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Rumänien-Connection bei KTG Agrar

Nach geplatztem Ackerland-Deal in Rumänien: Eine Firma, geführt von KTG-Aufsichtsrat Julian Voss, steht bei der Rumänien-Tochter von KTG Agrar in der Kreide.
Alexionut Coman/Thinkstock/Getty Images

Während KTG Agrar ums finanzielle Überleben kämpft, fordert eine rumänische Beteiligung des angeschlagenen Agrarkonzerns, Agro Iulia, ein Darlehen von einer Firma zurück, die von KTG-Aufsichtsrat Julian Voss geführt wird. Wie Dokumente belegen, die FINANCE vorliegen, schuldet die von Voss geführte Gesellschaft namens Areano dem rumänischen Agrarbetrieb Agro Iulia mehrere hunderttausend Euro. KTG Agrar hält eine Minderheitsbeteiligung an Agro Iulia und erbringt wesentliche Managementaufgaben. Weiterer Mitgesellschafter ist die westfälische Unternehmensgruppe Tönnies.
 
Pikant ist vor allem, dass Areano mit seinen Zahlungen an Agro Iulia deutlich in Verzug ist, wie die FINANCE vorliegenden Dokumente belegen. Tilgungspläne wurden mehrfach nicht eingehalten. Zuletzt einigte sich Voss mit Vertretern von Agro Iulia auf eine Ratenzahlung bis zum Ende dieses Jahres, um das Darlehen inklusive der aufgelaufenen Verzugszinsen zurückzuführen. Den Dokumenten ist zu entnehmen, dass Agro Iulia offenbar schon seit April 2015 dazu berechtigt wäre, das Darlehen sofort fällig zu stellen.

Fragwürdige Corporate Governance bei KTG Agrar

Die Summe, um die es geht, ist im Vergleich zu den finanziellen Problemen von KTG Agrar gering. Die Forderungen gegen Areano machen nicht viel mehr als 0,1 Prozent des Gesamtbestands an Finanzforderungen von KTG Agrar aus, doch die Hintergründe vieler dieser Forderungen sind dubios. Außerdem wirft die geschäftliche Verquickung von Aufsichtsrat Voss, einem jungen Dozenten für Agrar-Business an einer privaten Fachhochschule in Göttingen und seit 2013 Aufsichtsrat von KTG Agrar, ein weiteres Mal Fragen nach der Corporate Governance in dem von CEO Siegfried Hofreiter geführten Agrarkonzerns auf.

Auch an der von Voss geführten Areano ist KTG Agrar beteiligt. Weitere Anteile hält das Dienstleistungsunternehmen Agrifood Consulting, über das wiederum Voss Anteile an Areano hält. Seinen Aussagen zufolge beläuft sich sein aktueller Areano-Anteil durchgerechnet auf 15 Prozent.

KTG-Aufsichtsrat Julian Voss: „Agro Iulia fehlte die Finanzierung“

Gegenüber FINANCE erklärt Voss den Hintergrund der nicht fristgerecht bedienten Darlehensforderung damit, dass Areano im Auftrag von Agro Iulia Ländereien in Rumänien erwerben sollte: „Das Darlehen der Agro Iulia war dazu bestimmt, die Vorlaufkosten zu finanzieren, die der Areano für den geplanten Landerwerb in Rumänien entstanden sind. Hierfür hatte die Areano einen Auftrag erhalten“, sagte Voss gegenüber FINANCE.

Laut Voss fielen zu Lasten Areanos Ausgaben in Höhe von mehreren hunderttausend Euro an, unter anderem für Maklerkosten und für die Prüfung von Grundbucheinträgen. Jedoch konnte Agro Iulia laut Voss den Landerwerb nicht vollziehen, weil die Finanzierung nicht stand. Darauf hat Areano-Vorstand Voss nach eigener Aussage so reagiert: „Ich habe bewusst darauf verzichtet, unsere Forderungen aus dem Dienstleistungsvertrag mit den Darlehensforderungen der Agro Iulia zu verrechnen.“

Voss zufolge arbeitet Areano nun daran, neue Finanzierungsquellen für Agro Iulia zu erschließen, damit der geplante Landerwerb bis Jahresende doch noch vollzogen werden kann. Voss sieht „begründete Perspektiven“, dass dies gelingt. „Dann kann Areano die erbrachte Dienstleistung in Rechnung stellen und mit diesen Einnahmen das Darlehen der Agro Iulia zurückführen“, hofft der Göttinger Agrarspezialist.

