Quasi über Nacht ist Knorr-Bremse-Eigentümer Heinz Herrmann Thiele im Rahmen einer Kapitalerhöhung zum Mehrheitsaktionär des Bahninfrastrukturanbieters Vossloh geworden. Thiele war über seine Beteiligungsgesellschaft Stella Vermögensverwaltung mit bisher 47 Prozent bereits größter Aktionär. In der vergangenen Nacht erwarb er nun über 1,2 Millionen zusätzliche Aktien. Insgesamt hat Vossloh im Rahmen einer Kapitalerhöhung knapp 1,6 Millionen Papiere ausgegeben. Damit erhöht sich Thieles Anteil an Vossloh auf 50,1 Prozent. Seine ersten Vossloh-Aktien erwarb Thiele Anfang 2011. Zwei Jahre später stockte er dann auf eine Sperrminorität auf, was im Unternehmen seinerzeit nicht jeden erfreute.
In dieser Phase notierte die Vossloh-Aktie zwischen 70 und 90 Euro. Die 10-prozentige Kapitalerhöhung wurde gestern Nacht aber zu einem Preis von lediglich 30,70 Euro je Aktie platziert. Thiele ließ sich die Aufstockung damit über 38 Millionen Euro kosten. Insgesamt kann sich Vossloh-CFO Oliver Schuster vor Provisionen und Kosten über frisches Eigenkapital in Höhe von rund 49 Millionen Euro freuen. Mit dem frischen Kapital will der Mittelständler aus dem Sauerland seine „finanzielle Flexibilität für zukünftiges Wachstum“ verbessern sowie Schulden abbauen. Vossloh ist an der Börse nun rund 550 Millionen Euro wert.
Vossloh platziert auf sehr tiefem Niveau (10-Jahres-Chart)
Zeitpunkt der Vossloh-Kapitalerhöhung erregt Kritik
Was Thiele in die Karten spielte, kommt am Markt aber nicht gut an: Die neuen Aktien wurden zum tiefsten Kurs seit über 13 Jahren platziert. Die Analysten von MM Warburg bezeichnen den Zeitpunkt der Kapitalerhöhung als „sehr unglücklich, besonders da das Management für 2020 einen beachtlichen Gewinnzuwachs verspricht“. Der von Warburg konstatierte „Mangel an Geduld“ nährt Zweifel an der Zuverlässigkeit der Turnaround-Versprechen – zumal Vossloh nach Ansicht von Warburg „nicht über Gebühr verschuldet wirkt“.
Die Verschuldungsrelationen zum Jahreswechsel beziffert die Privatbank auf ein Gearing von 60 Prozent und einen Zinsdeckungsgrad von 4x. Seit Jahresbeginn sind die Nettofinanzschulden jedoch schon wieder um 20 Prozent von 307 auf 370 Millionen Euro gestiegen. Vossloh erklärt den Anstieg in seinem Bericht für das erste Quartal 2019 mit „saisonal-bedingten negativen Free Cashflows sowie Zinszahlungen“. Die Eigenkapitalquote sank in Folge dessen von 41 auf 35 Prozent.
FINANCE-Köpfe
Vossloh hadert mit Konzernfinanzen
Vosslohs Hauptproblem ist eine seit Jahren anhaltende Ertrags- und Cashflowschwäche. Zudem wurden Kosteneinschnitte nur zaghaft vorgenommen. Jetzt will das Management aber liefern und verspricht: „Erforderliche Entscheidungen werden in diesem Jahr getroffen und umgesetzt.“ Dazu zählen ein Personalabbau um 5 Prozent, Einschnitte bei Gemeinkosten und Investitionen sowie intensivere Maßnahmen zur Senkung des Working Capitals.
Immerhin ist die Nachfrage intakt: Im ersten Quartal stieg der der Auftragseingang um über 30 Prozent. Besonders Schienenbefestigungssysteme und Betonschwellen waren stark gefragt. Die Book-to-Bill-Ratio – das Verhältnis von Auftragseingang zu Umsatz – lag bei dem Faktor 1,48.
Insgesamt beträgt der Auftragsbestand 513 Millionen Euro. Das entspricht etwa einem halben Jahresumsatz. Dieser soll in diesem und im nächsten Jahr zwischen 900 Millionen und 1 Milliarde Euro liegen. Beim Gewinn vor Zinsen und Steuern verspricht Vossloh für 2019 einen Wert zwischen 50 und 60 Millionen Euro, ungefähr so viel wie im Vorjahr. 2020 soll das Ebit dann auf 65 bis 80 Millionen Euro steigen. So viel hat der Konzern seit 2012 nur in einem einzigen Jahr verdient. „2020 wäre wohl ein klügerer Zeitpunkt für eine Kapitalerhöhung gewesen“, bemängelt Warburg. Allerdings enthalten die Gewinnprognosen noch keine Sonderkosten, die im Zuge der angekündigten Einschnitte anfallen würden. Deren genaue Höhe ist noch unbekannt.