Der insolvente Windanlagenbauer Senvion bekommt eine Finanzspritze in Höhe von 100 Millionen Euro. Wie das Unternehmen am gestrigen Mittwoch Abend mitteilte, hat es mit seinen „Kreditgebern und wesentlichen Anleihegläubigern“ einen Massekreditvertrag unterschrieben. In der Anleihe engagiert sind die US-Hedgefonds Anchorage und Davidson Kempner, zu den größten Kreditgebern zählen die Deutsche Bank und die BayernLB. Der Großteil ihrer Forderungen entfällt auf Avallinien.
Senvion hatte am vergangenen Dienstag Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Auslöser des Insolvenzantrags war, dass das Unternehmen im vierten Quartal 2018 größere Windparks nicht zeitgerecht fertigstellen konnte. Es fehlten Umsätze, und Kunden reklamierten Strafzahlungen für die Projektverzögerungen.
Senvion, einer der ältesten Windenergiekonzerne der Welt, steckt aber schon länger in der Krise und erwirtschaftet seit Jahren keine Gewinne mehr. Mit einem neuen, krisenerprobten Führungsteam aus dem früheren GE-Manager Yves Rannou als CEO und dem erfahrenen CFO Hans-Jürgen Wiecha versucht Senvion, das Ruder herumzureißen. Im März kam außerdem noch der Sanierer Neil Robson ins Team.
Senvion sucht nach Käufern
Die Finanzspritze ist ein Hoffnungsschimmer für das Unternehmen. Der Massekredit hat eine Laufzeit von zwölf Monaten, mit ihm will das Management die Fortführung des Geschäftsbetriebs absichern und das zum Jahresstart begonnene Transformationsprogramm vorantreiben. Dazu gehören eine Neuausrichtung auf bestimmte Märkte, die Straffung des Produktportfolios, die Verbesserung der Installationsausführung sowie Effizienzsteigerungen im Servicegeschäft. Der neue Kredit ermöglicht Senvion bereits in dieser Woche „substanzielle Ziehungen“, erklärt das Unternehmen.
Laut Senvion-Chef Rannou zeigen die eingeleiteten Maßnahmen schon erste Erfolge: Im ersten Quartal 2019 konnte Senvion seine Installationen verglichen mit dem Vorjahr mehr als verdoppeln. „Das sind ermutigende Neuigkeiten für uns alle und natürlich auch für unseren Transformationsprozess. Viele unserer Kunden und Lieferanten haben uns ihre Unterstützung zugesichert “, lässt sich Rannou in einer Mitteilung des Unternehmens zitieren.
FINANCE-Köpfe
Gelingt es dem Management, das Geschäft zu stabilisieren, die Auftragspipeline abzuarbeiten und die notwendigen Veränderungen anzustoßen, dürften sich schon in kurzer Zeit die Bemühungen um einen neuen Eigentümer oder Investor intensivieren. „Auf lange Sicht müssen wir einen sicheren Hafen für Senvion finden – sei es mit einem Investor oder durch einen Käufer“, sagte Rannou in einem Interview mit dem „Handelsblatt“. Eine Zerschlagung des Unternehmens schließt er nicht aus.
Die Aktionäre reagierten auf den zugesicherten Kredit äußerst positiv: Innerhalb eines Handelstages legte der Kurs um rund 80 Prozent zu. Am heutigen Donnerstag Mittag notiert die Aktie bei über 1,40 Euro, zu Beginn der Woche war sie bis auf gut 0,40 Euro gesunken. Seit Mitte Mai vergangenen Jahres hat die Senvion-Aktie rund 90 Prozent ihres Wertes eingebüßt.
Senvion-Aktie erholt sich von ihrem tiefen Einbruch
Info
Mehr über die bisherige Karriere des Senvion-CFOs finden Sie FINANCE-Köpfe-Profil von Hans-Jürgen Wiecha.
In der kommenden Ausgabe von FINANCE werfen wir einen detaillierten Blick hinter die Kulissen der Krise bei Senvion. Sie erscheint am 2. Mai als ePaper und am 3. Mai am Kiosk.
Hohe Schulden, Führungswechsel, verpatzte Projekte: Der Windturbinenbauer Senvion ist pleite. Wie es dazu kam und welche Geldgeber jetzt um die Macht bei Senvion kämpfen, erfahren Sie auf der FINANCE-Themenseite Senvion.