Rückschritt im Fall des Säureattentats auf den Innogy-CFO Bernhard Günther: Der 32-jährige Tatverdächtige, der Mitte Oktober festgenommen wurde, kommt wieder frei. Der Haftbefehl sei aufgehoben, weil kein dringender Tatverdacht vorliege, teilte das Landesgericht Wuppertal am Freitag mit. Der Beschuldigte Marco L. werde daher nun aus der Untersuchungshaft entlassen.
Das Gericht kritisierte in seiner Mitteilung vor allem, dass der Verdächtige nicht zweifelsfrei identifiziert werden konnte. So habe die private Sicherheitsfirma, die in dem Fall ermittelte, Günther nur Fotos eines einzigen Mannes als mutmaßlichen Täter vorgelegt. Dadurch könne das Opfer beeinflusst worden sein, so die Kritik des Gerichts. Dennoch habe der Innogy-Manager den Verdächtigen bei der Polizei nicht sicher identifizieren können.
Das Gerichtet merkt an, dass die originäre Erinnerung von Günther durch das Zeigen des Fotos sogar „überschrieben“ sein könnte. „Daher wirke sich der frühe und unzureichende Indentifizierungsversuch auch auf spätere ordnungsgemäße Identifzierungsmaßnahmen aus und lasse diese ebenfalls unzuverlässig werden“, heißt es weiter – das könnte die Aufklärung noch einmal erschweren.
Auch ein anonymer Zeuge konnte den dringenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten nicht begründen. Dieser Zeuge habe sich zwar an einen Rechtsanwalt gewendet. Allerdings sei die Quelle nicht zu einer Befragung durch das Gericht bereit gewesen, heißt es weiter.
Privatermittler führten auf die Spur von Marco L.
Marco L. war vor gut sechs Wochen am Rande eines Ringerturniers in Köln festgenommen worden. Damals hatte die Staatsanwaltschaft Wuppertal die Ermittlungen bereits eingestellt. Auf die Spur des 32-Jährigen führte erst ein Privatermittler, den Günther und Innogy beauftragt hatten. Der Energiekonzern hatte bis zu 80.000 Euro Belohnung für Hinweise auf die Täter ausgesetzt.
Dem Magazin „Focus“ zufolge soll der Tatverdächtige im Auftrag eines mit Günther konkurrierenden Managers gehandelt haben. Die Ermittler wollten sich zu den möglichen Motiven nicht äußern. Klar ist derweil, dass die Strafverfolger den Anschlag nicht mehr als Mordversuch, sondern als schwere Körperverletzung werten – eine Einschätzung, die Günther nicht teilt: „Ich hätte sterben können“, hatte der Finanzchef kürzlich in einem Interview gesagt.
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Günther „erschüttert“ über Gerichtsbeschluss
Günther war im März 2018 beim Joggen in der Nähe seines Wohnhauses in Haan bei Düsseldorf von zwei Vermummten angegriffen und mit Säure übergossen worden. Der damals 52-Jährige erlitt dabei schwere Verletzungen und schwebte zeitweise sogar in Lebensgefahr. Dennoch nahm Günther nur zwei Monate nach dem Anschlag seine Arbeit wieder auf. Der Manager ist zudem der Einzige aus dem alten Vorstandsteam, der auch nach der gerade erfolgten Übernahme von Innogy durch E.on an Bord bleibt.
Der Innogy-Manager war nach Angaben seines Sprechers am Freitagmittag über den Beschluss des Landgerichts informiert worden. „Diese Entscheidung war für uns so nicht zu erwarten und ist für Herrn Günther schwer nachvollziehbar. Er ist erschüttert“, sagte ein Sprecher des Managers der Deutschen Presse-Agentur. Für den Manager und seine Familie steige jetzt „die Bedrohungslage“.