Die Aktie von Rocket Internet fällt immer tiefer. Bis Freitagmorgen ist in der laufenden Handelswoche bislang schon wieder ein Kursverlust von rund 7 Prozent aufgelaufen. Das ist fast so viel wie in der Vorwoche, als Rocket Internet 9 Prozent an Börsenwert verlor. Inzwischen notiert die Rocket-Aktie nur noch bei 27 Euro.
Die Aktie befindet sich schon seit Februar in einem steilen Abwärtstrend. Damals notierte das Papier noch bei 56 Euro, seitdem geht es in großen Schritten nach unten. Im März verlor die Aktie 10 Prozent, im April 3 Prozent und im Mai wieder 8 Prozent. Von Ende Mai bis Mitte Juli stabilisierte sich der Kurs, aber dann startete eine noch rasantere Talfahrt: Von Mitte bis Ende Juli brach Rocket um 20 Prozent ein, seitdem ging es nochmal um über 16 Prozent runter. Die Underperformance zum breiten Markt ist eklatant: Während sich die Rocket-Aktie seit Mitte Februar halbiert hat, konnte der Technologie-Index TecDax um 17 Prozent zulegen – ein Kursdebakel.
Hat CFO Peter Kimpel die Investoren falsch eingeschätzt?
Bei der Ursachenforschung rücken die beiden großen Kapitalbeschaffungsaktionen dieses Jahres in den Blick. Mit der Ausgabe von 12 Millionen neuen Aktien nahm Rocket-Internet-CFO Peter Kimpel Mitte Februar 588 Millionen Euro ein. Der Deal verwässerte die Altaktionäre um knapp 8 Prozent. Damit ging der Kursrutsch los.
Mitte Juli platzierte Peter Kimpel eine Wandelanleihe über 550 Millionen Euro. Würden die Investoren nach Ablauf der siebenjährigen Laufzeit die Anleihe in bis zu 11,5 Millionen neue Aktien wandeln, würde sich die Position der Altaktionäre um weitere 7 Prozent verwässern. Der Wandlungspreis liegt bei 47,54 Euro pro Aktie, weit weg vom aktuellen Kurs. Entsprechend notiert der Wandler inzwischen mit Kursen um 92 auch schon weit unter Nennwert. Mit diesem Deal beschleunigte sich die Talfahrt. Rocket Internet nutzte die frisch eingenommene Milliarde hauptsächlich zur Aufstockung des Anteils an dem Essensbringdienst Delivery Hero, der seitdem als Börsenkandidat gilt.
Rocket kontrolliert inzwischen 40 Prozent der Delivery-Hero-Anteile. Allerdings tauchen immer wieder Berichte auf, die nahelegen, dass die Berliner es trotzdem nicht schaffen, gegenüber den Gründern und den übrigen Anteilseignern durchzuregieren. Im Gegenteil: Weil Rocket in bestimmten Teilen der Welt eigene Lieferdienste aufbaut, die Delivery Hero als Konkurrenz betrachtet – allen voran Foodpanda –, scheint im Eigentümerkreis gegenüber dem Hauptgesellschafter ein gewisser Argwohn zu herrschen.
Rocket Internet prognostiziert Milliardengewinne für Delivery Hero
Die Rechnung von Rocket Internet zum Potential von Delivery Hero verfängt bei den Investoren bislang nicht. Die Berliner glauben, dass der globale Takeaway-Markt bis 2019 auf ein Volumen von 90 Milliarden Dollar anwachsen wird. Unter der Annahme einer wachsenden Durchdringung dieses Marktes mit Online-Bestellungen prognostiziert Rocket für das Jahr 2019 ein weltweites Umsatzpotential von 7,6 Milliarden Euro, das die verschiedenen Anbieter mit einer Gewinnmarge vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 45 Prozent abschöpfen könnten. Ein Ebitda-Potential von 3,4 Milliarden Euro sei also zu vergeben und Delivery Hero der weltweit am besten positionierte Anbieter, um diesen Markt zu dominieren, so Rocket.
Noch ist davon freilich nichts zu sehen: 2014 hat Delivery Hero bei einem Umsatz von 88 Millionen Euro einen Ebitda-Verlust von 70 Millionen Euro ausgewiesen, fast dreimal so viel wie im Jahr davor. Foodpanda hat 2014 sogar nur magere 6,7 Millionen Euro umgesetzt, dabei aber auf Ebitda-Ebene über 30 Millionen Euro verbrannt.
Der Markt glaubt nicht an Milliardendeal mit Hello Fresh
Die – möglicherweise aus dem Rocket-Umfeld – durchgesteckten angeblichen Börsenpläne von Hello Fresh, einer weiteren zentralen Rocket-Beteiligung, haben die negative Haltung der Investoren gegenüber Rocket nicht drehen können. Hello Fresh liefert seinen Kunden Boxen mit frischen Zutaten, aus denen diese dann ein Gericht zaubern können. Die Kennzahlen von Hello Fresh sehen immerhin besser aus als die von Delivery Hero und Foodpanda: 2014 bilanzierte Hello Fresh bei einem Umsatz von 70,1 Millionen Euro „nur“ einen bereinigten Ebitda-Verlust von 11,9 Millionen Euro.
Es gab Berichte, wonach Hello Fresh im vierten Quartal dieses Jahres in Deutschland an die Börse gehen und dabei einen Marktwert von über 1 Milliarde Euro erzielen könnte. Rocket hält 51,7 Prozent an Hello Fresh. Eine derartige Post-IPO-Bewertung würde dazu führen, dass Rocket – selbst nach einer möglichen Verwässerung der Anteile – mit einem Hello Fresh-IPO ein Wertpotential von mehreren hundert Millionen Euro aufdecken könnte. Der Kursverlauf zeigt, dass auch diese Fantasie-Rechnung derzeit kaum jemand ernst nimmt.
Rocket Internet ist noch immer ambitioniert bewertet
Und trotz der starken Kursverluste erscheint die Marktbewertung von Rocket Internet noch immer ambitioniert. Aktuell beläuft sich der Börsenwert auf rund 4,4 Milliarden Euro. Bei der neuesten Finanzierungsrunde wurde Delivery Hero mit 3,1 Milliarden US-Dollar bewertet (rund 2,8 Milliarden Euro). Auf dieser Basis wäre Rockets 40-Prozent-Stake gut 1,1 Milliarden Euro wert.
Die übrigen Beteiligungen wie zum Beispiel Foodpanda, die Online-Möbelshops Westwing und Home24 oder die „Global Fashion Group“, in der Rocket Zalando-Klone in Schwellenländern hochzieht, müssten demnach bis zu 3 Milliarden Euro wert sein, wenn man die Cash-Position der Rocket-Holding abzieht, deren genaue Höhe aktuell nicht bekannt ist. Viel Holz für ein Bündel von Online-Start-ups.
Info
Vom IPO bis zu den Finanzierungsrunden bei Delivery Hero: Eine Übersicht über die Rocket-Deals finden Sie auf unserer FINANCE-Themenseite zu Rocket Internet.