Vor der morgigen Gläubigerversammlung des Modeunternehmens Strenesse, bei der die Laufzeitverlängerung der 12 Millionen Euro schweren Mittelstandsanleihe um drei Jahre beschlossen werden soll, ist die Nervosität der Akteure groß.
So sind – entgegen dem Versuch des Unternehmens, die Daten unter Verschluss zu halten – in den vergangenen Tagen aktuelle Geschäftszahlen von Strenesse durchgesickert, die das ganze Ausmaß der Misere des Modehauses verdeutlichen. Auf rund 60 Millionen Euro soll der Umsatz im Geschäftsjahr 2012/13 zurückgegangen sein, „operativ“ soll ein Verlust von 0,3 Millionen Euro angefallen sein. Im ersten Halbjahr 2013/14 seien die Erlöse nochmal um 26 Prozent eingebrochen, und es sei ein Verlust von 3,5 Millionen Euro aufgelaufen, berichten „Der Spiegel“ und die F.A.Z.. Offiziell werden die Geschäftszahlen erst morgen vorgestellt.
Strenesse-Chef Luca Strehle kritisiert Gerd Strehle
Strenesse-Chef Luca Strehle versucht die Aussagekraft der Finanzdaten schon im Vorfeld abzuschwächen und wirbt damit, dass die geplante Streichung von mehr als 10 Prozent der knapp 400 Stellen rund 2 Millionen Euro im Jahr sparen werde. Zudem lägen die Vororders für die nächste Winterkollektion um 10 bis 15 Prozent über Vorjahr – offenbar jedoch über einem Geschäftsniveau, das dem angeschlagenen Unternehmen kaum reichen wird, um seine Gläubiger zu bedienen. Allgemein wird damit gerechnet, dass Strenesse auch 2013/14 operativ Geld verlieren wird, erst 2014/15 plant Strehle auf Ebitda-Basis wieder mit schwarzen Zahlen.
„Unsere Kollektionen sind immer älter und austauschbarer geworden“, geht Strehle hart mit seinem Vorgänger an der Strenesse-Spitze ins Gericht – seinem Vater Gerd Strehle, den er vor zwei Jahren abgelöst hatte. In den vergangenen Monaten habe er alle Prozesse auf den Prüfstand gestellt: „Wir werden hier jetzt einiges anders und besser machen“, verspricht Strehle – und deutet damit an, dass im ersten Jahr seiner Amtszeit wenig passiert ist. Im Umfeld des Unternehmens ist zu hören, dass die straffere Führung der vergangenen Monate vor allem auf das Wirken des neuen CFOs Gerhard Geuder zurückzuführen sei, der im vergangenen September zu Strenesse gekommen ist.
Strenesse-Gläubiger Tenedor liebäugelt mit Insolvenz
Mit jedem Tag, den die Gläubigerversammlung näher rückt, erhöhen die Gläubiger nun aber den Druck auf Strehle. Die Investmentfirma Tenedor hat Gegenanträge für die Gläubigerversammlung eingereicht, die es in sich haben: Tenedor votiert dafür, „nur eine kurze Laufzeitverlängerung vorzusehen und dann zu überprüfen, ob die Restrukturierungsbemühungen Erfolg haben.“ Zudem läuft Tenedor Sturm gegen den Plan von CFO Gerhard Geuder, neuen Finanzierungspartnern Sicherheiten zur Verfügung zu stellen.
„Derzeit sichern die vorhandenen Vermögensgegenstände insbesondere die Anleihe“, schreibt Tenedor. „Nun soll offensichtlich sämtliches Vermögen für die Aufnahme eines neuen Bankkredits verwendet werden.“ Dies könne dazu führen, dass die Anleihe „wirtschaftlich komplett entwertet“ werde. „Die Anleihegläubiger stünden dann unter Umständen schlechter, als wenn das Unternehmen sofort in die Insolvenz ginge.“
Mezzanine-Investor plötzlich gleichrangig gestellt
Strenesse-Chef Strehle hält mit einem Gutachten des Beratungshauses Biesalski dagegen, das den Wert der Marke Strenesse auf 33 Millionen Euro beziffert. Damit dürfte er darauf abzielen, zusätzliche Finanzierungspartner zu gewinnen. Aber auch die Bondgläubiger sollen ein Stück vom Kuchen abbekommen. Gegenüber FINANCE hatte CFO Geuder vor knapp zwei Wochen seine Bereitschaft eingeräumt, im Fall einer Laufzeitverlängerung auch die Anleihe mit zusätzlichen Sicherheiten auszustatten.