Wirtschaftsprüfer warnt vor finanzieller Schieflage von Agro Iulia

Doch das könnte schwierig werden, denn nicht nur KTG Agrar befindet sich in einer finanziellen Schieflage – auch Agro Iulia scheint es nicht gut zu gehen. FINANCE liegt ein Schreiben vor, in dem ein Wirtschaftsprüfer eine Mitarbeiterin aus dem Tönnies-Konzern darauf hinweist, dass Agro Iulia zum 31. Dezember 2014 mit einem negativen Eigenkapital von 27,8 Millionen rumänischen Leu (6,2 Millionen Euro) „deutlich überschuldet“ sei. Er empfiehlt, „zu den aufgezeigten Auffälligkeiten Erkundigungen“ einzuholen, „um die Entwicklung der Gesellschaften plausibilisieren zu können“.

Obwohl dies erhebliche Zweifel weckt, dass Agro Iulia selbst mit einer von Areano arrangierten Finanzierung noch willens beziehungsweise dazu in der Lage wäre, in Rumänien Landbesitz zu erwerben, hält KTG Agrar gegenüber FINANCE auf Anfrage an der Aussage fest, „dass die vollständige Rückführung des Darlehens der Agro Iulia an Areano bis Ende 2016 vorgesehen ist“.

Sowohl Voss als auch KTG Agrar sehen keinen Interessenskonflikt

Daraus ergibt sich die Frage nach einem möglichen Interessenskonflikt von Aufsichtsrat Voss: Ein von ihm geführtes Unternehmen hat Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber KTG Agrar, während er als Aufsichtsrat beurteilen muss, ob das KTG-Management die richtigen Schritte ergreift, um die Finanzierungskrise des Konzerns zu lösen.

Diese Frage ist vor allem deshalb wichtig, weil der Aufsichtsrat von KTG Agrar neben Voss nur noch aus zwei weiteren Mitgliedern besteht. Darunter ist die Großaktionärin Beatrice Ams, die langjährige Lebensgefährtin von KTG-Chef Hofreiter.

Voss betont gegenüber FINANCE, dass er nie darauf aus gewesen sei, größere Geschäftsbeziehungen zu KTG Agrar einzugehen. „Ich erhalte eine monatliche Aufwandsentschädigung von 500 Euro für meine Tätigkeit als Vorstand der Areano. Wenn von mir geführte Unternehmen für die KTG-Gruppe gearbeitet haben, habe ich für meine Mitarbeiter Tagessätze von lediglich 250 Euro pro Kopf in Rechnung gestellt.“

Seine Unabhängigkeit als Aufsichtsrat sieht er nicht in Frage gestellt: „Das ist keine Herausforderung für meine Unabhängigkeit. Als Aufsichtsrat der KTG Agrar habe ich mich immer speziell den Freefloat-Aktionären verpflichtet gefühlt und der KTG mehrmals neue Investoren zugeführt“, erklärt Voss. „Deshalb sehe ich auch keinen Interessenskonflikt.“ KTG Agrar sieht das genauso.

KTG-Hauptversammlung vertagt, Voss will Aufsichtsrat bleiben

Trotzdem wurden die Investoren über die Geschäftsbeziehung zu Aufsichtsrat Voss nicht informiert. In keinem der zurückliegenden Geschäftsberichte von KTG Agrar finden die Geschäfte Erwähnung. KTG Agrar sieht sich damit rechtlich auf der sicheren Seite, da sowohl die Aktie als auch die Anleihen des Konzerns im Freiverkehr notieren. Dort werden an die Emittenten deutlich schwächere Anforderungen an eine gute Unternehmensführung gestellt als im Prime Standard. „Es bestehen keine Berichtspflichten, die unter Corporate-Governance-Gesichtspunkten zu berücksichtigen wären“, erklärte ein KTG-Sprecher auf Anfrage von FINANCE.

Ob die Aktionäre das genauso sehen, wird Voss kurzfristig wohl nicht erfahren, denn die Begegnung mit den Aktionären bleibt ihm und Hofreiter vorerst erspart: Die für gestern angesetzte Hauptversammlung hat KTG Agrar am Montagabend kurzfristig auf Ende August verschoben – mit einer bizarren Erklärung. Voss ist noch bis zum Jahr 2019 als Aufsichtsrat bestellt. „Meinen Auftrag im Aufsichtsrat will ich vernünftig zu Ende führen“, kündigte er gegenüber FINANCE an.

Info

Mehr Berichte zu KTG Agrar gibt es auf der FINANCE-Themenseite zu KTG Agrar. Eine ausführliche Analyse zur Lage und den Finanzierungsoptionen von KTG Agrar finden Sie in der FINANCE-Ausgabe 4/2015, die als epaper hier erhältlich ist.

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