Die europäische Ratingagentur Scope trifft es derzeit doppelt hart. So muss das Berliner Unternehmen an zwei Fronten Stellung beziehen – und hat kürzlich in beiden Fällen eine Schlappe kassiert.
Am ersten Schauplatz muss sich Scope bereits seit 2017 vor dem Berliner Landgericht für seine Bonitätsbewertung im Fall der MS Deutschland, die 2014 in die Insolvenz ging, verantworten. Nun ist dort zum ersten Mal einer klagenden Privatanlegerin Recht zugesprochen worden. Die Kanzlei der Klägerin, Schirp & Partner, warf Scope eine fehlerhafte Bewertung des 60 Millionen Euro schweren Mini-Bonds vor.
Die Berliner hatten die Mittelstandsanleihe damals mit „A“ bewertet. Allerdings lag das Rating des Emittenten, der MS Deutschland Beteiligungsgesellschaft mbH, seinerzeit nur bei „CCC+“. „Die Anleger vertrauten auf das „A“-Rating, das die Ratingagentur Scope für die Anleihe herausgegeben hatte und das eine hohe Sicherheit der Anleihe signalisiert“, erklärt die Kanzlei in einer Mitteilung.
Scope muss Schadensersatz zahlen
Scope hatte sich bei dem Rating am Schiffswert von MS Deutschland orientiert, der bei 77 Millionen Euro liegen sollte. Tatsächlich war aber der Wert des Schiffes am Ende nur etwa ein Viertel so hoch, heißt es in der Mitteilung. Insbesondere wirft die Kanzlei der Agentur vor, damals keine eigenständige Wertüberprüfung des Schiffes vorgenommen zu haben. Bereits 2017 hatte der damalige Scope-Rating-Chef Torsten Hinrichs einem solchen Vorwurf widersprochen. „Zwei Gutachter sind unabhängig voneinander zu dem Ergebnis gekommen, dass der Verkehrswert der MS Deutschland zum Zeitpunkt des Ratings bei etwa 70 Millionen Euro lag“, sagte er damals gegenüber FINANCE.
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Das Urteil des Landgerichts Berlin spricht nun eine andere Sprache. Scope habe „völlig unkritisch gerade ein einziges, für sich zudem relativ aussageloses Kurzgutachten herangezogen, welches auch noch im Auftrag der Emittentin selbst erstellt wurde, und dessen Wert schlicht eins zu eins übernommen“, urteilt es jetzt. „Die Fehlerhaftigkeit des Ratings steht zur Überzeugung des Gerichts fest.“ Scope habe durch sein Rating „eine Unbedenklichkeit bescheinigt, die trügerisch war, und damit die Gefahr für die Anleger erhöht“, heißt es weiter. Demnach sprach das Gericht der Klägerin einen Schadensersatz in Höhe von rund 6.000 Euro zu.
Geht Scope in Revision?
„Das ist unseres Wissens das erste Urteil, das in Deutschland die Haftung einer Ratingagentur bejaht hat“, sagte Susanne Schmidt-Morsbach, Rechtsanwältin bei Schirp & Partner. Für sie sei nun der Weg frei, „um Ratingagenturen, Treuhänder und Wirtschaftsprüfer in die Haftung zu nehmen, wenn sie unverantwortliche Anlagemodelle unterstützen.“
Ein Sprecher von Scope wollte sich jetzt auf FINANCE-Nachfrage nicht zum Rechtsstreit und dem aktuellen Urteil äußern. Mit Blick auf ein anderes Urteil ist allerdings denkbar, dass die Ratingagentur in die Revision gehen wird. So urteilte die 10. Zivilkammer des Landgerichts Berlin in einem ähnlichen Rechtsstreit zugunsten von Scope. Nach der Meinung des Gerichts damals könne nicht festgestellt werden, ob „das behauptete fehlerhafte Rating der Beklagten für die Anlageentscheidung des Klägers und damit für den geltend gemachten Schaden ursächlich war“.
Esma legt Scope hohe Strafe auf
Das jetzige Urteil dürfte bitter sein für die mittelständische Ratingagentur, die sich als europäisches Pendant zu den großen US-Ratingagenturen S&P, Moody’s und Fitch sieht. Und fast zeitgleich mit der Bekanntmachung dieses Urteils sorgte Scope mit einer anderen Entwicklung für Aufsehen, die die Agentur noch deutlich teurer zu stehen kommt: Die europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Esma hat Scope eine Strafzahlung in Höhe von 640.000 Euro auferlegt. Scope hat diese bereits akzeptiert.
Die Esma bemängelt Scopes Bewertungsprozess für Anleihen und begründet dies mit zwei Punkten: Erstens habe Scope die im Jahr 2015 selbstaufgestellte Methodik zur Bewertung von Covered Bonds (Pfandbriefe) nicht systematisch angewandt. Zweitens habe die Ratingagentur die Pariser Behörde ein Jahr später nicht informiert, als das Verfahren weitreichend verändert wurde.
In einer offiziellen Stellungnahme weist Scope darauf hin, dass es vor fünf Jahren „versehentlich“ relevanten Teile der EU-Gesetzgebung zu Ratingagenturen anders ausgelegt habe. Trotz der Strafe sehen die Berliner Bonitätswächter die Genauigkeit, Unabhängigkeit und Robustheit der damals ausgegebenen Ratings für gedeckte Schuldverschreibungen nicht in Frage gestellt.
martin.barwitzki[at]finance-magazin.de
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