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Neue Chancen im Controlling durch KI?

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Die erste Podiumsdiskussion mit den Referenten des Vormittags und FINANCE-Chefredakteur Markus Dentz (l.). Foto: Frankfurt School of Finance & Management
Die erste Podiumsdiskussion mit den Referenten des Vormittags und FINANCE-Chefredakteur Markus Dentz (l.). Foto: Frankfurt School of Finance & Management

Die rasante Entwicklung bei Künstlicher Intelligenz beschäftigt auch das Controlling. Wie verändert sich die Arbeit in diesem Bereich durch die neuen digitalen Lösungen, und welche Risiken gibt es dabei? Diesen Kernfragen widmete sich die „4. Jahreskonferenz Performance Management und Controlling“, die vom Centre for Performance Management & Controlling (CPMC) der Frankfurt School of Finance & Management gemeinsam mit dem FINANCE Magazin in der Frankfurt School of Finance & Management ausgerichtet wurde.

Unter dem Titel „Innovative Datennutzung & AI – Neue Chancen im Controlling“ gewährten Finanzexperten von Großkonzernen wie Adidas, BASF, BMW oder Nestlé und von Mittelständlern wie Leica in ihren Vorträgen Einblicke, wie sie Künstliche Intelligenz oder ähnliche Technologien einsetzen und wie die digitale Transformation das Controlling ihres Unternehmens verändert.

Dabei zeigte sich, dass Unternehmen unterschiedlichste Arten Künstlicher Intelligenz einsetzen: Nestlé etwa lässt Bilder durch eine KI generieren und spart so die Kosten von Fotoshootings, andere Unternehmen nutzen Künstliche Intelligenzen zur Analyse von Daten oder zum Forecasting. Die Abgrenzung zu Machine Learning und Robotics verschwimmt hier bisweilen.

Process Mining bei Mann+Hummel

Beim Autozulieferer und Filtrationsspezialisten Mann+Hummel etwa wurde die digitale Transformation im Jahr 2017 initiiert, berichtete die Finanzchefin Emese Weissenbacher. Zur Digitalisierung des Finanzbereichs setzt die CFO auf Process Mining. Dabei werden digitale Datenpunkte aus unterschiedlichen Systemen ausgelesen und in einer Prozesskette abgebildet.

So kann der Nutzer die Performance des für ihn relevanten Prozesses in Echtzeit verfolgen und möglichen Schwächen bereits in der Ausführung entgegenwirken. Weissenbacher sieht die Digitalisierung als Chance und als Herausforderung. Controller, die Angst haben, durch KI ersetzt zu werden, beruhigt sie: „Die Leute werden gebraucht. Wichtig ist aber, dass sie bereit sind, zu lernen.“

Budgetierung als iPhone des Controllings

Eine ähnliche Position vertritt auch Axel Wachholz, CFO des Elektronikspezialisten Phoenix Contact Group. Auch er sieht Controller in einer neuen Rolle: Als Produktmanager eines Produktes namens „Budgetierung“ im Zielmarkt „Unternehmen“.

Als Signature Product des Controllings ­müsse die Budgetierung verstanden werden, ähnlich wie das iPhone bei Apple. Das Familienunternehmen aus dem lippischen Blomberg stellt derzeit auf treiberbasierte, rollierende 18-Monats-Forecasts um und plant zahlreiche Automatisierungen und: Vereinfachungen. Wie es dabei vorgeht? „Wir fangen dort an, wo der größte Schmerz sitzt, und schaffen Leuchttürme“, erklärte Wachholz. Der Prozess ist bis 2030 geplant und geht schrittweise voran.

Adidas plant kurzfristig

Bei Adidas hingegen erfolgte der Wechsel abrupter. „Es ist manchmal gut, Vorhandenes einfach abzuschalten und so die Leute dazu zu zwingen, mit dem Neuen zu arbeiten“, sagte Andreas Schreiner, Senior Vice President Finance bei Adidas. Das Problem: „Wir haben zu viel und zu detailliert geplant.“ Mittlerweile haben die Herzogenauracher weltweit eine SAP-Lösung für die integrierte Planung implementiert, die ausschließlich mit selbst erhobenen Daten arbeitet. Neben der Analytics Cloud und Advanced Analytics finden sechs Mal pro Jahr Meetings für schnelle Entscheidungen statt.

Nestlé nutzt einen Finanz-Chatbot

Auch Nestlé befindet sich in der digitalen Transformation. Generative Künstliche Intelligenzen sind bei dem Nahrungsmittelkonzern bereits eingezogen und erstellen Konsumentenprofile oder künstliche Bilder zur Illustration von Rezepten. Ein Team – das an das Marketing angegliedert ist und nicht an die Finanzabteilung – koordiniert digitale Tools und Wissen an zentraler Stelle für alle Abteilungen in Deutschland.

