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So funktioniert das ESG-Rating von ISS ESG

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Wie funktioniert das ESG-Rating von ISS ESG? Das erklärt Kristina Rüter, Managing Director und Global Head of Methodology bei der Agentur.
ISS ESG

ISS ESG ist die Nachhaltigkeitsagentur des Stimmrechtsberaters ISS Institutional Shareholder Services. 2018 hat der US-Konzern die in Deutschland bekannte ESG-Agentur Oekom Research übernommen, die 1993 in München gegründet wurde. Über 460 Mitarbeiter arbeiten für ISS ESG weltweit, in Deutschland sind es mehr als 100. Welchen Ratingansatz die Agentur verfolgt, erklärt Kristina Rüter, Managing Director und Global Head of Methodology bei der Agentur. Sie war im Jahr 2003 zu Oekom Research gestoßen.

Frau Rüter, ISS ESG gehört zu den bekanntesten ESG-Ratingagenturen am deutschen Markt. Welche Produkte und Dienstleistungen bieten Sie im Bereich der Nachhaltigkeitsbewertungen an?

Bei den Unternehmensbewertungen ist unser Flagship-Produkt das ESG Corporate Rating. Das Pendant für Staaten als Emittenten von Staatsanleihen ist das Country Rating. Zudem umfasst das Rating-Angebot von ISS ESG thematische Ratings wie die SDG Impact Ratings und das Carbon Risk Rating und einen Environmental & Social Disclosure and QualityScore, der die Transparenz und Qualität der öffentlichen Berichterstattung misst. ISS ESG stellt zudem über Datenplattformen die den Ratings zugrundeliegenden Einzelbewertungen sowie eine Custom Rating Funktion zur Verfügung, bei denen Investoren selbst entscheiden können, welche Themen sie auswählen und wie sie sie gewichten wollen.

Bieten Sie auch ESG-Ratings an, die Unternehmen bei Ihnen in Auftrag geben, also sogenannte Solicited Ratings?


Die Kunden von ISS ESG sind ausschließlich institutionelle Investoren. Solicited Ratings gibt es, dieses Geschäft läuft aber vollkommen getrennt von ISS ESG über eine andere Tochtergesellschaft der ISS, die ISS Corporate Services. Diese Bewertungen erfolgen nach der gleichen Methode wie die Ratings, die wir für Investoren erstellen.

Wie viele Unternehmen bewertet ISS ESG denn insgesamt im deutschen Markt – von Unternehmen beauftragte Ratings ausgeschlossen? Und wollen Sie hier weiter wachsen?


In der DACH-Region bewerten wir derzeit rund 300 Unternehmen. Traditionell sind wir im deutschen Markt aufgrund unserer Historie stark bereits stark aufgestellt. Wir werden uns daher beim weiteren Ausbau unserer Ratingabdeckung auf die USA und auf Emerging Markets konzentrieren.

ISS ESG setzt auf holistische ESG-Ratings

Mit unserer Mini-Serie wollen wir ja vor allem die verschiedenen Ratingprozesse der Agenturen unter die Lupe nehmen. Wie genau funktioniert es bei Ihnen?

Der gesamte Prozess dauert rund sieben bis acht Wochen. Unsere Analysten sammeln im ersten Schritt öffentlich verfügbare Informationen der Unternehmen selbst, aber auch von NGOs, Medien und Behörden. Darüber hinaus nutzen wir externe Datenquellen, die nicht öffentlich zugänglich sind, wie etwa die Daten des Carbon Disclosure Projects. Nachdem wir ein Rating erstellt haben, schicken wir dem Unternehmen den ersten Ratingentwurf zu. Das Unternehmen hat dann vier Wochen Zeit, um die im Rating verwendeten Daten zu überprüfen und uns weitere, zusätzliche Informationen zur Verfügung stellen. Zu einigen Bereichen, die wir in unseren Bewertungen abdecken, gibt es häufig wenig öffentlich verfügbare Daten, etwa zum Themenfeld Work-Life-Balance.

Was für Faktoren fließen denn in die Bewertung der Work-Life-Balance ein?

Das sind vornehmlich qualitative Faktoren. Es geht beispielsweise um Flexibilität in der Arbeitszeit, oder die Frage, ob die Arbeit aus dem Home Office ermöglicht wird. Dieses Thema ist wie viele weitere mitarbeiterbezogene Themen für Unternehmen aller Branchen Bestandteil der Bewertung.

Ob das Thema stark ins Gewicht fällt, hängt aber davon ab, in welchem Sektor ein Unternehmen tätig ist. Wie stark wir ein Themenfeld gewichten, variiert in den einzelnen Branchen entsprechend unserer Wesentlichkeitsanalysen.

Damit sind wir schon bei der Frage, worauf Ihr Haus bei der Bewertung besonderen Wert legt. Wodurch unterscheidet sich der Ansatz von ISS ESG von anderen ESG-Ratingagenturen?


