Volkswagen investiert weiter in den Aufbau seiner Softwarekompetenz und hat dazu die restlichen noch ausstehenden Anteile an dem Stuttgarter Start-up Dicounium übernommen. Das hat das Unternehmen am heutigen Freitag bekannt gegeben. Schon im November 2018 erwarben die Wolfsburger 49 Prozent an dem Digitalexperten und sicherten sich damals für den Rest ein Vorkaufsrecht.
„Die Übernahme ermöglicht es, dass unsere Software-Einheit sehr viel schneller wächst“, sagt Christian Senger, Software-Chef von VW, gegenüber der F.A.Z.. Bereits vor dem Einstieg 2018 arbeitete VW mit dem 1995 gegründeten Start-up, das Vertriebsplattformen für digitale Produkte entwickelt, zusammen. Solche Software soll laut VW-Software-Chef zur „weiteren Kernkompetenz werden“.
VW will eine globale Online-Vertriebsplattform aufbauen, über die Kunden aller Konzernmarken künftig digitale Dienstleistungen und On-Demand-Funktionen für ihr vollvernetztes Fahrzeug kaufen und verwalten können. Ein wichtiger Teil dieser Strategie ist auch das neue Elektroauto ID.3, welches in diesem Sommer in den Verkauf kommen soll.
VW investiert viel Geld in Digitalisierung
Wie andere Autokonzerne auch ist VW zunehmend mit der Herausforderung konfrontiert, sein Geschäftsmodell fit für das digitale Zeitalter zu machen. Die Integration anderer Dienstleister, die sie bei den digitalen Transformation unterstützen, ist für viele ein wichtiger Schritt in diese Richtung. VW übernahm bereits den schwedischen Telematikspezialist Wireless und ging mit dem US-Softwarekonzern Microsoft eine strategische Partnerschaft ein, um ein weltweites automobiles Ökosystem zu schaffen.
Darüber, wie viel Cash VW für den Deal in die Hand nimmt, vereinbarten beide Unternehmen Stillschweigen. Laut Informationen der F.A.Z. lassen sich die Wolfsburger aber die Digitalisierung der Kundenseite – wie etwa den Aufbau eines digitalen Einkaufszentrums – einen hohen dreistelligen Millionenbetrag kosten.
Diconium macht Umsatz von 100 Millionen Euro
Durch die Übernahme ziehen 1.200 neue Diconium-Mitarbeiter in die Software-Einheit von VW ein. Trotz des enormen Fachkräftemangels an Software- und Digitalexperten sollen die Anzahl bis 2025 noch auf 10.000 steigen, wovon 2.500 Experten schon dieses Jahr eingestellt werden sollen, wie die F.A.Z. berichtet. Mehr Arbeitskräfte werden vor allem benötigt, weil der Konzern bis 2025 die eigene Softwareherstellung von derzeit 10 auf 60 Prozent steigern will.
Diconium erwirtschafte 2018 einen Umsatz von 100 Millionen Euro und zählt laut Handelsblatt zu den zehn größten deutschen Digitalagenturen. VW will durch die vollständige Übernahme des Start-ups 2025 etwa eine Milliarde Euro mehr Umsatz generieren, heißt es weiter. Volkswagen erzielte 12,1 Milliarden Euro im vergangenen Jahr.
Diconium verstärkt sich mit Porsche-Digitalexpertin
Auch künftig wird Diconium weiterhin als eigenständiges Unternehmen agieren und sich nicht umfirmieren. Diconium begrüßt diesen Schritt: „Das ist wichtig, weil wir auch in Zukunft einen großen Teil unserer Umsätze mit Drittkunden machen wollen“, lässt sich einer der Start-up-Gründer Andreas Schwend in der F.A.Z. zitieren.
Zudem hat sich die Digitalagentur jetzt mit Anja Hendel als Managing Director verstärkt. Hendel leitete zuletzt die Abteilung Innovationsmanagement und digitale Transformation bei Porsche. Zusätzlich war die Wirtschaftsinformatikerin Director des Porsche Digital Labs. Bei Diconium soll sie die Zusammenarbeit mit VW betreuen und den Konzern bei der digitalen Transformation unterstützen.
Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Backhaus ist spezialisiert auf die Themen Restrukturierung, Transformation, Zahlungsverkehr und Cash Management. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalistin für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.