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SLM Solutions-Börsengang: „Nicht nur ein Hype”

SLM Solutions drängt an die Börse - manche Kritiker halten den 3D-Druck aber für eine Blase.
SLM Solutions

Am Markt für 3D-Druck herrscht Goldgräberstimmung, doch Kritiker warnen vor einer Blase. So manches 3D-Unternehmen wurde von der Börse hochgejubelt – und befindet sich schon lange wieder im Sinkflug. Zum Beispiel Voxeljet: Das Unternehmen aus Bayern ist in den USA an die Börse gegangen und feierte einen vollen Erfolg. Der Kurs schnellte von anfangs 12 Dollar auf 70 Dollar und ist inzwischen wieder auf 17 Dollar herab gerutscht. SLM Solutions will es besser machen, ab 9. Mai ist es im Prime Standard der Frankfurter Börse gelistet und es soll viel Geld fließen: 75 Millionen Euro will das Lübecker Unternehmen sehen. Was mit dem Geld passieren soll und warum SLM Solutions sich als Marktführer betrachtet –  CEO Markus Rechlin und CFO Uwe Bögershausen stehen im FINANCE-Interview Rede und Antwort.

Herr Rechlin, Herr Bögershausen, SLM Solutions ist schon seit gut 15 Jahren im Bereich 3D-Druck mit Metallen aktiv – warum kommt der Börsengang gerade jetzt?
Rechlin: Dazu muss man zunächst sagen, dass wir ja nicht im Consumer-3D-Druck tätig sind, sondern im metallbasierten 3D-Druck, der von Industrieunternehmen zur additiven Fertigung komplexer Bauteile angewandt wird. Mithilfe von Metallpulvern können Unternehmen, die unsere Anlagen nutzen, beliebig geformte Bauteile herstellen, die im Vergleich zu mit Hilfe traditioneller Fertigungsverfahren gefertigten Bauteilen identische oder teilweise überlegene Eigenschaften aufweisen. Wenn es etwa um mechanische Stabilität oder Dichtigkeit geht, sind diese absolut vergleichbar mit gefrästen oder gegossenen Teilen. Die besonderen Vorteile des metallbasierten 3D-Drucks bestehen darin, dass wir ganz besonders komplexe Strukturen in einem Schritt herstellen können. Das ist zum Beispiel in den Bereichen Flugzeugbau, Orthopädie oder Zahnersatz relevant. Nun ist es so, dass auch große Firmen wie GE, Alstom oder Siemens in den vergangenen Jahren diese Technologien getestet haben und jetzt bereit sind, diese in ihre Produktionsprozesse zu integrieren. Vor diesem Hintergrund sehen wir den Markt jetzt an einem Wendepunkt und erwarten auch kurzfristig beschleunigtes Wachstum in der Nachfrage. Daher scheint uns der Zeitpunkt genau richtig für einen Börsengang. Unser Umsatz in unserem Kernsegment SLM (Selektives Laserschmelzen) ist ja schon zwischen den Jahren 2011 und 2013 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 99 Prozent gewachsen. Diesen Wachstumspfad wollen wir gerne mit großen Schritten fortsetzen.

Kaum eine Branche wird derzeit so gehyped wie der 3D-Druck, Optimisten prophezeien sogar die nächste industrielle Revolution. Gleichzeitig fallen Umsätze der Unternehmen noch recht mager aus, der Markt ist von Unsicherheit geprägt. Locken Sie die Investoren damit nicht in ein Risiko?
Rechlin: Das fühlt sich für mich nicht so an, weil wir ja tagtäglich mit unseren Kunden in Diskussion sind und diesen bereits angesprochenen Wendepunkt am Markt deutlich spüren. Und auch die Anlagen selbst sind in den letzten Jahren weiterentwickelt worden, vor allem im Hinblick auf Robustheit und Produktivität. Dank dieser Entwicklungen rechnen sich unsere Verfahren inzwischen für viele Anwendungen. Wie gesagt – dies basiert auf faktischen Schilderungen unserer Kunden und ist unseres Erachtens nicht nur ein Hype.

