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Worauf Sustainalytics beim ESG-Rating achtet

Marcel Leistenschneider erklärt, worauf die ESG-Ratingagentur Sustainalytics beim ESG-Rating besonders Wert legt.
Sustainalytics

Sustainalytics ist eine der bekanntesten ESG-Ratingagenturen am deutschen Markt. Das Haus ist seit 1992 in Deutschland aktiv und beschäftigt hierzulande rund 40 Mitarbeiter, global sind es rund 850. Seit vergangenem Jahr gehört die Agentur vollständig zu dem Fondsbewertungshaus Morningstar. Worauf Sustainalytics besonders Wert legt, erklärt Marcel Leistenschneider, Manager für Sustainable Finance Solutions Commercial bei der Agentur. Er ist seit rund einem Jahr für den Bereich Corporate-Kunden bei der Agentur tätig.


Herr Leistenschneider, der Markt für ESG-Ratings ist komplex. Die Bewertungsansätze und das Produktangebot der einzelnen Nachhaltigkeitsagenturen unterscheiden sich häufig. In welchen Marktsegmenten ist Sustainalytics aktiv?

Wir bieten zum einen die klassischen ESG-Ratings an. Unsere Hauptkundengruppe sind Investoren, die diese Bewertungen gebündelt kaufen. Deshalb bewerten wir und die anderen Nachhaltigkeitsagenturen auch viele Unternehmen ungefragt. Diese sogenannten unsolicited (unbeauftragten) Ratings machen den größten Teil unseres Rating-Geschäfts aus. Darüber hinaus können auch Unternehmen selbst bei uns eine Bewertung über sich in Auftrag geben lassen – sogenannte solicited Ratings. Seit etwa vier Jahren sind wir zudem auch im Bereich der Second Party Opinions aktiv. Wir bewerten also, ob bei einem Green Bond oder Green Schuldschein, bei denen der Erlös in nachhaltige Projekte fließt, alle gängigen Marktstandards eingehalten werden und die ausgewählten Projekte auch wirklich nachhaltig sind.

Einige ESG-Agenturen sind auch im Segment der Index-Entwicklung aktiv, die zum Beispiel für die Geldanlage in nachhaltige ETFs oder ähnliches genutzt werden. Sustainalytics auch?

Wir erstellen keine eigenen Indices, arbeiten in diesem Segment aber mit den gängigen Index-Providern zusammen, sowohl in Deutschland als auch international. Das Thema bilden wir also über Kooperationen ab.

Sustainalytics covert 400 deutsche Unternehmen

Können Sie uns konkret sagen, wie viele ESG-Ratings Sie im deutschen Markt erstellen oder erstellt haben?

Wir haben am deutschen Markt für rund 400 Unternehmen ein unsolicited Rating erstellt. Im Segment der beauftragten Ratings sind es erst ein paar Dutzend. Aber wir sehen deutlich, dass es hier einen großen Zuwachs bei den Nachfragen gibt. Die Ratings sind gerade durch das Aufkommen von ESG-linked Bonds oder Loans inzwischen für viele Unternehmen interessanter geworden. Wir gehen davon aus, dass dieses Marktsegment für uns – und für unsere Wettbewerber – wichtiger werden wird.

Es gibt bei ESG-Ratings keine einheitliche Methode, jeder Anbieter setzt eigene Schwerpunkte. Für CFOs ist es dadurch nicht ganz leicht, den Überblick zu behalten. Wie würden Sie den Ansatz von Sustainalytics in Kürze erklären?

Zusammengefasst würde ich es so formulieren: Unsere Bewertung setzt sich aus gemanagten und ungemanagten ESG-Risiken zusammen. Wir definieren im ersten Schritt die Nachhaltigkeitsrisiken, die für die jeweilige Branche relevant sind, und prüfen dann, wie gut ein Unternehmen auf diese Risiken reagiert. Wir fokussieren uns dabei auf finanziell-materielle Risiken, die für den Unternehmenswert relevant sind. Wir fahren also keinen breiten ESG-Ansatz, sondern betrachten sehr klar definiert die Risiken, die sich für ein Unternehmen ergeben.

Um diese zu erkennen, haben wir etwa 30 Themenfelder identifiziert, in denen es Nachhaltigkeitsrisiken geben kann. Dazu gehören etwa Menschenrechte, das Management der Lieferkette und außerdem Umwelt- und Klimawandelrisiken. Pro Branche sind meist drei bis acht dieser Themen relevant.

Wie genau sieht Ihre Rating-Skala aus?

