Der Deal schien schon fast in trockenen Tüchern, nun ist er doch gescheitert: Der größte deutsche Immobilienkonzern Vonovia wird den zweitgrößten Wohnungseigentümer Deutsche Wohnen zunächst einmal nicht übernehmen. Bereits am Freitag teilten die Konzerne mit, dass die erforderliche Mindestannahmeschwelle von mindestens 50 Prozent voraussichtlich nicht erreicht worden sei, am heutigen Montag gab es dann die endgültige Gewissheit.
Die Aktien der beiden Unternehmen reagierten zunächst negativ über die fehlgeschlagene Übernahme. Vor allem der Kurs der Vonovia-Papiere fiel zunächst von knapp 60 auf rund 55 Euro. Hingegen konnten sich die Aktien der Deutsche Wohnen nach einem kurzen Tief auf über 51 Euro wieder erholen.
Vonovia bekommt nur 47,62 Prozent an Deutsche Wohnen
Vonovia scheiterte denkbar knapp: Bis zum Ende der Annahmefrist hatte der Konzern 47,62 Prozent beisammen. Vonovia hatte 52 Euro je Deutsche-Wohnen-Aktie geboten und die Deutsche Wohnen damit mit einem Eigenkapitalwert von 18 Milliarden Euro geschätzt. Nach der Übernahme sollte ein 45 Milliarden Euro schwerer Konzern geschaffen werden. Von insgesamt etwa 20 Millionen Mietwohnungen gehören dem Branchenführer Vonovia rund 354.000 Mietwohnungen. Die Deutsche Wohnen besitzt etwa 154.000. Die Übernahme wurde Ende Mai angekündigt.
Besonders bitter für Vonovia: Das ist schon der zweite gescheiterte Übernahmeversuch innerhalb von sechs Jahren. Bereits 2016 war eine Übernahme gescheitert, die im Gegensatz zum aktuellen Angebot noch feindlich war. Auch damals wurde die Mindestannahmeschwelle nicht erreicht. Zudem soll Vonovia bereits im Frühjahr 2020 einem Bericht des „Manager Magazins“ zufolge über einen erneuten Übernahmeversuch nachgedacht haben, offiziell bestätigt wurde das aber nie.
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Sind die Hedgefonds am Scheitern schuld?
Dabei hatte Vonovia bereits 18,4 Prozent im eigenen Besitz – es hätten also nur noch 31,6 Prozent der Anteile gewonnen werden müssen. Der Streubesitz lag bei über 63 Prozent, rund 3 Prozent hielt der Investor Paul Singer, über 7 Prozent lagen bei Blackrock – und genau hier sieht das Unternehmen den Grund für das Platzen des Deals. In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ sagte Vonovia-CEO Rolf Buch: „Man kann es so interpretieren, dass wir an den Hedgefonds gescheitert sind.“ Diese hatten offenbar auf einen höheren Preis spekuliert.
Auch mache der zunehmende Anteil von passiven Investoren Deals in dieser Größenordnung schwieriger, so Buch weiter. Die passiven Indexfonds dürfen ihre Aktien erst andienen, wenn das Angebot keiner Bedingung mehr unterliegt. Diese hätten einen Anteil von 20 Prozent ausgemacht, erklärt der CEO. Buch verteidigte zudem den Preis, den Vonovia für die Deutsche-Wohnen-Aktie angeboten hat. Die 52 Euro pro Wertpapier seien ein fairer Preis gewesen – auch weil der Kurs nie über diese Marke gegangen ist.
Vonovia-Aktie verliert nach geplatztem Deal
Finanzierung für Deutsche-Wohnen-Deal war vorbereitet
Die erschwerten Bedingungen durch den hohen Anteil der Indexfonds dürften dem Unternehmen allerdings schon im Vorfeld bekannt gewesen sein. Sowohl Vonovia als auch Deutsche Wohnen gaben sich dennoch stets optimistisch, dass der Deal glückt. Entsprechend hatten die beiden Unternehmen bereits alle Vorbereitungen getroffen. Die Finanzierung sei durch einen Bridge Loan in Höhe von 22 Milliarden Euro bereits sichergestellt, kündigte Vonovia Ende Mai an. Die Brückenfinanzierung wurde von Société Générale, Morgan Stanley und Bank of America Merrill Lynch gestellt.