Und warum grade eine Finanzierung über die Ausgabe von Aktien und nicht etwa durch Anleihen?
Bögershausen: Wir haben uns für das Instrument des Eigenkapitals entschieden, weil es hier um eine klare Wachstumsfinanzierung geht und wir der Meinung sind, dass wir mit langfristigem Eigenkapital besser aufgestellt sind.

Wie sieht die Transaktionsstruktur aus? Sie planen eine Kapitalerhöhung und einen Teil-Exit der Altgesellschafter, richtig?
Bögershausen: Unser Aktienangebot setzt sich zusammen aus einer Kapitalerhöhung von rund 75 Millionen Euro und einem Anteilsverkauf aus dem Bestand unserer Altaktionäre. (Lesen Sie Details zur Transaktionsstruktur in der Infobox unter dem Text)

Der Verkauf durch die Altgesellschafter ist aber der größte Anteil…
Inklusive einer Greenshoe-Option könnte sich die Anzahl der aus dem Bestand unserer Altaktionäre angebotenen Aktien auf dann rund 7 Millionen Aktien erhöhen. Die festgesetzte Preisspanne bewegt sich zwischen 18 und 23 Euro, die Festsetzung des Platzierungspreises und die Zuteilung ist für den 8. Mai vorgesehen. Somit bewegt sich das Emissionsvolumen nach einer etwaigen Mehrzuteilung zwischen 202 und 238 Millionen Euro.

SLM gehört seit dem vergangenen Jahr zu 57 Prozent dem PE-Investor DPE Deutsche Private Equity. Wie wird die Beteiligung Post-IPO sein, zeichnet DPE mit?
Bögershausen: Wir pflegen ein vertrauensvolles Verhältnis zur DPE und die DPE wird uns auch nach dem Börsengang als Ankeraktionär erhalten bleiben. Die DPE hat uns in einer starken Wachstumsphase begleitet und vertritt ebenso wie wir die Überzeugung, dass sich der Markt nun am Wendepunkt befindet. Deshalb wird die DPE an Bord bleiben und unseren Wachstumspfad weiter unterstützen.
 
Sie setzen derzeit 21,6 Millionen Euro um, haben eine Ebit-Marge von 11,5 Prozent. Durch den Börsengang wollen Sie bis zu 75 Millionen Euro vor Emissionskosten erlösen, was wollen Sie mit dem Geld machen?  
Rechlin: Wir benötigen das Geld für drei Stoßrichtungen. Das ist einmal der Ausbau des globalen Vertriebsteams und Servicenetzwerks. Wir haben zurzeit zwei Standorte – unseren Hauptsitz in Lübeck sowie unsere US-Tochter in Detroit. Wir wollen näher an die Kunden heranrücken und auch den Service noch dichter am Kunden gewährleisten. Zudem wollen wir zukünftig nicht nur unsere Anlagen an unsere Kunden verkaufen, sondern auch das Verbrauchsmaterial für diese Anlagen, sprich das Metallpulver. Und nicht zuletzt wollen wir weiter in die Produktentwicklung, also in den F&E-Bereich, investieren. Wir sehen uns heute schon als Technologieführer im Bereich des metallbasierten 3D-Drucks und wollen unseren Vorsprung halten oder sogar weiter ausbauen.

Können Sie quantifizieren, wie viel Geld Sie in welche dieser Stoßrichtungen stecken wollen?
Bögershausen: Wir planen jeweils ein Drittel des uns zufließenden Emissionserlöses in die drei von Herrn Rechlin benannten Wachstumsinitiativen zu investieren.

