Was nützen Green Bonds wirklich?

Das Jahr 2007 markiert den Anfang: Damals platzierte die Europäische Investitionsbank den ersten Green Bond. Seitdem haben sich die nachhaltigen Projektfinanzierungen rasant verbreitet und sind das etablierteste Green-Finance-Instrument. Bei solchen Papieren müssen Emittenten konkret auflisten, was mit dem Geld finanziert wird. Doch wer kann die Papiere überhaupt einsetzen? Und welche Projekte finanzieren deutsche Unternehmen mit diesen Bonds? Zeit für eine Zwischenbilanz. Die Nutzung von Green Bonds setzt ein ausreichend großes Portfolio an nachhaltigen Projekten voraus, die finanziert werden müssen. Green Bonds und nachhaltige Schuldscheine eignen sich deshalb vor allem für Unternehmen, deren Geschäftsmodell einen hohen Anteil an nachhaltigen Geschäftstätigkeiten aufweist – etwa Energieversorger, die im Bereich der erneuerbaren Energien aktiv sind. Der Energiekonzern E.on ist beispielsweise ein „Frequent Issuer“ an dem Markt. Mit dem Erlös werden Assets aus den Kategorien Stromnetze, erneuerbare Energien, Energieeffizienz und E-Mobilität finanziert, wobei der Schwerpunkt nach Angaben des Konzerns auf dem Bereich Stromnetze liegt. Und das Potential für weitere grüne Emissionen ist groß: Ende 2020 umfasste das Portfolio an qualifizierten Projekten 16,7 Milliarden Euro – dem gegenüber steht ein Green-Bond-Volumen von derzeit 5,35 Milliarden Euro. Automotive entdeckt Green Bonds für sich In den vergangenen Jahren hat zudem noch eine weitere Gruppe von Unternehmen den Markt für Green Bonds für sich entdeckt: solche, die vor einer umfassenden Transformation stehen und deshalb hohen Investitionsbedarf haben. Dazu zählt beispielsweise die Immobilienbranche – Stichwort Energieeffizienz – oder der Automobilsektor, der sich auf dem Weg zur E-Mobilität befindet. Und so finden sich auf der Liste der deutschen Unternehmen, die den Markt bereits angezapft haben, Namen wie VW, Daimler, Porsche sowie die Immobilienkonzerne Vonovia und Deutsche Wohnen. Bei dem Automobilkonzern Volkswagen, der 2020 sein Green-Bond-Debüt gegeben hat, beläuft sich das ausstehende Volumen der grünen Anleihen derzeit auf 2 Milliarden Euro, die bereits voll allokiert sind. Die im Green Finance Framework definierten nachhaltigen Projekte belaufen sich auf 3,6 Milliarden Euro. Der Erlös fließt gezielt in die E-Offensive der Wolfsburger. Für die Finanzierung des E-Modells Porsche Taycan hat die VW-Tochter Porsche AG zudem 2019 einen grünen Schuldschein platziert, dessen Erlös über 1 Milliarde Euro ausschließlich in dieses Projekt geflossen ist. Wofür werden Green Bonds eingesetzt? UnternehmenInstrumentVolumenVerwendungszweckReportingBASFGreen Bond1 Mrd. EuroProjekte aus den Kategorien Accelerator Solutions, ChemCyclingTM und BatteriematerialienjaDeutsche WohnenGreen Bondsinsgesamt 1 Mrd. EuroErwerb und Bau klimaschonender Gebäude und energieeffiziente Sanierung der Beständesteht noch ausE.onGreen Bondsinsgesamt 5,35 Mrd. EuroStromnetze, erneuerbare Energien, Energieeffizienz und E-MobilitätjaMann + HummelGreen Schuldscheine, Green und ESG-linked Schuldscheininsgesamt 550 Mio. Euro und 150 Mio. Eurogrüne Produkte, grüne Produktionsprozesse oder grüne Investitionen in Produktionsstandorte, unter anderem in den Bereichen Luft- und Wasserfiltration sowie ElektromobilitätjaPorscheGreen Schuldschein1 Mrd. EuroPorsche TaycanjaRWEGreen Bond500 Mio. EuroWindkraft- und Solaranlagensteht noch ausSchaefflerGreen Schuldschein300 Mio. EuroProdukte für emissionsfreie Mobilität sowie Lagerlösungen für die klimaschonende Gewinnung von Energie durch Windkraftanlagen, Investitionen in eine nachhaltigere globale ProduktionjaVolkswagenGreen Bonds2 Mrd. EuroModularer E-Antriebsbaukasten (MEB) und die neuen BatteryElectric-Vehicle-Modelle ID.3 und ID.4jaVonoviaGreen Bond600 Mio. Eurounter anderem Investitionen in Gebäude, beispielsweise in Neubau- oder Modernisierungsprojektesteht noch ausZFGreen Bond500 Mio. EurElektromobilität und Windkrafttechnologien steht noch ausQuelle: FINANCE-Recherche Auch die Zulieferer