Doch die Investoren sind misstrauisch geworden. Für viel Aufregung in Gläubigerkreisen sorgt der Umgang mit einem Mezzanine-Darlehen in Höhe von 5 Millionen Euro der BayBG und der Landesförderanstalt Bayern, das Strenesse am 31. Dezember 2013 hätte zurückzahlen müssen. Doch dies gelang nicht, und für den Verzicht auf die Fälligstellung, die vermutlich die Insolvenz ausgelöst hätte, mussten Strehle und Geuder den Mezzanine-Investoren laut „Spiegel“ große Zugeständnisse machen: Ein Zinssatz von 10 Prozent – 100 Basispunkte mehr als bei der Anleihe – sowie ein tägliches Kündigungsrecht.
Was die Gläubiger aber am meisten verärgert, ist, dass Strehle die Mezzanine-Gläubiger gleichrangig zu den Bondgläubigern gestellt hat. Allein dieser Schachzug dürfte den Wert der Forderungen der Anleihegläubiger angesichts der prekären Geschäftslage von Strenesse um mehrere Millionen Euro reduziert haben. Entsprechend hart sind die Gläubiger bei den Investorentreffen der vergangenen Wochen Strehle und Geuder angegangen.
Einige von ihnen haben sich offenbar auch von ihren Strenesse-Papieren getrennt. Von ursprünglich sechs großen Gläubigern, die vor einem Jahr die Mittelstandsanleihe im Rahmen einer Privatplatzierung gezeichnet haben, haben FINANCE-Informationen zufolge inzwischen mindestens zwei ihre Position abgebaut und vor allem an Retail-Investoren verkauft.
Verschärfend hinzu kommen Ermittlungen der Bafin, die seit wenigen Tagen den starken Einbruch des Anleihekurses in den Stunden vor der Bekanntgabe des Scheiterns der Refinanzierungsverhandlungen untersucht.
Strehle bringt Frank Günther als Anleihevertreter ins Spiel
Doch trotz der sich zuspitzenden Situation geht es morgen für Strenesse noch nicht um alles. Die Gläubigerversammlung ist nur dann beschlussfähig, wenn mindestens 50 Prozent der Gläubiger anwesend sind. Beobachter halten es für gut möglich, dass diese Quote nicht erreicht wird. Dies ist in solchen Fällen auch nicht ungewöhnlich, wie zuletzt zum Beispiel der Versammlungsmarathon bei Solarworld zeigte, den das Unternehmen absolvieren musste, bevor der Schuldenschnitt unter Dach und Fach gebracht werden konnte.
Findet mehr als die Hälfte der Gläubiger morgen den Weg nach Nördlingen, müssen 75 Prozent der Anwesenden der Laufzeitverlängerung zustimmen. Bei einer zweiten Gläubigerversammlung wären dann jedoch nur noch eine Anwesenheitsquote von 25 Prozent sowie eine einfache Mehrheit nötig. Allerdings drängt die Zeit: Spätestens bis zum 15. März müssen die Gläubiger der Laufzeitverlängerung zugestimmt haben, sonst droht die Insolvenz.
Strehle und CFO Geuder setzen dafür auf das Zusammenspiel mit einem erfahrenen Krisenmanager: Der Gläubigerversammlung schlagen sie vor, den schon an zahlreichen Bondrestrukturierungen beteiligten Finanzierungsexperten Frank Günther von One Square Advisors zum gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger zu wählen.
Info
Wie Luca Strehle um die Refinanzierung der Strenesse-Mittelstandsanleihe kämpft und wie sich die Situation be idem Modehaus so zuspitzen konnte, lesen Sie auf der brandneuen FINANCE-Themenseite zu Strenesse.