählt, und Ingenico, einem französischen Anbieter für elektronische Zahlungslösungen, ein Joint Venture gegründet.
Ein Deal, der für großes Aufsehen in der Branche gesorgt hatte, war zudem die Fusion des Eschborner Anbieters Concardis und des dänischen Konkurrenten Nets. Durch den Unternehmenszusammenschluss haben die beiden Zahlungsdienstleister einen Branchenriesen mit einem Umsatz von 1,3 Milliarden Euro und über 3.000 Mitarbeitern geschaffen.
3. Private Equity konsolidiert den Markt
Die gesteigerte Attraktivität der Zahlungsdienstleister hat dazu geführt, dass auch Finanzinvestoren den Markt verstärkt ins Visier genommen haben. „Viele Zahlungsdienstleister können vorhandenes Wachstumspotenzial schnell heben und neue Geschäftsfelder erschließen“, erklärt Hoffmann das wachsende Interesse von Private-Equity-Häusern an den Unternehmen.
Wie groß das Interesse dieser Investoren ist, hat sich in den vergangenen zwölf Monaten eindrucksvoll herausgestellt. Hellman & Friedman hatte beispielsweise im September 2017 den Anbieter Nets für 4,4 Milliarden Euro übernommen und das Unternehmen von der Börse genommen. Auch Concardis zog zuvor das Interesse der PE-Investoren Bain und Advent auf sich. Gemeinsam übernahmen sie im Januar 2017 den hessischen Anbieter für 600 Millionen Euro von den deutschen Banken, darunter Größen wie Deutsche Bank oder Commerzbank.
andreas.mehring[at]finance-magazin.de
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