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Inflation: Was CFOs und Treasurer jetzt tun müssen

Die davon galoppierende Inflation wird zur Bedrohung für CFOs und Treasurer. Foto: photoschmidt/Adobe Stock
Die davon galoppierende Inflation wird zur Bedrohung für CFOs und Treasurer. Foto: photoschmidt/Adobe Stock

Ein Thema ist in aller Munde: Bei Google wurde das Stichwort „Inflation“ in Deutschland im Januar 2022 so oft gesucht wie noch in keinem anderen Monat zuvor. Populäre Zeitschriften nutzen es als Titelthema; Aktienanalysten legen Studien vor, wie sich Inflation auf die Marktkapitalisierung einzelner Firmen auswirkt; und der Preis der an die europäische Inflationsrate gekoppelten deutschen Staatsanleihe (2046) stieg im Jahr 2021 von 150 auf 165 Prozent Ende Dezember.

Industrieunternehmen werden auf vielfältige Weise von einer höheren Inflationsrate getroffen. Einige dieser Effekte sind positiv, andere negativ. Welche Effekte überwiegen, hängt entscheidend davon ab, wie viel Preissetzungsmacht das Unternehmen bei seinen Kunden und Zulieferern hat.

Grundsätzlich gilt: Zu den Profiteuren höherer Inflation gehören grundsätzlich Anbieter mit einer starken Marke und hoher Preissetzungsmacht auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten, wie Premiumanbieter im Automobilsektor, sowie Firmen mit niedrigen Finanzschulden und einem geringen Anteil von Lohnkosten an den Gesamtkosten. Zu den Verlierern der Inflation zählen demgegenüber hochverschuldete Unternehmen mit einem größeren Anteil von Lohnkosten an den Gesamtkosten, deren Produkte durch andere Hersteller ersetzt werden könnten.

Unabhängig davon, bei welcher Art von Unternehmen sie arbeiten: CFOs und Treasurer werden sich mit dieser Thematik auseinandersetzen müssen, denn die Folgen dauerhaft hoher Inflation könnten für viele Firmen unangenehm werden.

Besonders Zulieferer leiden unter Inflation

Hinsichtlich der Auswirkungen der Inflation auf Industrieunternehmen lassen sich direkte und indirekte Effekte unterscheiden, wobei die direkten Effekte in den meisten Industrieunternehmen relativ klein sind. Sie treten auf, wenn ein Unternehmen Verträge geschlossen hat, die direkt an die Inflationsrate gekoppelt sind. Derartige Regelungen findet man zum Beispiel in Durchleitungsentgelten für Strom und Gas, in langfristigen Wartungsverträgen für große Maschinen, in manchen gewerblichen Mietverträgen, in langfristigen Strombezugsverträgen (etwa von Windparks in der Nordsee) oder bei laufenden Pensionszahlungen. Darüber hinaus ist in einzelnen Ländern wie zum Beispiel Belgien eine direkte Koppelung der Lohnzahlungen an die Inflationsrate durchaus üblich.

Quantitativ bedeutsamer sind für viele Unternehmen allerdings die indirekten Auswirkungen der Inflationsrate. Je nach Branche entfallen in Deutschland etwa 15 bis 30 Prozent der Gesamtkosten eines Unternehmens auf Lohnkosten. Im langfristigen Zeitablauf sind Lohnsteigerungen eng mit der Inflationsrate korreliert. Hiervon sind insbesondere Zulieferer betroffen, denn in vielen Branchen ist bei ihnen der Lohnkostenanteil höher als bei den Herstellern der Endprodukte.

Zusätzlich sehen sich alle Unternehmen auch mit schlechteren Finanzierungsbedingungen konfrontiert. Bleibt die Inflationsrate hoch, muss die Europäische Zentralbank ihre expansive Geldpolitik zurückfahren. Die Folge: höhere Zinskosten für die Unternehmen bei jeder Refinanzierung. Mitarbeiter im Treasury müssen zudem davon ausgehen, dass sich die Credit Spreads ausweiten werden, wenn die Zentralbank ihr Anleihekaufprogramm zurückfährt. Die Finanzierungskosten steigen also sowohl durch höhere Zinskosten als auch über höhere Credit Spreads. Hinzu kommen teurere Rohstoffe und stark steigende Energiekosten.

Sind Treasurer auf hohe Inflation vorbereitet?

