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Kursturbulenzen: Wirbel um Rickmers

Rickmers weist die Vorwürfe der überhöhten Wertansätze ihrer Schiffe und hoher Geldentnahmen vehement zurück.
Rickmers

Die Bondholder der Reederei Rickmers haben einen stürmischen Wochenausklang erlebt. Am Donnerstag Nachmittag ließ ein kritischer Zeitungsartikel den Kurs der 275 Millionen Euro schweren Anleihe von 90 auf knapp über 70 Prozent einbrechen. Aus dem Handel ging das Papier mit 81 Prozent. Das „Handelsblatt“ hatte von hohen Geldentnahmen durch den Eigentümer Bertram Rickmers berichtet und vorgerechnet, dass die Wertansätze der Rickmers-Schiffe in der Konzernbilanz deutlich überhöht sein könnten.

Rickmers-CFO Mark-Ken Erdmann weist die Vorwürfe vehement zurück und behauptet, dass es keinen verschleppten Abschreibungsbedarf im Schiffsportfolio gebe – auch weil die Hamburger Reederei auf die rückläufigen Charterraten bereits bilanziell reagiert habe. Ende 2013 hat Rickmers eine außerordentliche Wertberichtigung von 142 Millionen Euro durchgeführt, weitere gut 50 Millionen Euro seien gegen die Wertansätze von Schiffsfonds gebucht worden, die einen Teil der Assets der Rickmers-Gruppe ausmachen. Im dritten Quartal 2015 kam noch eine weitere Sonderabschreibung über 103 Millionen Euro hinzu. Aufaddiert ist das fast ein Zehntel der zuletzt ausgewiesenen Bilanzsumme von 2,9 Milliarden Euro – genug, wie Erdmann versichert.

Zusätzlich werden die Wertansätze laut Erdmann noch um 4 Prozent jährlich linear abgeschrieben. „Damit schreiben wir unsere Schiffe schneller ab als viele andere Unternehmen unserer Industrie“, verteidigt sich der Finanzchef.

Hat Rickmers-CFO Mark-Ken Erdmann zu wenig abgeschrieben?

Das „Handelsblatt“ hingegen hat auf Basis aktueller Neubaupreise allein für acht große Schiffe der insgesamt 52 Frachter umfassenden Rickmers-Flotte, welche die Hamburger 2010 und 2011 in Dienst stellten, einen möglichen Abschreibungsbedarf von 360 Millionen US-Dollar (328 Millionen Euro) errechnet. Das wäre mehr als die Hälfte des zuletzt ausgewiesenen Eigenkapitals der Reederei und mehr als das Dreifache der Summe, die Erdmann im dritten Quartal tatsächlich abgeschrieben hat.

Das dahinter liegende Problem: 2015 hat sich die seit Jahren anhaltende Talfahrt der Frachtraten noch einmal deutlich beschleunigt. In manchen Teilsegmenten liegen die Raten bis zu 40 Prozent unter denen des Vorjahrs. Daraus ergibt sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Rickmers auslaufende Mietverträge für seine Schiffe nur zu schlechteren Konditionen verlängern oder neu abschließen kann – mit entsprechenden Folgen für den Wert der Schiffe. Diesen bestimmt Rickmers mit Hilfe der Discounted-Cashflow-Methode.

Bertram Rickmers erklärt Dividendenverzicht

Die Zweifel an der Bilanzqualität kommen für Rickmers zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Das Unternehmen hat sich zu einer AG umgewandelt und spielt mit dem Gedanken an einen Börsengang, um die dünne Eigenkapitaldecke von derzeit nur 19,7 Prozent der Bilanzsumme aufzubessern.

Immerhin springt Eigentümer Bertram Rickmers dem Management zur Seite. Er hatte schon Ende Mai verbindlich zugesagt, dass er für die Jahre 2015 bis 2017 auf eine Dividende verzichten wird. Das dürfte der Reederei insgesamt Kapitalabflüsse im niedrigen zweistelligen Millionenbereich ersparen. Das Unternehmen gibt an, Bertram Rickmers habe „bis Ende 2014 niemals mehr als 5 Millionen Euro pro Jahr entnommen“. In dem Handelsblatt-Artikel wurde dem Unternehmer vorgeworfen, „über 6 Millionen Euro jährlich“ aus der Firma zu ziehen, um damit unter anderem seine 45 Meter lange Luxusyacht instand zu halten.

Ganz ungeschmälert kommt Rickmers‘ Dividenverzicht jedoch nicht der Kapitaldecke der Reederei zu Gute: Seit Juni dieses Jahres zahlt das Unternehmen an Rickmers für die Nutzung des Namens und der Rickmers-Flagge Lizenzgebühren in Höhe von jeweils 0,3 Prozent des Umsatzes. Bei Konzernerlösen von etwa 550 Millionen Euro entspricht dies zusammen rund 3,3 Millionen Euro.

CFO Erdmann arbeitet erneut am Fälligkeitsprofil

Am Rande seiner Reaktion auf die kritischen Medienberichte gab Erdmann außerdem bekannt, dass er schon wieder an einer Umschuldung des Konzerns arbeitet. Erst im Frühjahr war es ihm gelungen, ein großes Paket an Bankkrediten bis zum Jahr 2018 zu verlängern. Demnach verhandelt Erdmann gerade mit den Banken über die Verlängerung der Laufzeit eines Teils dieser Kredite, deren Volumen 475 Millionen Euro erreicht, bis ins Jahr 2021. Dies würde das Fälligkeitenprofil ein wenig entspannen – nach aktuellem Stand werden 2018 sowohl das große Kreditpaket als auch die Anleihe fällig. Gemeinsam machen sie rund 80 Prozent der gesamten Finanzverbindlichkeiten aus. Es ist davon auszugehen, dass Erdmann einen erfolgreichen Börsengang dazu nutzen würde, die Fälligkeitenstruktur zu glätten.

Der Kapitalmarkt hält die Position des Unternehmens offenbar für glaubwürdig, doch Zweifel bleiben. Gestützt von der öffentlichen Reaktion von Rickmers setzte der Bond seine schon vorher begonnene Kurserholung fort. Mit gut 87 Prozent beendete die Rickmers-Anleihe die Handelswoche aber unter dem Kurs von knapp 90 Prozent, von dem aus am Donnerstag die Talfahrt begonnen hatte.

Info

Alles Wichtige zur aktuellen Situation der Traditionsreederei und zu den Versuchen des Managements, die Lage zu stabilisieren, finden Sie auf unserer FINANCE-Themenseite zu Rickmers.

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