Die Skala läuft von 0 bis 100 – 0 ist dabei die beste Bewertung, 100 die schlechteste. Eine Bewertung zwischen 10 und 20 Punkten erhält von uns die Bezeichnung „Low Risk“, zwischen 20 und 30 sprechen wir von „Medium Risk“ und so weiter. Der Wert setzt sich, wie gesagt, aus zwei Komponenten zusammen: Wie hoch die ESG-Risiken in einer Branche sind und wie gut das Unternehmen auf diese Herausforderungen reagiert. Sprich, wenn ein Unternehmen einem hohen Risiko beispielsweise bei der Arbeitssicherheit ausgesetzt ist, gleichzeitig diesem Risiko durch Maßnahmen aber sehr gut begegnet, ergibt sich ein eher niedrigerer Wert auf der Skala.

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Ein Ölkonzern wird es entsprechend schwerer haben, ein gutes Rating zu erhalten, weil die ESG-Risiken in dieser Branche sehr hoch und schwer zu managen sind. Sie fahren also keinen Best-in-Class-Ansatz, bei dem sie Unternehmen im Vergleich zu ihren Wettbewerbern betrachten?

„Sie können bei unserem Rating die Bewertung eines Ölkonzerns durchaus mit der eines Softwarekonzerns vergleichen.“ 

Richtig, unserer Ratings stellen eine absolute Bewertung dar. Das bedeutet, dass wir Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen miteinander vergleichen können. Das ist aus meiner Sicht ein sehr wichtiges Unterscheidungskriterium zu manch anderem ESG-Rating. Sie können bei unserem Rating die Bewertung eines Ölkonzerns durchaus mit der eines Softwarekonzerns vergleichen. Natürlich steht der Ölkonzern, wie Sie sagen, vor deutlich größeren Herausforderungen, muss also ein sehr gutes Risikomanagement betreiben, um seine Bewertung zu verbessern. Es gibt aber in so einer Branche auch Risiken, die einfach nicht managebar sind, was sich natürlich negativ auf das Rating auswirkt.

Sustainalytics-Rating in fünf bis sechs Wochen

Wie genau läuft der Ratingprozess denn ab?

Wenn wir ein Unternehmen zum ersten Mal bewerten, dann ziehen wir zunächst viele öffentliche Quellen für unsere Analyse heran. Das umfasst die Website, den CSR-Report, Informationen von NGOs und weitere Quellen. Darüber hinaus fließen auch die Ergebnisse eines umfassenden Medien-Screenings in die Bewertung ein. Der gesamte Ratingprozess dauert etwa fünf bis sechs Wochen. Zwei Wochen davon sind für die sogenannte Kollaborationsphase eingeplant, in der wir dem Unternehmen die Bewertung mitteilen. An diesem Punkt können die Unternehmen uns dann weitere Informationen zur Verfügung stellen, wenn es noch relevante Ergänzungen gibt.

Läuft der Prozess bei den Ratings, die von Unternehmen beauftragt werden, genauso ab wie bei den unsolicited Ratings?

Der Prozess, die Methode und auch die Dauer sind genau gleich. Wir machen da keinerlei Unterschiede. Wenn Unternehmen eine Bewertung selbst in Auftrag geben, entstehen natürlich Kosten. Da gibt es zum einen die Kosten für die Erstellung des Ratings und darüber hinaus eine Lizenz, um die Bewertung dann beispielsweise in einem ESG-linked Loan oder ähnlichem nutzen zu können.

Es wird oft kritisiert, dass die Rating-Methodik sehr stark auf Großkonzerne zugeschnitten ist und schlecht auf mittelständische Unternehmen angewendet werden kann, weil sie einfach zu komplex ist. Wie sehen Sie diese Kritik?

Es ist richtig, dass unsere Ratingmethodik noch primär auf große Unternehmen angewendet wird – also Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern. Auch wir befassen uns damit, wie man die Prozesse verschlanken und auf den Mittelstand zuschneiden kann. Wir werden dafür die richtige Methodik finden.

Welche Pläne verfolgt Sustainalytics derzeit in Deutschland?

Für uns ist Deutschland ein absoluter Wachstumsmarkt. Wir stocken unsere Kapazitäten hier derzeit stark auf, die Strukturen sollen verdoppelt werden. Etwa ein Viertel aller Großunternehmen in Europa haben ihren Sitz in Deutschland. Das macht den Markt extrem relevant.

antonia.koegler[at]finance-magazin.de

Info

Und wie sieht es bei anderen Agenturen aus? Im nächsten Teil dieser Mini-Serie gibt die Agentur ISS-ESG einen Einblick. 

Alles Wissenswerte rund um Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung erfahren Sie außerdem auf unserer Themenseite zu Green Finance.

Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.