des Sektors haben den Markt für sich entdeckt: ZF Friedrichshafen hat in diesem Frühjahr einen 500 Millionen Euro schweren Green Bond platziert. Das Geld fließt in Elektromobilität und Windkrafttechnologien. Die Anleihe ist aber noch so jung, dass das erste Reporting über die Verwendung des Erlöses noch aussteht. Branchenkollege Schaeffler sammelte bereits 2020 mit einem Green Schuldschein 300 Millionen Euro für die Refinanzierung eines nachhaltiges Projektportfolios ein, unter anderem aus dem Bereich emissionsfreie Mobilität. Neue Variationen am Green-Finance-Markt Unter den Nutzern von Green Bonds und Co. gibt es einige, wie RWE oder E.on, die bei anderen Transaktionen auch auf einen ESG-Link setzen. Einige der Befragten äußern sich gegenüber ESG-Links allerdings zurückhaltend. Beispiel Volkswagen: „Die Automobilindustrie ist ein Sektor mit hohen Capex.“ Aus Sicht des Konzerns sei daher der „Use of Proceeds“-Ansatz besser geeignet, hieß es auf Anfrage von FINANCE. Alles zum Thema Green Finance Sie interessieren sich für Finanzierungen mit ESG-Bezug? Alle wichtigen News finden Sie hier. Mehr lesen Auch ZF sagt, man habe sich vorerst gegen einen ESG-linked Bond entschieden. Zum einen sei das Produktportfolio sehr breit aufgestellt, was die Fokussierung auf eine Kennzahl über alle Geschäftsfelder hinweg schwierig mache. Zum anderen sei für ZF „die Definition konkreter grüner Projekte mit einem nachweisbaren Effekt auf die Nachhaltigkeitsziele der im Hinblick auf die CO2-Reduktion transparentere Ansatz“. Bislang gibt es nur ganz wenige Unternehmen, die bei einer Transaktion gleich beide Varianten einsetzen. Eines davon ist der Zulieferer Mann + Hummel, der sich bereits 2017 mit einem Green Schuldschein einen Namen als Vorreiter in diesem Segment gemacht hatte, und in diesem Jahr einen Schuldschein platzierte, der beide Elemente vermischt: Die Transaktion ist sowohl grün als auch ESG-linked. Je nachdem, wie sich das ESG-Rating der Nachhaltigkeitsagentur Ecovadis verändert, verbessert oder verschlechtert sich die Zinsmarge um 5 Basispunkte. Green Bonds in der Kritik Zum Verwendungszweck teilte Dominik Paschinger, Vice President Group Treasury bei Mann + Hummel, Folgendes mit: Im Grundsatz seien alle Green Schuldscheine aus den Jahren 2017 bis 2021 „Refinanzierungsmaßnahmen bereits getätigter Ausgaben“ gewesen. Mit einer reinen Refinanzierungstransaktion grüner Projekte ist Mann + Hummel bei weitem nicht allein. Dass einige Marktteilnehmer das Vorgehen kritisch sehen, hat den Platzierungen offenbar keinen Abbruch getan. Die Nachfrage nach allem, was grün ist, ist enorm. Das führt wiederum dazu, dass CFOs mit nachhaltigen Bonds und Schuldscheinen derzeit bessere Konditionen im Vergleich zu klassischen Transaktionen erzielen können. „Fraglich ist, ob das sogenannte Greenium – also der Preisvorteil gegenüber konventionellen Bonds – Bestand haben wird“, kommentiert ESG-Experte Jan Rabe von Metzler Asset Management. Bei gleichem Emittentenrisiko ändere sich die Ausfallwahrscheinlichkeit zwischen einem nachhaltigen und nicht-nachhaltigen Bond nicht. „Fraglich ist, ob das sogenannte Greenium Bestand haben wird“Jan Rabe, Metzler AM Offene Fragen zum Preismechanismus bei ESG-Faktoren Noch ist unklar, wie lange Unternehmen von diesem Preisvorteil profitieren können. Ebenfalls interessant wird sein, wie sich der Preismechanismus bei ESG-linked Krediten oder ESG-linked Bonds entwickeln wird. Viele Fragen sind noch offen, Antworten muss der Green-Finance-Markt schnell liefern. Denn mit einer Positionierung als besonders nachhaltig orientiertes Unternehmen geht auch ein Reputationsrisiko einher. Das sieht man aktuell an der Greenwashing-Debatte in der Asset-Management-Branche. Die dürfte auch an den Nutzern grüner Finanzierungsinstrumente nicht spurlos vorübergehen. antonia.koegler[at]finance-magazin.de Info Schon gelesen? Die FINANCE-Zwischenbilanz zu ESG-linked Loans. Welche Unternehmen konnten ihre Margen verbessern und welche mussten draufzahlen?

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