„Die Schifffahrt muss einen großen Schritt machen“

Zwei Green Loans hat Hapag Lloyd in diesem Jahr bereits abgeschlossen. Im Frühjahr folgte dann ein Sustainability-linked Bond. Bei diesem noch jungen Finanzierungsinstrument wird der Kupon an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt. Werden sie verfehlt, so folgt ein Preisaufschlag. Finanzchef Mark Frese erklärt im Interview, was ihn an dem Finanzinstrument überzeugt und welche Rolle grüne Finanzierungen künftig für den Konzern spielen sollen. Herr Frese, Hapag-Lloyd war eines der ersten Unternehmen im deutschsprachigen Raum, das einen Sustainability-linked Bond platziert hat – eine Anleihe, deren Kupon an bestimmte Nachhaltigkeitsziele gekoppelt ist. Warum haben Sie sich für dieses Instrument entschieden?In der Schifffahrtsbranche ist die Dekarbonisierung ein extrem wichtiges Thema. Diese Transformation voranzubringen geht natürlich mit substantiellen Investitionen einher, und an dieser Stelle kommt das Thema Green Finance ins Spiel. Wir haben eine konkrete Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, die den Kurs und die Ziele für die nächsten zehn Jahre vorgibt. Der 300 Millionen Euro schwere Sustainability-linked Bond ist durch seine Struktur ganz eng mit unseren Nachhaltigkeitszielen verbunden. Damit ist die Transaktion ein guter Weg für uns, unsere Position bei diesem Thema zu untermauern. Wir bekennen uns zu diesen Zielen und wollen uns künftig auch daran messen lassen. Zur Finanzierung der Investitionen, die Sie angesprochen haben, würde sich ja auch ein Green Bond eignen – also eine Anleihe, bei der der Erlös dann ausschließlich in nachhaltige Projekte fließen muss. War das auch eine Option?Wir haben bereits zwei Green Loans zur Finanzierung von neuen Schiffen im Einsatz und sind mit diesen Instrumenten also auch vertraut. Wir entscheiden aber immer anlassbezogen, welches Instrument am besten geeignet ist. In diesem Fall ging es um die Refinanzierung einer bestehenden Anleihe, weshalb ein Green Bond nicht in Frage kam. Ich kann allerdings klar sagen, dass wir künftig nachhaltige Finanzierungsinstrumente insgesamt stärker nutzen werden. Alles zum Thema Green Finance Alles rund um die aktuellen Entwicklungen am Markt für grüne Finanzierungen erfahren Sie auf dieser Themenseite. Mehr lesen Hapag-Lloyd will CO₂-Intensität reduzieren Sie haben als Messlatte für die Bondtransaktion die CO₂-Intensität gewählt. Sie soll für die Hapag-Lloyd-eigene Flotte bis 2030 im Vergleich zu 2008 um 60 Prozent sinken. Wenn Sie Ihr Zwischenziel auf diesem Weg nicht erreichen, dann steigt der Kupon des Bonds. Warum ist es genau diese Kennzahl geworden?Die Kennzahl selbst ist in der Branche eine etablierte Größe, und sie passt sehr gut in unsere Nachhaltigkeitsstrategie, in der ein wichtiger Bestandteil nachhaltige Antriebstechniken (Future-Proof Propulsion) sind. Die Schifffahrt muss einen großen Schritt machen. Sie ist für etwa 3 Prozent des globalen CO₂-Ausstoßes verantwortlich. Daran sehen sie deutlich: Wenn wir in dieser Industrie vorankommen, dann können wir auch wirklich einen substantiellen Beitrag leisten. Deshalb haben wir uns ambitionierte Ziele gesetzt und das für die Transaktion aufgelegte Framework auch noch einmal extern prüfen lassen. Dennoch dürfte es auch Investoren geben, die ein Unternehmen aus einem so CO₂-intensiven Geschäft direkt ausschließen.In Bezug auf die konkrete Transaktion