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“Credit Spreads und Ratings zu verbinden, ist eine Herausforderung“

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Ioannis Akkizidis
Wolters Kluwer Financial Services

Herr Akkizides, CFOs müssen sich immer öfter mit Kontrahentenrisiken auseinandersetzen. Ratings spielen dabei eine traditionell große Rolle. Zu Recht?
Ratings versuchen, Kreditrisiken und -verluste adäquat zu identifizieren und damit die Kreditwürdigkeit der Kontrahenten zu ermitteln. Dazu werden zum einen quantitative Angaben wie die Höhe und die Verteilung des Kreditrisikos herangezogen, zum anderen wird über qualitative Kriterien und hypothetische Annahmen die Seniorität, also die Zahlungsbereitschaft der Kontrahenten, festgestellt. Sollte der Fall eintreten, dass ein Kontrahent die vereinbarte Leistung nicht erfüllt, wird außerdem versucht, das zu erwartende Verhalten einzuschätzen, um einen Teil der Kreditverluste auszugleichen. Auf der Basis dieser Analysen wird dann ein entsprechendes Rating vergeben. Die Vielfalt der Kriterien führt aber zu teilweise ungenauen und wenig transparenten Einschätzungen.

Was könnte man verbessern?
Was wir brauchen sind systematische und verständliche Methoden. Ich stelle mir die optimale Umsetzung als ein umgedrehtes Prisma vor: Dabei steht an erster Stelle das Spektrum aller quantitativen wie auch qualitativen Faktoren, die klar voneinander getrennt sind. Im Laufe des Ratingverfahrens werden sie dann zu einer einzigen Kennzahl, dem Rating, zusammengeführt. Und dennoch bleibt immer auch eine gewisse Unsicherheit, da die Wahrscheinlichkeit und die Höhe der Rückzahlung auch von politischen und strategischen Entscheidungen bestimmt werden.

Wie meinen Sie das?
Während der momentanen Krise wurde beispielsweise in mittel- und nordeuropäischen Märkten festgestellt, dass Kontrahenten zwar die Bereitschaft, aber nicht die Fähigkeit verloren haben, ihre Kreditverpflichtungen zu erfüllen. In den südeuropäischen Märkten schwand dagegen sowohl die Fähigkeit als auch die Bereitschaft zur Rückzahlung. Um diese Einflüsse zu berücksichtigen, sollten bei Kontrahentenratings zusätzlich Stresstests angewendet werden. Auf diese Weise kann ermittelt werden, wie sich mögliche Veränderungen der Kreditwürdigkeit sowie der Zahlungsbereitschaft auswirken können.

In vielen Unternehmen werden neben Ratings inzwischen Credit Spreads zur Bewertung von Ausfallrisiken herangezogen. Verbessert das Ihrer Meinung nach die Einschätzung?
Credit Spreads leiten sich von der Einschätzung der Märkte zu gegenwärtigen Ratings und möglichen Ratingveränderungen des Kontrahenten ab. Außerdem werden die Korrelationen zwischen Kontrahent, verbundenen Märkten und anderen Kontrahenten einbezogen sowie existierende Sicherheiten, Hedgeprodukte und erwartete Wiedereinbringungsraten und Marktverluste im Fall von Nichtleistung berücksichtigt. Interessant dabei ist die Schnelligkeit: Während der aktuellen Finanzkrise haben die Märkte weltweit die Credit Spreads angepasst noch bevor sich die Ratings änderten. Umgekehrt ziehen starke Ratingherabstufungen von Kontrahenten aber auch Veränderungen der marktseitigen Risikoprämien nach sich.
Allerdings ist es immer noch eine Herausforderung, die Credit Spreads mit den Ratings und der entsprechenden Markteinschätzung methodisch zu verbinden. Heutzutage verursacht die Volatilität der Parameter eine kontinuierliche Veränderung der Credit Spreads selbst. Aus diesem Grund besteht eine hohe Nachfrage nach mehr Transparenz sowie systematischen und verständlichen Methoden, um Credit Spreads adäquat implementieren und bewerten zu können und dabei alle relevanten Risikofaktoren und Zeitaspekte zu berücksichtigen.

Die eierlegende Wollmilchsau scheint es (noch) nicht zu geben. Was ist aus Ihrer Sicht die beste Vorgehensweise bei der Analyse von Kontrahentenrisiken?
Ratings berücksichtigen die Kreditwürdigkeit und die Zahlungsbereitschaft des Kontrahenten. Beide Faktoren können sich im Laufe der Zeit verändern – und dennoch wird das Rating als eine definitive Aussage über das Ausfallrisiko gesehen. Demgegenüber wird der Credit Spread eher als ein fortlaufendes Signal gesehen, da er laufend durch die Märkte angepasst wird.
In der Kreditbewertung werden deshalb sowohl Signale zu einem einmaligen Zeitpunkt, also Point-in-Time, als auch fortlaufende zyklische Signale, das heißt Through-the-cycle, berücksichtigt. Die Märkte tendieren aber dazu, diese beiden Signale zu vermischen, was zu Fehleinschätzungen führen kann. Da sich das Verfahren der Kreditbewertung und seine Anpassungen an Credit Spreads orientiert, sollten Kreditportfolios auf der Basis von Through-the-cycle-Zeiträumen evaluiert werden. Stressszenarien sollten sich dagegen an der Point-in-Time-Anschauungsweise orientieren.

andreas.knoch[at]finance-magazin.de

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