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Trotz Covenant-Bruch: Ekosem-Agrar will an die Börse

Produktion von Milchprodukten bei Ekosem-Agrar: Das Unternehmen bereitet sich auf einen Börsengang vor.
Ekosem-Agrar

Immer mal wieder hatte der Mini-Bond-Emittent Ekosem-Agrar mit einem Börsengang geliebäugelt, nun nimmt dieser konkretere Züge an. Der Milchproduzent hat seine Rechtsform in eine Aktiengesellschaft geändert, teilte das Unternehmen mit. Hintergrund sei „ein beabsichtigter Börsengang“. Die Vorbereitungen haben Ekosem zufolge bereits begonnen.

Für die Umsetzung der Börsenpläne holt Ekosem einen alten Bekannten zurück. Wolfgang Bläsi fungiert nun wieder als CFO, nachdem er das Amt bereits von 2010 bis 2016 ausgeübt hatte. Danach hatte er sich selbstständig gemacht, und die Führung der Ekosem-Finanzabteilung verlagerte sich von der deutschen Managementholding hin zur operativen Gesellschaft nach Russland. CEO des Unternehmens ist unverändert der Gründer Stefan Dürr, der inzwischen russischer Staatsbürger ist.

Ekosem-Agrar profitiert von erheblichem Buchgewinn

Weit fortgeschritten sind die Börsenpläne freilich noch nicht, erklärte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage von FINANCE. Der Zeitpunkt sei noch völlig offen, man habe mit dem Rechtsformwechsel nur den ersten Schritt gemacht. Neben dem fehlenden Zeitplan sind auch die anderen wesentlichen Punkte noch vage: Man sei sich noch nicht im Klaren über das angestrebte Volumen des Börsengangs, selbst die Wahl des künftigen Börsenplatzes ist noch offen.

Vor dem Hintergrund der Unternehmensstruktur dürften zwei Börsenplätze in Frage kommen – Frankfurt oder Moskau. Denn Ekosem-Agrar ist die deutsche Holding des russischen Milchproduzenten Ekoniva. Das Unternehmen hat zwei Mittelstandsanleihen über 130 Millionen Euro ausstehen, weshalb es am deutschen Kapitalmarkt bereits bekannt ist – wenn auch nicht nur im Guten. 

Vor zweieinhalb Jahren musste das Management seine Anleihegläubiger um eine Verlängerung der Laufzeit der Bonds bitten, weil Ekosem das nötige Geld für die Rückzahlung nicht aufbringen konnte. Die Verlängerung hatte der nun zurückgekehrte CFO Bläsi verhandelt, am Ende erfolgreich. Die Laufzeiten der beiden Anleihen, die 2017 und 2018 ausgelaufen wären, wurden um jeweils vier Jahre verlängert. Einen finanziellen Ausgleich dafür erhielten die Bondholder nicht.

Aber die Lage von Ekosem-Agrar hat sich seit dieser schwierigen Zeit, die von der Einführung der Russland-Sanktionen und dem Einbruch des russischen Rubels geprägt war, wieder stabilisiert. Das Unternehmen wächst stetig, der Umsatz ist 2017 um fast 50 Prozent auf 174,6 Millionen Euro angeschwollen. Der bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) stieg von 31,9 auf 44,5 Millionen Euro. Zudem profitierte Ekosem von einem Buchgewinn aus M&A-Tätigkeiten in Höhe von fast 30 Millionen Euro, der in dem Ebit-Wert nicht berücksichtigt ist.

FINANCE-Köpfe

Wolfgang Bläsi, Ekosem-Agrar AG

1997 startet Bläsi seine berufliche Laufbahn als Trainee in der internen Revision des Burda-Verlags. Danach wechselt er 1999 als Assistent der Geschäftsleitung zum SAP-Beratungshaus Novasoft und bereitet dessen IPO am Neuen Markt vor. Ab 2001 leitet er  das Rechnungswesen und die Kommunikation. Bis 2007 ist er auch Finanzvorstand des inzwischen vom US-Unternehmen Ciber übernommenen Konzerns.

Im Anschluss startet Bläsi eine Unternehmensberatung im Bereich Klimaschutz, wechselt jedoch im April 2008 als Finanzchef zum Landwirtschaftsunternehmen KTG Agrar. Dieses Amt legt er zum 30. September 2009 nieder.

Im März 2010 wird Bläsi Geschäftsführer und CFO von Ekosem Agrar sowie des Landmaschinenherstellers Ekotechnika, ein Schwesterunternehmen Ekosems. Er verantwortet die IFRS-Abschlusserstellung, die Unternehmensfinanzierung sowie das Legal Restructuring.

Im September 2016, nachdem bei beiden Unternehmen die ausstehenden Mittelstandsanleihen restrukturiert wurden, steigt Bläsi bei Ekosem und Ekotechnika aus. Zwischenzeitlich arbeitet er als selbstständiger Finanzierungsberater und agiert unter anderem bei der Restrukturierung der Mittelstandsanleihe des Sanitärausrüsters Sanha. Im August 2018 holt Ekosem Bläsi zurück: Als CFO soll er dabei mithelfen, den russischen Agrarbetrieb mit deutscher Holding an die Börse zu führen.