In der Finanzabteilung fungiert eine Generative Künstliche Intelligenz als Chatbot für Finanzfragen. Zuvor wurde diese KI mit sämtlichen relevanten Daten gefüttert. „Die Digitalisierung bietet große Chancen für das Controlling, aber die Umsetzung in der Praxis und die Nutzung der Potentiale wurden erst angestoßen“, gibt Nestlé-Deutschland-CFO Carsten Hackel zu.

BASF hat jahrelang Daten vorbereitet

Ganz anders sieht es bei BASF aus. Der Chemieriese hat sich bei der Liquiditätsplanung bereits von Excel verabschiedet. Stattdessen verwenden die Ludwigshafener einen eigenständig entwickelten Forecast mit rollierender Liquiditätsplanung namens Algorithm Based Cash (ABC) Forecast. Dieser Algorithmus wurde zunächst mit Daten der vergangenen zehn Jahre gespeist. Das hat gedauert: „Wir haben zwei Jahre lang die Daten vorbereitet und Cashflows zugeordnet“, erklärte Joanna Scheinker, Financial Planning Lead bei BASF. „Für jede Gesellschaft und jeden Monat haben wir die Daten bereinigt.“

Insbesondere Einmaleffekte wurden und werden aus dem Datensatz herausgenommen. Diese Bereinigungen finden weiterhin statt, denn der Forecast wird stetig mit neuen Daten gefüttert. Das System lernt kontinuierlich.

„Es müssen Daten sein, die sich wiederholen.“

Joanna Scheinker, BASF

Mittlerweile kann Scheinker in einem Dashboard auf die unterschiedlichsten Daten zugreifen und diese aus unterschiedlichen Perspektiven analysieren lassen. „Der ABC-Forecast prognostiziert mit hoher Genauigkeit 90 Prozent der Cashflows bei BASF“, so Scheinker. Dieses Tool lasse sich jedoch nicht in jedem Bereich nutzen: „Für eine M&A-Analyse eignet es sich nicht“, räumt Scheinker ein. „Es müssen Daten sein, die sich wiederholen.“ Aber – das wird in ihrem Vortrag deutlich – sie ist überzeugt, dass die Umstellung für ihre Abteilung richtig war.

Überzeugt zeigte sich auch der Gastgeber der Konferenz und Professor Ronald Gleich in seinem Vortrag: „Wir produzieren und sammeln immer mehr Daten. Diese sind jedoch nichts wert, wenn es keine Möglichkeit zur Analyse gibt.“ Und diese Möglichkeit bieten eben Künstliche Intelligenzen.

Das Controlling wird sich durch KI verändern

Großes Interesse gepaart mit einer Prise Skepsis zeigte sich hingegen in den beiden Podiumsdiskussionen, die jeweils zum Abschluss des Vor- und des Nachmittags mit den Referenten stattfanden und von FINANCE-Chefredakteur Markus Dentz moderiert wurden. „Wir sind neugierig auf KI, es könnte aber auch das Unwort des Jahres werden“, erklärte Gerald Butterwegge, Kommunikationsleiter bei Bissantz.

Grundsätzlich zeigten sich die Referenten einig darin, dass Künstliche Intelligenzen im Controlling unterstützen könnten, insbesondere als Frühwarnsystem in Bezug auf Abweichungen oder drohende Zahlungsausfälle. Wichtig aber sei der verantwortungsvolle Einsatz und der klare Fokus auf Qualität. Dass Künstliche Intelligenzen den menschlichen Controller ersetzen werden, glaubten die Referenten nicht. Wohl aber, dass sich seine Funktion verändern und strategischer werden wird. „Es ist wichtig, die Leute partizipieren zu lassen an der neuen Lösung und klarzustellen, dass die KI niemals den Controller ersetzen wird“, erklärte Nestle-CFO Hackel. CFO Wachholz von Phoenix ging noch weiter und stellte fest: „KI ist Teil der Lösung des Problems namens Fachkräftemangel.“

Erika von Bassewitz ist Redakteurin bei FINANCE. Sie hat Philosophie und Französisch an der Humboldt-Universität in Berlin sowie an der Université de Genève studiert und mit einem Magister Artium abgeschlossen. Vor FINANCE war sie mehr als acht Jahre Redakteurin in der Multimediaredaktion des Medienhauses der EKHN. Davor war sie unter anderem Redakteurin beim HR-Magazin von monster, freie Autorin bei Deutsche Welle TV und freie Mitarbeiterin bei der Westdeutschen Zeitung.