war das Feedback von Investorenseite sehr positiv, aber natürlich ist das ein Argument, das ich auch schon gehört habe. Es gibt Investoren, die nur sehr grüne Unternehmen in ihren Portfolien haben wollen und alle anderen ausschließen. Allerdings frage ich mich, was der Effekt sein wird. Die eigene Geldanlage ist dann zwar extrem grün, allerdings ist die Welt dadurch kein Stück besser geworden. „Es gibt Investoren, die nur sehr grüne Unternehmen in ihren Portfolien haben wollen und alle anderen ausschließen. Allerdings frage ich mich, was der Effekt sein wird.“ Bisweilen zeigt sich bei nachhaltigen Transaktionen ein deutlicher Preisvorteil. Hat die grüne Komponente Ihnen bessere Konditionen eingebracht?Wir können da durchaus einen Effekt feststellen. Eine Bondemission ist da ein bisschen wie Hochsprung. Ein guter Springer schafft es immer über die 2 Meter, aber ob es letztlich 2,40 Meter oder 2,45 Meter werden – da wird es dann eng. Wir wussten, dass wir einen Kupon unter 3 Prozent erreichen können. Dass es letztlich 2,5 Prozent geworden sind, ist für uns nahezu der optimale Ausgang. Uns hat dabei die grüne Komponente sicher geholfen: Wir konnten neue Investoren gewinnen, das Orderbuch war extrem stabil. Natürlich hat unsere Outperformance der letzten Jahre in unserer Industrie und die daraus folgenden zwei kürzlichen Rating-Upgrades unterstützt. Gleichzeitig profitieren wir natürlich von der derzeitigen Lage in der Containerschifffahrt. Aufgrund der extrem hohen Nachfrage nach Containertransporten konnten wir unser Ergebnis deutlich verbessern, was bei der Transaktion sicherlich auch eine Rolle gespielt hat. FINANCE Köpfe Mark Frese Hapag-Lloyd AG Mehr lesen Die Sonderkonjunktur für die Containerbranche hält an – weiterhin gibt es Kapazitätsengpässe, die Preise sind enorm gestiegen. Auch Hapag-Lloyd konnte im ersten Halbjahr den Gewinn massiv um 2,4 Milliarden Euro auf rund 2,7 Milliarden Euro steigern, ohne dass die Transportmenge stark gewachsen wäre. Kritiker werfen Ihrer Branche vor, zu stark von der Krise zu profitieren – für ein Unternehmen, das sich mit ESG-Fokus positionieren will, ist das ein schwerwiegender Vorwurf.Die Kritik ist nicht gerechtfertigt und aus meiner Sicht einseitig. Die Linienreedereien haben etwa zehn Jahre lang ihre Kapitalkosten nicht zurückverdienen können. Viele Marktteilnehmer, auch Kunden, haben davon profitiert. Nun zu sagen, der Verdienst sei zu hoch und unmoralisch, ist nicht ausgewogen. Massive Preissteigerungen gibt es vor allem bei den Spot-Raten, wenn kurzfristig ein Container gebucht wird. Bei langfristigen Verträgen, und darüber läuft der größte Teil unseres Geschäfts, stellt sich das Problem in dieser Ausprägung nicht. Wir halten uns an unsere preislichen Vereinbarungen. Wer aber immer ganz kurzfristig den besten Preis haben will, der muss in der aktuellen Situation dann auch höhere Preise akzeptieren. Auch wir finden die aktuelle Lage nicht gut und hoffen auf eine Entspannung im kommenden Jahr. „Nun zu sagen, der Verdienst sei zu hoch und unmoralisch, ist nicht ausgewogen.