Gibt es auch Verbindlichkeiten, die sie mit den Emissionserlösen begleichen wollen?
Bögershausen: Nein, Verbindlichkeiten werden daraus nicht bedient. Wir haben erst kürzlich ein Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital umgewandelt und haben im Moment keine weitere Verschuldung außer den üblichen Betriebsmittellinien.

Im vergangenen Herbst ist Ihr bayerischer Konkurrent Voxeljet, der 3D-Drucksysteme herstellt, ebenfalls an die Börse gegangen, allerdings nicht in Deutschland sondern an der US-Technologiebörse Nasdaq. Warum haben Sie sich für die Frankfurter Börse entschieden?
Bögershausen: Wir sind ein deutscher Anlagenbauer und für uns ist es nur natürlich, auch in Deutschland an die Börse zu gehen. Obwohl es sich beim 3D-Druck um eine globale Industrie handelt, sind die meisten Anbieter metallbasierter additiver Fertigungsverfahren in Europa angesiedelt. Aber wir blenden das Thema USA und die Investoren, die dort teilweise sehr spezialisiert auf Technologiethemen und insbesondere den 3D-Druck sind, nicht aus. Ganz im Gegenteil – wir erwarten uns auch von internationalen Investoren reges Interesse an unserem Börsengang und werden US-amerikanische Investoren unter der sogenannten Rule 144a ansprechen, die es ermöglicht, dass auch Unternehmen, die nicht bei der Securities and Exchange Commission registriert sind, Wertpapiere platzieren können. Wir haben also die Möglichkeit, die Investoren dort direkt anzusprechen und das wollen wir auch nutzen. Aber grundsätzlich sehen wir uns schon als deutscher Anlagenbauer, der an der deutschen Börse wunderbar aufgehoben ist.

Wo wird die Roadshow überall stattfinden? In Paris, Zürich, London, Amsterdam?

Bögershausen: Wir werden alle wichtigen Finanzzentren in Europa und Nordamerika besuchen.

Die Kritiker der Branche sagen, die Unternehmen der 3D-Branche an der Börse seien überbewertet. Auch Voxeljet hat  zuerst einen steilen Erfolg hingelegt, der Kurs ist von anfangs 13 Dollar auf fast 70 gestiegen und befindet sich jetzt im Sinkflug. Und auch andere Anbieter, z.B. Arcam, befinden sich derzeit im Korrekturmodus. Warum sollte das bei Ihnen anders sein?
Bögershausen: Die Beurteilung der Bewertung anderer Unternehmen überlassen wir anderen, wir bewerten nur unser Unternehmen. Und wir sind der Überzeugung, mit unserer klaren Ausrichtung auf metallbasierten 3D-Druck das attraktivste Wachstumssegment innerhalb des Gesamtmarktes zu besetzen. Wir streben eine faire Bewertung an und orientieren uns auch nicht an Voxeljet, sondern eher an Arcam, die eine ähnliche Größe, Kunden und Technologie haben wie wir. Sie haben zwar Recht, auch bei Arcam gab es Korrekturen, aber die sind ja deutlich rationaler gelaufen über die letzten Monate. Das ist für uns ein vergleichbares Unternehmen, das ja jüngst auch stabile Quartalszahlen vorgelegt hat.

Unabhängig von der Bewertung an der Börse, was machen Sie denn besser als andere 3D-Unternehmen im vergleichbaren Geschäftsfeld?
Rechlin: Unsere Anlagen sind schneller und produktiver als die der Mitbewerber. Das liegt zum Beispiel an unserer Multilaser-Technik, das heißt unsere Anlagen arbeiten beim Schmelzvorgang des Metallpulvers parallel mit mehreren Lasern. Wir haben auch eine patentierte bidirektionale Beschichtung, die es uns ermöglicht, bei der Beschichtung mit dem Metallpulver einen Zwischenschritt weniger zu machen. Diese eingesparten Sekunden können zusammengenommen eine große Zeitersparnis ausmachen und da sind wir unseren Mitbewerbern weit voraus. Für Unternehmen, die rund um die Uhr mit unseren Anlagen produzieren wollen, ist diese Zeitersparnis auch ein großer Kostenfaktor.

