Steht die Bonner Solarworld AG vor dem Aus? Per Adhoc-Mitteilung zeigte der Konzern einen Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals an. Damit verschärft sich die Krise des Konzerns, der schon im Januar den Haircut der Bonds angekündigt hatte, immer weiter. Nach Steuern wird im HGB-Einzelabschluss für das Geschäftsjahr 2012 „nach aktueller Einschätzung“, wie der Konzern betonte, ein Verlust nach Steuern in Höhe von 520 bis 550 Millionen Euro eintreten. Das Eigenkapital im HGB-Einzelabschluss werde demnach zwischen minus 20 bis minus 50 Millionen Euro liegen. Die Zahlen könnten sich im Rahmen der Abschlussprüfung noch deutlich verändern.
Die Verluste resultieren zu einem Fünftel aus dem schlechten Geschäftsverlauf 2012, aber zu vier Fünfteln aus Abschreibungen auf Tochterunternehmen. Die gute Nachricht lautet für CFO Philipp Koecke damit, dass der größte Teil der Verluste damit nicht liquiditätswirksam ist. Noch nicht, denn die Abschreibungen deuten eine zukünftig dramatisch verschlechterte Ertragskraft an, wie Analyst Sven Diermeier von Independent Research meint. „Die erwarteten Mittelzuflüsse werden drastisch sinken.“
Cashpolster ist geschrumpft
Die Zahlen aus dem HGB-Abschluss lassen sich nicht ohne Weiteres auf den nach IFRS erstellten Konzernabschluss hochrechnen. Danach könnte das Eigenkapital sogar noch leicht positiv sein. Noch ist zudem genug flüssiges Geld da. Ende Q3 betrug das Cashpolster 232 Millionen Euro. Es dürfte geschrumpft sein. Die Nettoverschuldung hingegen betrug Ende September über 700 Millionen Euro.
„Es ist klar zu wenig Geld da“, sagt Diermeier, der mit negativen Free CashFlows rechnet. „Auch auf der Eigenkapitalseite muss sich etwas tun.“ Spätestens 2016/17, wenn die Rückzahlungen der Bonds anstehen.
Banken auf der Flucht
Derweil scharren die Banken mit den Hufen. Die Kredite belaufen sich auf über 375 Millionen Euro und wurden von Koecke erst im Juli 2012 neu verhandelt, weil schon damals die Covenants gerissen wurden. Viele Geldhäuser haben das Vertrauen in die Bonner verloren. Gegenüber FINANCE meinte ein Frankfurter Banker: „Wir würden den Kredit lieber heute als morgen loswerden.“ Einschlägige Distressed-Fonds kaufen die Schulden auf. Nach Informationen von FINANCE sollen Teile der Verbindlichkeiten bereits bei Investoren wie Strategic Value Partners (SVP) liegen. Denkbar wäre ein Tausch von Schulden in Solarworld –Anteile (Debt-Equity-Swap). Über eine derartige Transaktion hatte SVP im vergangen Jahr bei Klöckner Pentaplast über einen Debt- Equity-Swap das Ruder von Blackstone übernommen. Der Fonds wollte sich auf Anfrage von FINANCE in Sachen Solarworld aber nicht äußern.
Auch andere Möglichkeiten sind denkbar: Für Solarworld könnte das im vergangenen Jahr eingeführte Schutzschirmverfahren interessant werden. Damit hätten die Bonner, die momentan noch zahlungsfähig sind, weitere drei Monate Zeit, ein Restrukturierungsverfahren zu eruieren. Die neuen Gläubiger, die deutlich unter par eingestiegen sind, würden eine Restrukturierung dann maßgeblich mit begleiten. Ähnliche Verfahren hatten die Solarspezialisten Solarwatt und Centrotherm durchlaufen.
Besonders kompliziert macht die Lage von Solarworld allerdings die Börsennotierung und die damit verbundenen Publizitätspflichten. Hinzu kommt die Finanzierung mit zahlreichen Instrumenten wie klassischen Krediten, Anleihen, Schuldscheinen und US-Private Placements. Die Konstellation erinnert fatal an den Fall Q-Cells: Das ostdeutsche Solarunternehmen musste Anfang April 2012 Insolvenz anmelden und wurde im gleichen Jahr von der südkoreanische Hanwha-Gruppe übernommen.
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