Wer seine Risiken kennt, kann diese durch gegenläufige Sicherungsgeschäfte reduzieren. Hierfür stehen Derivate und „gefundete“ Instrumente wie Anleihen oder Schuldscheine zur Verfügung. Die großen Banken handeln Swaps und Caps auf die Inflationsrate. Der Markt für inflationsgekoppelte Staatsanleihen umfasst in der Eurozone 300 Milliarden Euro.

Aber Treasurer von Unternehmen sollten die Risiken wirklich kennen, um durch Hedging ihre Risiken reduzieren zu können. Die Inflationsrate war in den vergangenen zehn Jahren in vielen Unternehmen keine planungsrelevante Größe, und die Chancen und Risiken aus einem Anstieg der Inflationsrate werden in den allermeisten Unternehmen noch überhaupt nicht erfasst. Anders als bei Wechselkurs- oder Rohstoffpreisrisiken erfolgt über Inflationsrisiken keine Meldung an ein zentrales Treasury. Niemand aggregiert die Sensitivitäten, verrechnet gegenläufige Effekte und steuert das Residualrisiko.

Wenn ein Unternehmen daher die Auswirkungen der Inflationsrate auf seinen Marktwert reduzieren möchte, kommen in der Praxis weniger Inflationsderivate, sondern bekannte Standardinstrumente wie Zinssicherung durch Fix-floating Swaps oder gekaufte „Swaptions“ in Frage. Dadurch können eng mit der Inflationsrate korrelierte Parameter wie etwa Zinskosten stabilisiert und planbar gemacht werden.

Die gute Nachricht: Die notwendigen Finanzprodukte zur Absicherung und Steuerung von Inflationsrisiken stehen bereit.

Obacht beim Inflations-Hedging!

Will ein Unternehmen direkt seine Inflationsrisiken sichern, muss es darauf achten, dass die Inflationskoppelungen, die es auf der Absatz- und Einkaufsseite eingeht, durch liquide Standardkontrakte handelbar sind. Hierfür ist ein enges Zusammenspiel von Treasury und Einkauf wichtig.

Gewerbliche Mieten sind oft an die deutsche Inflationsrate gekoppelt, während an den Märkten vor allem die europäische Inflationsrate liquide gehandelt wird. Alle von Deutschland emittierten inflationsgekoppelten Staatsanleihen sind sogar ausschließlich an die europäische Inflationsrate gekoppelt. Wenn das Sicherungsinstrument des Unternehmens aber an die europäische Inflationsrate gekoppelt ist, das eigene Risiko aber von der deutschen Inflationsrate abhängt, kann es zu Abweichungen oder Diskrepanzen kommen. Es entsteht ein „Mismatch“.

Im Bereich der Preisgleitklauseln findet man sogar gelegentlich Anpassungsregelungen, die nur an bestimmte Sub-Indizes der Inflationsrate gekoppelt sind, beispielsweise die Inflationsrate von Logistik- und Verkehrsdienstleistungen. Solche Indizes werden an den Märkten nicht gehandelt und sind nicht versicherbar.

In zahlreichen langfristigen Lieferverträgen finden sich Preisgleitklauseln, die an Rohstoff- und Energiepreise oder Frachtraten referenzieren. Diese sind schon eher handelbar, doch auch hier muss darauf geachtet werden, dass die juristischen Formulierungen in den Verträgen zu den liquiden Absicherungsinstrumenten passen. Digitale Sprungstellen („immer wenn der Preis um 10 Prozent gestiegen ist“) erhöhen die Hedging-Kosten.

CFOs sollten die Inflation ernst nehmen

CFOs und Treasurer sollten die Inflation ernst nehmen, nicht obwohl, sondern gerade weil Inflationsraten von über 5 Prozent in Deutschland ein neues Phänomen sind. Sollte die EZB es nicht schaffen, die Inflationsrate zügig wieder zu drücken, wäre in zahlreichen Treasury-Abteilungen ein erheblicher Einsatz notwendig, um ihre Unternehmen für die Auswirkungen der hohen Teuerungsraten zu wappnen. Die größten Herausforderungen liegen in der Erfassung und Messung der Inflationsauswirkungen, denn – und das ist die gute Nachricht: Die notwendigen Finanzprodukte zur Absicherung und Steuerung stehen bereit.

redaktion[at]finance-magazin.de

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