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Ekosem baut auf Wohlwollen russischer Banken

Neue Entwicklungen zeigen aber auch: Ein Umdenken hat der Bußgang zu den Bondholdern bei Firmenchef Dürr offensichtlich nicht ausgelöst, ebenso wenig die Tatsache, dass der operative Netto-Cashflow in den beiden vergangenen Jahren negativ war. Dürr setzt nach wie vor voll auf Expansion, was im kapitalintensiven Agrargeschäft traditionell tiefe Spuren in der Bilanz hinterlässt.

Dieser Kurs hat Ekosem nun schon wieder in eine schwierige Lage gebracht: Wie aus dem aktuellen Geschäftsbericht hervorgeht, hat der Konzern im vergangenen Jahr Kreditklauseln gebrochen. Das Nichteinhalten der sogenannten Covenants hat dazu geführt, dass eigentlich langfristige Verbindlichkeiten gegenüber Banken nun kurzfristig bilanziert werden müssen. Die kurzfristigen Finanzverbindlichkeiten beliefen sich Ende 2017 auf fast 140 Millionen Euro.

Die betroffenen Kredite wurden in großen Teilen von russischen Geldgebern zur Verfügung gestellt, hauptsächlich Banken. Ekosem muss nun darauf hoffen, dass sie Dürrs Expansionskurs weiter stützen, denn der Landwirt will nun in die Milchverarbeitung einsteigen. Der Aufbau und der Zukauf von Molkereien würde aber erneut Investitionen in stattlicher Millionenhöhe erfordern. Immerhin genießt Ekosem die Unterstützung des Kreml. In Folge der Sanktionen des Westens, die auch Lebensmittelexporte nach Russland betreffen, fördert Moskau die einheimische Nahrungsmittelindustrie, wo es nur geht.

Schuldenberg von über einer halben Milliarde Euro

Trotz der guten geschäftlichen Aussichten türmen sich die Schulden von Ekosem-Agrar wieder bedrohlich auf. Die Nettofinanzschulden beliefen sich Ende 2017 auf über 560 Millionen Euro – das 8-fache des um Einmaleffekte bereinigten Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 70 Millionen Euro. Die langfristigen Schulden sind aufgrund neuer besicherter Bankdarlehen von 185 Millionen Euro (2016) auf fast 400 Millionen Euro (2017) explodiert.

Mit dem Geld will Ekosem in Milchviehanlagen investieren. Die Kredite seien zu einem großen Teil zinssubventioniert, so ein Sprecher von Ekosem-Agrar. Außerdem zeichnet sich ab, dass die russische Regierung nach Fertigstellung nicht rückzahlbare Investitionszuschüsse gewähren könnte, die sich später im Cashflow widerspiegeln würden.

Zu der Frage, ob ein möglicher IPO-Erlös in die Kredittilgung oder in zusätzliche Investitionen fließen würde, wollte der Unternehmenssprecher keine Stellung beziehen. Zur Begründung verwies er darauf, dass Ekosem sich noch ganz am Anfang des IPO-Projekts befinde. 

Anleihegläubiger reagieren erfreut auf IPO-Pläne

Für die – hauptsächlich in Deutschland ansässigen – Anleihegläubiger wäre ein erfolgreicher Börsengang eine gute Nachricht, da er das Eigenkapital stärken würde. Dadurch stiege die Wahrscheinlichkeit, dass Ekosem-Agrar im zweiten Anlauf seine Anleihen zurückzahlen kann. Die Gläubiger reagierten entsprechend erfreut. Hatten die Anleihepapiere die vergangenen Jahre stets unter Par notiert, sprangen diese in Folge der IPO-Ankündigung erstmals wieder auf Werte von über 100 Prozent.

CFO Wolfgang Bläsi muss nun dafür sorgen, dass die enorme Verschuldung von Ekosem wieder stärker in den Blick der Unternehmensstrategen gerät. Gleichzeitig muss Bläsi  Vertrauen am Kapitalmarkt aufbauen – durch die Verlagerung der Finanzabteilung nach Russland hatte Ekosem seine Investorenarbeit zuletzt nicht gerade gestärkt. Bläsis Mission ist nicht einfach, schließlich dürften potentielle Equity-Investoren der wiederholten finanziellen Laissez-faire-Einstellung der Unternehmensführung noch kritischer gegenüberstehen als die Finanzgläubiger.

Ekosem-Agrar-CFO Bläsi hat Erfahrung mit heiklen Situationen.

Erfahrungen mit heiklen Situationen hat Bläsi in der Zeit nach seinem Ausstieg bei Ekosem einige gemacht. So wurde er in höchster Not von den Gläubigern zu dem Mini-Bond-Emittenten KTG Agrar  geschickt, um sich einen Überblick über dessen Finanzlage zu verschaffen. Doch nur wenig später brach KTG unter horrenden Schulden, dubiosen Bilanztricks und Führungsversagen spektakulär zusammen. Später vermittelte Bläsi zwischen Management, Investoren und Restrukturierern bei der Umschuldung von Sanha, einem Zulieferer der Sanitärindustrie. Auch dessen Mittelstandsanleihe musste prolongiert werden. Dort setzten die Bondholder jedoch signifikante Kompensationsleistungen durch.

Finanzielle Expertise hat sich Ekosem auch in den Aufsichtsrat geholt. In dem Kontrollgremium sitzt künftig Wolfgang Graf, der ehemalige CFO des Molkereikonzerns Ehrmann. Weitere Kontrolleure sind der Landmaschinenmanager Franz-Georg von Busse, der russische Berater Vladislav Novoselov und der Landmaschinenhändler Rolf Zürn.

jakob.eich[at]finance-magazin.de

Info

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