“ Bis dahin dürfte Hapag-Lloyd von der Marktlage noch Rückenwind bekommen: Sie haben nach dem ersten Halbjahr die Nettoverschuldung bereits um 1 Milliarde Euro auf 3,3 Milliarden Euro reduziert und den Ausblick für das laufende Jahr angehoben. Für die Dekarbonisierungsstrategie werden nun, wie bereits angesprochen, weitere Investitionen fällig. Wie hoch werden die voraussichtlich ausfallen?Eine genaue Zahl kann ich Ihnen für die Investitionen leider noch nicht nennen, aber ich kann mit absoluter Sicherheit sagen: Sie werden wesentlich sein. Das ist zwingend, denn diese Transformation wird nicht leicht. Es geht um Innovationen und neue Technologien, die jetzt noch gar nicht verfügbar sind. Ganz klar ist aber auch, dass diese Investitionen für uns profitabel sein müssen. Grüne Investitionen müssen sich zurückzahlen, und das werden sie auch tun. Für Investoren ist es allerdings äußerst schwer abzuschätzen, ob sich solche Investitionen für das Unternehmen wirklich auszahlen – die Effekte werden erst in einigen Jahren sichtbar. Bislang ist man am Kapitalmarkt aber eher einen kurzfristigeren Blick gewöhnt.Das ist richtig, aber ich glaube, allen ist bewusst, dass sich diese Entwicklung zu einer nachhaltigeren Wirtschaft eher beschleunigt als verlangsamt. Wir haben einen Plan für die nächsten zehn Jahre entworfen, aber wir bereiten uns auch jetzt schon darauf vor, dass bestimmte Entwicklungen und Anforderungen schneller auf uns zukommen werden als gedacht. Die Geschwindigkeit könnte sich noch deutlich erhöhen. Für die Bondinvestoren stehen die Rahmenbedingungen aber fest. Sie können sich darauf verlassen: 2025 wird gemessen. Wenn wir unsere selbstgesteckten CO₂-Ziele dann nicht erreicht haben, folgt ein Kupon-Stepup über 25 Basispunkte. Die Transaktion: Sustainability-linked Bond EmissionApril 2021Volumen300 Millionen EuroLaufzeitbis 2028Kupon2,5 ProzentStep-up25 BasispunkteKPI-Prüfungim Jahr 2025KPICO₂-IntensitätQuelle: Hapag-Lloyd Green-Finance-Markt braucht gute Gatekeeper Am Green-Finance-Markt hat sich für diese Step-ups bei Sustainability-linked Bonds noch kein Standard gebildet. Warum haben Sie genau 25 Basispunkten gewählt und nicht mehr?Uns erschien dieser Step-up passend. Wir wollten, dass der Mechanismus marktfähig ist und gleichzeitig für uns ein akzeptables Risiko aufweist. Wir haben uns in dieser Frage auch von den Banken beraten lassen. Den begleitenden Banken kommt an diesem Markt eine sehr wichtige Rolle zu. Inwiefern kommt den Banken eine sehr wichtige Rolle zu?Sie müssen als Gatekeeper dienen und Qualitätsprodukte an den Markt bringen. Gleichzeitig müssen sie dafür sorgen, dass alles Grüngewaschene draußen bleibt. Da alle aktuell über dieses Thema sprechen und es vor sich hertragen, steigt nämlich auch das Risiko von Greenwashing. Wir haben bei der Auswahl unserer Bankpartner Häuser ins Boot geholt, die aus unserer Sicht im Green-Finance-Markt gut positioniert sind und es ernst meinen. Wie groß schätzen Sie denn das Risiko von Reputationsschäden ein, die durch Greenwashing an dem Markt für grüne Finanzierungen und Investitionen entstehen könnten?Ich sehe in einzelnen Fällen von Greenwashing keine dramatische Entwicklung, sondern eher ein normales Phänomen. Der Markt muss noch eine steile Lernkurve hinlegen. Mit dem wachsenden Bewusstsein werden dann auch diejenigen, die Greenwashing betreiben, stärker abgestraft werden. Insgesamt glaube ich, dass der grüne Preisvorteil sich systematisch im Markt festsetzen wird. Wer nicht nachhaltig agiert, wird wohl künftig einen Malus akzeptieren müssen. Wir spüren diese Relevanz bereits jetzt in jedem Bankgespräch: ESG wird immer als eines der ersten Themen angesprochen.antonia.koegler[at]finance-magazin.de

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