Der Immobiliengigant Vonovia bekommt offenbar Zweifel an der Zustimmung der Deutsche-Wohnen-Investoren zur geplanten Übernahme. Der größte Wohnkonzern Deutschlands hat die Annahmeschwelle für die Aktien der Nummer Zwei gesenkt und gleichzeitig die Eintauschfrist um zwei Wochen verlängert.
Die Bochumer Vonovia hatte in ihrem 14-Milliarden-Gebot zunächst als Voraussetzung für den Deal festgeschrieben, dass 57 Prozent der Deutsche-Wohnen-Aktien eingetauscht werden müssen. Die Überlegung: Der Berliner Wettbewerber hat zwei Wandelanleihen ausstehen. Sollte jeder einzelne der Gläubiger nach der geglückten Übernahme verlangen, mittels der so genannten Change-of-Control-Klausel ausbezahlt zu werden, dann hielte Vonovia trotzdem die Mehrheit der Deutsche-Wohnen-Aktien. Und nur unter dieser Bedingung ist der Kauf sinnvoll für Vonovia-CFO Stefan Kirsten.
Vonovia-CFO Stefan Kirsten: „Lücke ist rein technisch“
Doch laut aktueller Wasserstandsmeldung wurden bislang nur 20 Prozent der Aktien umgetauscht, Ende letzter Woche waren es knapp 17 Prozent. Und das Management der Deutsche Wohnen stemmt sich gegen die Übernahme. Darum greift Stefan Kirsten zu einer Taktik, die die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sein Konzern zum Zuge kommt: Er senkt die Annahmeschwelle für die Papiere auf unverwässerter Basis (also ohne Berücksichtigung der Wandelanleihen) auf 50 Prozent. Damit verlängert sich gleichzeitig der Annahmeschluss vom 26. Januar um zwei Wochen auf den 9. Februar. Liegt die Umtauschquote dann genau bei der Hälfte der Aktien und keiner der Wandelanleihen-Besitzer tauscht ein, besitzt Vonovia so am Ende nur 44 Prozent der Deutsche-Wohnen-Anteile.
In einer Telefonkonferenz mit Journalisten am gestrigen Abend nach Börsenschluss war Kirsten in der Zwickmühle: Einerseits galt es, die Entscheidung zu erklären. Andererseits muss Vonovia Souveränität ausstrahlen, um die Deutsche-Wohnen-Investoren für den Deal zu gewinnen.
Kirstens Argumentation, mit der er beiden Faktoren gerecht zu werden suchte: Es sei ohnehin sicher, dass alle Inhaber der Deutsche-Wohnen-Wandelanleihen ihre Bonds in Vonovia-Aktien umtauschen. Doch die Gläubiger seien aus rechtlichen Gründen erst handlungsfähig, wenn die Übernahme erfolgt ist, Vonovia also mehr als die Hälfte der Anteile an der Deutsche Wohnen hält. In Kirstens Worten: „Die Lücke ist rein technisch, das hat nichts mit mangelndem Rückhalt zu tun.“ Vonovia habe mit dem Schritt „die Transaktionssicherheit und die Erfolgsaussichten erhöht“, so Kirsten.
Das Management der Deutsche Wohnen liest die Lage anders: "Die Absenkung der Schwelle zeigt lediglich, dass die Vonovia erkannt hat, dass eine deutliche Mehrheit der Deutsche Wohnen-Aktionäre das feindliche Angebot ablehnt", urteilt Vorstandschef Michael Zahn in einer Erklärung vom Dienstag. Die Deutsche Wohnen wisse das, weil sie die "überwiegende Mehrheit" der Anteilseigner getroffen und ihre Haltung analysiert hätte. "Wir sind sicher, dass die Vonovia in den vergangenen Tagen die gleiche Visibilität wie wir hatte", folgert Zahn. "Daher kann sie die Annahmeschwelle nur abgesenkt haben, um das sofortige Scheitern des Angebots zu verhindern."
Im schlimmsten Fall müsste Vonovia mühsam Aktien aufkaufen
Wer von den beiden die Deutsche-Wohnen-Aktionäre besser einschätzt, bleibt im Dunkeln. Klar ist, dass beide Parteien versuchen, die Anteilseigner zu beeinflussen. Kirsten tut das, indem er suggeriert, der Deal sei ohnehin so gut wie beschlossen. Zahn auf der anderen Seite hilft sich, indem er die Gegenseite als verzweifelt und unberechenbar dastehen lässt.
Mit seinem Manöver hat Kirsten tatsächlich die Chance erhöht, dass die Transaktion durchgeht. Auf der Minusseite hat er das Risiko erschaffen, dass der Deal, falls er denn zustande kommt, trotzdem zunächst nicht zu einer befriedigenden Mehrheitsposition bei der Deutschen Wohnen führt. Das ist eben darum so heikel, weil Zahn alles tut, um die Fusion zu bekämpfen. Nach einer erfolgten, aber nicht zur Mehrheitsbeteiligung führenden Übernahme dürften er und die anderen Top-Manager der Deutsche Wohnen kaum kooperieren. Um den unbefriedigenden Patt zu beenden und alsbald auf 50 Prozent zu kommen, müsste Vonovia die übrigen Deutsche-Wohnen-Aktien mühsam und teuer am Kapitalmarkt kaufen.
Warum sind Kirsten und Vonovia-CEO Rolf Buch ins Risiko gegangen? Zwei Lesarten bieten sich an: Erstens diejenige, dass die Immobilienbranche unter Fusionsdruck steht. Größe gewinnt, also ist ein riskanter Deal besser als keiner. Zweitens die, dass der Deal die Krönung beider Managerkarrieren ist. 2014 hatte Kirsten schon die Übernahme der Gagfah eingefädelt – die wirkt mit einem Kaufpreis von 4 Milliarden allerdings wie ein Reihenhaus, verglichen mit der Burg Deutsche Wohnen.
Die gilt es, in den verbleibenden zwei Wochen zu erobern. Dafür müssen die Deutsche-Wohnen-Inhaber weitere 30 Prozent der Aktien abgeben. Es ist gut möglich, dass Übernahme-Stratege Kirsten sein Ziel erreicht, auch, weil ihm die Aufmerksamkeit der Investoren jetzt sicher ist. Wenn der Deal durch ist, dürfte es dem Immobilienkonzern früher oder später auch gelingen, die restlichen Papiere einzutreiben. Die Frage ist, wie viel das Vonovia kostet – an Geld, Mühe und Reputation.