Das Finanzpaket beinhaltete auch die Ablösung von Wandelanleihen von Deutsche Wohnen, deren Inhaber über eine Change-of-Control-Klausel verfügen. Kurz darauf gelang der erste Teil der Refinanzierung: Anfang Juni platzierten die Bochumer fünf unbesicherte und festverzinsliche Anleihen in Höhe von 4 Milliarden Euro, die sogar 4,5-fach überzeichnet waren. „Die erfolgreiche Platzierung der Unternehmensanleihen ist ein wichtiges Signal des Kapitalmarkts. Wir freuen uns, dass die Investoren den Zusammenschluss mit Deutsche Wohnen für strategisch sinnvoll für unser Unternehmen bewerten“, freute sich damals Vonovia-CFO Helene von Roeder.
Eine Hintertür hielt sich das Unternehmen aber noch offen: Sollte die Transaktion doch nicht zustande kommen, wolle man die frischen finanziellen Mittel zur Refinanzierung anstehender Verbindlichkeiten verwenden, teilte Vonovia damals auf Anfrage mit. Der Rest der Summe sollte über eine 8 Milliarden Euro hohe Kapitalerhöhung refinanziert werden, zudem plante der Immobilienriese mehrere Veräußerungen von Wohneinheiten.
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Die neuen CFO-Positionen standen schon fest
Doch die Refinanzierung war nicht das einzige, was bereits festgezurrt war. Auch hatten beide Unternehmen schon klare Vorstellungen davon, an welchen Positionen das Personal-Karussell nach erfolgreicher Fusion anhalten sollte. Da der diesjährige Übernahmeversuch ein freundlicher war, hatten sich sowohl die Berliner als auch die Bochumer bereits auf bestimmte Wechsel im Management geeinigt. Unter anderem war geplant, dass Vonovia-CFO Helene von Roeder im fusionierten Immobilen-Konzern den Posten der Digitalvorständin erhält. Der Deutsche-Wohnen-CFO Philip Grosse sollte Finanzchef des neuen Konzerns werden. Nun bleiben beide erstmal an ihren angestammten Posten.
Unklar ist, wie es nun weitergeht. „Vonovia ist weiterhin der Auffassung, dass ein Zusammenschluss mit der Deutsche Wohnen strategisch sinnvoll ist und Mehrwert für die Aktionäre beider Unternehmen schafft“, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens. Man werde die zur Verfügung stehenden Optionen, „wie zum Beispiel einen Verkauf der derzeit bereits von Vonovia gehaltenen Aktien an der Deutsche Wohnen, den Erwerb weiterer Aktien oder ein erneutes öffentliches Angebot sorgfältig prüfen“.
Angesichts der bereits getroffenen Maßnahmen bei der Finanzierung und dem Personal-Tableau erscheint ein weiteres Übernahmeangebot nicht völlig unrealistisch – allerdings betont das Unternehmen, dass man den Angebotspreis für angemessen halte. „Man sollte im Leben nie etwas ausschließen, aber man sollte auch nicht immer von einem Happy End träumen“ beschreibt es der Vonovia-CEO Buch im „Handelsblatt“-Interview.
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Mögliche andere Targets für Vonovia
Nach Einschätzungen der Analysten von UBS könne Vonovia aber auch andere Targets in den Blick nehmen: Nachdem bekannt wurde, dass die Immobilienfirma Akelius Teile ihres Immobilen-Portfolios in Berlin und Hamburg sowie auf dem dänischen und schwedischen Markt verkaufen möchte, weisen die Experten der Schweizer Großbank auf dieses Target als mögliche Alternative für Vonovias Expansionspläne hin. Schweden ist zudem ein Land, in dem die Bochumer bereits aktiv sind.
Info
Weitere Informationen über die beiden CFOs Helene von Roeder und Philip Grosse können Sie in ihren FINANCE-Köpfe-Profilen nachlesen.