2012 war der Anteil des metallbasierten 3D-Drucks am gesamten Markt für 3D-Druck mit 9 Prozent recht gering. Warum glauben Sie an ein hohes Wachstumspotential?
Rechlin: Wir glauben, dass wir gerade mit dem metallbasierten 3D-Druck in einem Sweet-Spot des 3D-Druck-Marktes sind, weil wir schon in den letzten Jahren gesehen haben, dass dieser Bereich zwischen den Jahren 2009 und 2012 jährlich durchschnittlich um 45 Prozent gewachsen ist, während der Gesamtmarkt für 3D-Druck deutlich darunter liegt. Und wir merken eben auch, dass die großen Kunden wie GE oder Siemens jetzt immer größere Bestellungen, teilweise direkt über mehrere unserer Anlagen, aufgeben und einsteigen wollen.

Sie müssen jetzt innerhalb kurzer Zeit die für die Börsenpräsenz nötigen Strukturen aufbauen – etwa eine Investor-Relations-Abteilung hochziehen und sich an neue Berichtspflichten gewöhnen – wie kommen Sie mit dieser Umstellung klar? Überfordert das nicht das Unternehmen?
Bögershausen: Nein, das überfordert das Unternehmen ganz und gar nicht, wir sind da ganz gut gerüstet. Ich habe auch schon persönlich Erfahrung mit dem Thema, ich habe ja bereits zwei Börsengänge begleitet. Mit der IFRS-Umstellung sind wir durch und was die Investor Relations Funktion angeht: Natürlich werden wir da am Anfang auch mit externen Anbietern wie zum Beispiel Cometis zusammenarbeiten und dann über die nächsten Monate und Jahre schauen, welchen Teil der Struktur man internalisiert.

Was planen Sie nach dem IPO? 3D-Systems zum Beispiel hat viele Konkurrenten aufgekauft, schweben Ihnen auch M&A-Deals vor – etwa entlang der Wertschöpfungskette?
Rechlin: Noch ist in punkto M&A-Deals nichts in trockenen Tüchern, allerdings haben wir da tatsächlich schon etwas ins Auge gefasst. Wie bereits gesagt, wollen wir auch den Bereich der Verbrauchsmaterialien erschließen und gerade bei den Metallpulvern könnten wir uns vorstellen, dass wir eine starke und enge Kooperation mit einem Pulverhersteller eingehen. Das kann bedeuten, dass wir uns bei einem Pulverhersteller beteiligen und auf mittlere Sicht vielleicht sogar eine Übernahme sehen. Mit Sicherheit schließen wir aber aus, das Pulvergeschäft selbst organisch aufzubauen.

julia.becker[at]finance-magazin.de

Info

Details zum SLM-Börsengang

Die Aktien können vom 28. April bis zum 8. Mai gezeichnet werden, die Preisspanne beträgt 18 Euro bis 23 Euro. Das Angebot umfasst 5.732.596 Aktien aus dem Bestand der Altaktionäre, bis zu 4.166.667 neue Aktien, die aus einer Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen entstehen, sowie 1.349.019 Aktien, die aus dem Bestand der Altaktionäre im Rahmen einer Greenshoe-Option zugeteilt werden können. Das Emissionsvolumen nach Greenshoe soll zwischen 202 und 238 Millionen Euro betragen, der Bruttoerlös der Kapitalerhöhung bei 75 Millionen Euro liegen. Begleitet wird die Transaktion von der Credit Suisse Securities (Europe) und der Deutschen Bank als Joint Global Coordinators und Joint Bookrunners sowie BHF-Bank und Cannacord Genuity (UK) als Co-Lead Manager. Die Equinet Bank agiert als Verkaufskommissionär.

Info

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