Was CFOs beim ESG-Reporting wissen müssen

Ob Banken, Investoren oder Unternehmenskunden: Das Thema Nachhaltigkeit hat längst die Finanzbranche erfasst. Es gibt kaum eine Finanzierung, die inzwischen ohne einen Nachhaltigkeitsbezug auskommt. Welche Themen CFOs und Treasurer im Auge behalten sollten, verrät Lavinia Bauerochse, weltweit verantwortlich für ESG in der Unternehmensbank bei der Deutschen Bank im FINANCE-Interview. ESG ist in der Finanzwelt derzeit geradezu omnipräsent. Wie ist Ihr Eindruck aus den Gesprächen mit Ihren Kunden? Nahezu jedes Unternehmen beschäftigt sich mit dem Thema ESG, vor allem die multinationalen Unternehmen, und auch der Mittelstand. Die allermeisten sehen, dass das Thema langfristig bleiben wird. Aber während einige im Prozess schon etwas weiter sind, stehen andere noch relativ am Anfang. Dabei sind die Treiber je nach Branche und Größe des Unternehmens unterschiedlich. Welche Themen sollten CFOs und Treasurer aktuell besonders auf dem Schirm haben? Für Unternehmen werden vor allem die Anforderungen an das Berichtswesen wichtig. Das gilt für das kommende EU-Lieferkettengesetz ebenso wie für die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU. Diese greift voraussichtlich zum 1. Januar 2024 für das Berichtsjahr 2023 und betrifft deutschlandweit rund 15.000 Unternehmen. Damit werden die bestehenden Regeln zur nicht-finanziellen Berichterstattung erheblich erweitert. Was bedeutet das für die CFOs und Treasurer? Die CSRD schlägt die doppelte Wesentlichkeitsperspektive vor. Das bedeutet, dass Unternehmen einerseits nachweisen müssen, wie sich Nachhaltigkeit auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens auswirkt, und andererseits, welche Folgen das Geschäft für verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit hat. Daher sollten Unternehmen bereits jetzt damit beginnen, ihr Berichtswesen anzupassen. ESG: „Oft fehlt die zentrale Perspektive“ Wie ist aktuell der Stand bei den Unternehmen? Unterschiedlich. CO2-intensive Industrien beschäftigen sich meist schon länger, mit dem Thema Nachhaltigkeit und ihren Treibhausgasemissionen. Großen Unternehmen und Konzernen liegen diese Daten häufig bereits vor, unter anderem durch ihr CO2-Scope-1-, -2- und -3-Monitoring. Auch viele Mittelständler verfügen schon über verschiedene Datenpunkte, setzen sie aber teilweise noch nicht entsprechend ein. Jedes Unternehmen kennt beispielsweise seinen Energieverbrauch. Von dort ist der Weg zum CO2-Scope-1-Monitoring nicht weit. Die Brücke ist eine saubere Bestandsaufnahme. Wie können die Banken ihre Kunden dabei begleiten? In vielen Unternehmen spielt Nachhaltigkeit schon seit vielen Jahren oder Jahrzehnten eine Rolle. Denken Sie an die vielen eigentümergeführten, mittelständischen Unternehmen. Denen liegt Nachhaltigkeit im Blut. Was wir beobachten ist, dass die unterschiedlichen Bereiche innerhalb eines Unternehmens das Thema ESG mitunter unabhängig voneinander angehen. Da kümmert sich beispielsweise der Haustechniker um den Einbau energiesparender Lampen und der Einkauf bemüht sich bei Bestellungen um nachhaltigere Produkte – aber es fehlt an einer zentralen Perspektive. Auf diesem Gebiet braucht es jedoch beides, eine zentrale Koordination und das dezentrale Umsetzen. Was bedeutet das konkret für die Unternehmen? Der gesamtheitliche Blick auf die Auswirkungen für das gesamte Unternehmen ist entscheidend. Wenn zum Beispiel Gespräche mit der Finanzabteilung auch andere Bereiche des Unternehmens betreffen, sollten diese beteiligt sein. Viele Unternehmen haben das bereits erkannt. Manche, die sich bereits als nachhaltig betrachten, können hier jedoch durch einfache Prozessänderungen noch viel erreichen. Wir als strategischer Partner können auch als Diskussionspartner dienen, wenn es darum geht, einen frischen Blick auf die jeweilige ESG-Strategie zu werfen. ESG-Regulatorik: „Es ist noch viel im Fluss“ Stichwort Diskussion, wie sieht es mit dem Aufwand für die Unternehmen aus? Der Aufwand ist tatsächlich eine Frage, die vor allem viele Mittelständler bewegt. Zumal bei der Regulatorik noch viel im Fluss ist. So braucht es etwa beim Lieferkettengesetz im Zusammenhang mit den sozialen Aspekten noch viel Dialog. Was aber jeder sich fragen sollte: Wie hoch sind die Kosten, wenn man es nicht macht. Das gilt sowohl im Hinblick auf Nachhaltigkeits- und Reputationsrisiken für das eigene Geschäftsmodell, als auch für die Finanzierungskosten, die zunehmend von ESG-Kriterien beeinflusst werden. Wie bewerten Sie als Bank diese Kriterien bei der Finanzierungs-Entscheidung? Aus Bankensicht gibt es drei Möglichkeiten. Da wäre zunächst die direkte Investition in ein nachhaltiges Projekt. Dabei geht es um die Frage nach der Mittelverwendung und inwieweit diese auf die ESG-Ziele des Unternehmens einzahlt. Dann gibt es die Betrachtung des Geschäftsmodells als Ganzes, etwa bei Unternehmen, die primär im Bereich Nachhaltigkeit aktiv sind. Im dritten Fall werden messbare und ambitionierte ESG-Ziele vereinbart. Diese KPIs werden in der Regel vom Unternehmen vorgeschlagen und wir führen einen Dialog darüber, ob diese in unser Sustainable Finance Framework passen. Vor allem aber darüber, ob die Ziele auch wirklich ambitioniert sind. Um das sicherzustellen, gibt es meistens eine unabhängige dritte Partei, die die Ziele überprüft und auch nachvollzieht, ob diese erfüllt werden. Alles zum Thema Green Finance Grüne Anleihen, Schuldscheine und Kredite – der Markt für Green Finance entwickelt sich weiter. Die jüngsten Trends und Transaktionen finden Sie auf dieser Themenseite. Mehr lesen Bereits jetzt gibt es von Seiten der Banken zahlreiche Ausschlüsse, und die Liste dürfte im Hinblick auf den Markt und die Regulierung künftig länger werden. Was können Unternehmen im Hinblick auf sogenannte „Braune Assets“ tun? Zunächst einmal muss sich jedes Unternehmen die Frage stellen: Welche Geschäftsbereiche haben wirklich keine Chance auf eine Transformation? Wir nehmen im Markt einen gewissen Abverkauf brauner Assets wahr, etwa an Private-Equity-Strukturen mit niedrigeren ESG-Vorgaben. Jedoch stellt sich die Frage, ob ein Abverkauf und Weiterbetrieb durch andere Betreiber wirklich auf eine verantwortungsvolle Dekarbonisierung hinausläuft, da graue oder private Märkte weniger transparent und beaufsichtigt sind. Es ist eine schwierige Debatte, ich bin der Meinung wir brauchen einen verantwortungsvollen, transparenten Umgang mit solchen Assets, da dies im Interesse der Allgemeinheit liegt und zur Erreichung der Net-Zero-Ziele notwendig sein wird. thomas.holzamer[at]finance-magazin.de

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