Unser Ansatz ist inklusiv und holistisch – das bedeutet, dass wir ein weites Spektrum an Themen abdecken, während einige andere Agenturen sich stark auf bestimmte Segmente fokussieren. Darüber hinaus berücksichtigen wir in unseren Bewertungen sowohl die Risiken als auch die Chancen, die wir im Hinblick auf ESG-Faktoren bei einem Unternehmen erkennen.

Dafür definieren wir für jede Branche die Key Issues, die für ein Unternehmen besonders relevant sind. Je nach Branche können das beispielsweise die Arbeitsbedingungen sein, der nachhaltige Umgang mit Rohstoffen und so weiter. Wir bewerten den Grad, zu dem ein Unternehmen erfolgreich Strategien umsetzt, um seinen spezifischen ESG Risiken zu begegnen. Darüber hinaus fließt auch der Impact des Geschäftsmodells selbst in unsere Betrachtung ein.

Wie genau funktioniert die Rating-Skala? Sie besteht ja aus mehreren Teilen.

Die Rating-Skala des Corporate Ratings reicht von der schlechtesten Note D- bis zur Bestnote A+. Bei dieser Note handelt es sich um eine absolute Bewertung, Sie können also die Bewertung von Unternehmen aus verschiedenen Branchen miteinander vergleichen. Wir geben aber auch eine relative Bewertung an, also ein sogenanntes Best-in-Class-Rating. Das verbirgt sich hinter dem Decile Rank, der von 1 bis 10 reicht und angibt, wie gut ein Unternehmen in seiner Branche abschneidet.

Die Rating-Skala von ISS ESG

Ratingskala von ISS ESG

ISS ESG

ISS ESG vergibt zudem die Bezeichnung „Prime“. Was genau bezeichnet dieser Status?

Das Siegel Prime ist ebenfalls branchenspezifisch. Wir haben für jede Branche bestimmte Anforderungen definiert, die erfüllt werden müssen, um den Prime-Status zu erlangen. Meist liegt sie bei C+, in Branchen mit hohen ESG-Risiken liegt sie bei B-. Lassen Sie mich das an einem Beispiel erklären. Bei einem Unternehmen mit geringen ESG-Risiken – etwa im Bildungssektor – wird die Prime-Schwelle niedriger gesteckt sein. Ein Unternehmen aus dieser Branche wird also leichter diesen Status erreichen können als ein Kohlekonzern.

ISS ESG untersucht Impact des Geschäftsmodells

Sie haben erwähnt, dass auch das Geschäftsmodell selbst in die Bewertung einfließt. Wie genau muss man sich das vorstellen?


Das Geschäftsmodell spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens einen klar positiven oder einen klar negativen Impact auf die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung haben. Es wird also nicht nur das ‚wie‘ sondern auch das ‚was‘ im Rating berücksichtigt. Bei einem Tabakkonzern wird im Corporate Rating nicht nur bewertet, wie mit Risiken in der Produktion und der Lieferkette umgegangen wird, sondern auch die negative Auswirkung der Produkte auf das globale Entwicklungsziel ‚Gesundheit‘.

Wie definieren Sie denn einen positiven oder negativen Impact der Geschäftsmodelle?


Die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen bilden die Grundlage für unsere Klassifizierung der Produkte und Dienstleistungen nach ihrem Nutzen – oder eben auch ihrer Schadwirkung.

In der Vergangenheit gab es Fälle, in denen Unternehmen kritisiert haben, dass fehlende Informationen negativ gewertet wurden – auch in Bereichen, die aus Sicht der Corporates für ihr Geschäftsmodell gar keine Relevanz hatten. Wie reagieren Sie auf solche Kritik?


Unsere Kunden – die Investoren – erwarten eine Einschätzung dazu, wie das Unternehmen seine ESG-Risiken managt und Chancen ergreift. Wenn dazu keinerlei Informationen vorliegen, wäre ein positives Signal nicht gerechtfertigt und würde bei schlechter Performance sogar einen Anreiz setzen, nicht zu berichten. Wir gehen deshalb in den direkten Austausch mit den Unternehmen und ermöglichen ihnen, uns in einem bestimmten Zeitfenster zusätzliche Informationen zur Verfügung zu stellen, wenn noch etwas fehlt. Allerdings möchte ich betonen, dass das Corporate Rating eine Performance-Bewertung ist, kein Disclosure-Rating. Nur weil mehr Informationen vorliegen, heißt das noch nicht, dass automatisch das Rating besser wird. Wir machen in unseren Bewertungen jeweils transparent, wo Informationen vorlagen und wo etwas gefehlt hat.

antonia.koegler[at]finance-magazin.de

Info

Und wie sieht es bei anderen Agenturen aus? Im ersten Teil dieser Mini-Serie gab die Agentur Sustainalytics einen Einblick.

Alles Wissenswerte rund um Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung erfahren Sie außerdem auf unserer Themenseite zu Green Finance.

Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.