Die Corona-Pandemie scheint kein Ende zu nehmen, bei vielen Rohstoffen und Halbleiterprodukten gibt es anhaltende Lieferengpässe: Trotz staatlicher Unterstützung steuern viele Unternehmen auf ein weiteres Krisenjahr zu. Die herausfordernde Lage beeinflusst auch die Erstellung der Jahresabschlüsse, die in vielen Unternehmen jetzt ansteht. Risiken können die Entwicklung eines Unternehmens hemmen oder gar gefährden und müssen in den Berichten entsprechend abgebildet werden. Dabei ist es wichtig, die unterschiedlichen Risiken zu kennen.
Entwicklungsbeeinträchtigendes Risiko: negativer Einfluss
Eine Kategorie von Risiken stellen die sogenannten entwicklungsbeeinträchtigenden Risiken dar. Ein solches Ereignis unterbricht einen bis dato positiven Trend und beeinflusst ihn ungünstig. Dabei geht ein entwicklungsbeeinträchtigendes Risiko über den bloßen Hinweis auf eine angespannte Lage im Unternehmen hinaus. Das Ereignis hat einen wesentlichen (negativen) Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens.
Ein Beispiel für ein entwicklungshemmendes Ereignis kann beispielsweise der starke Rückgang von Auftragseingängen eines Automobilzulieferers aufgrund der anhaltenden Halbleiterknappheit sein. Auch die sich ständig ändernden Pandemie-bedingten Zugangsbeschränkungen in Handel und Gastronomie zählen dazu.
Bestandsgefährdendes Risiko: Fortführung gefährdet
In eine zweite Kategorie fallen die bestandsgefährdenden Risiken. Ein so eingestuftes Ereignis gefährdet die Fortführung des Unternehmens in Gänze und kann damit sogar zur Insolvenz führen. Übersteigen beispielsweise die Schulden des Unternehmens das Vermögen oder verlässt sich ein Unternehmen bei der Finanzierung langfristiger Vermögenswerte in erheblichem Ausmaß auf kurzfristige Darlehen, so sind dies Anzeichen für eine Bestandsgefährdung.
„Ein Alarmsignal liegt vor, wenn Gläubiger dem Unternehmen die finanzielle Unterstützung entziehen.“
Ein weiteres Alarmsignal liegt vor, wenn Gläubiger dem Unternehmen die finanzielle Unterstützung entziehen, etwa indem sie Aval- oder Kreditlinien reduzieren oder Warenbezug nur noch gegen Vorkasse ermöglichen. Bestandsgefährdende Risiken müssen nicht immer zwingend finanzieller Natur sein, das Institut der Wirtschaftsprüfer hat in seinen Standards eine ganze Reihe an Risiken aufgeführt.
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie sind speziell die Branchen der Luftfahrt, Hotellerie, Gastronomie, Messe- und Veranstaltungsbranche, Tourismus sowie Automotive gefährdet. Während sich die Gefahren für diese Branchen unmittelbar aus der Pandemie ergeben, etwa durch Reise- und Zugangsbeschränkungen oder Lockdowns, sind der Automotive-Sektor und insbesondere die Zulieferindustrie durch die Halbleiterkrise, Störungen der Lieferketten, explodierende Rohstoffpreise und die staatliche Förderung der E-Mobilität vor große Herausforderungen gestellt. Gerade die Umstellung auf neue Antriebstechniken erfordert hohe Investitionen, die in Zeiten knapper Rücklagen nicht jedes Unternehmen aus eigener Kraft finanzieren kann.
Übergänge sind bei Risiken fließend
Eine klare Abgrenzung zwischen entwicklungsbeeinträchtigenden und bestandsgefährdenden Tatsachen ist in der Praxis häufig kaum möglich, da es an objektiven Abgrenzungskriterien fehlt. Die Übergänge sind fließend. Gerade deshalb ist es wichtig, über solche Risiken im Anhang oder im Lagebericht ausführlich zu berichten, um die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens auch zutreffend abzubilden.
Denn die Unternehmensführung muss – ebenso wie der Abschlussprüfer – nicht nur die Going-Concern-Prämisse prüfen, sondern auch die Frage beantworten, ob bestandsgefährdende Risiken im Lagebericht zutreffend abgebildet und bewertet werden. Dabei kommt es neben der verbalen Darstellung im Lagebericht vor allem darauf an, dass die integrierte Finanzplanung des Unternehmens verlässlich ist. Die Finanzplanung bildet die Basis für die Darstellung von Prognosen und Risiken.
Angabepflicht für Risiken
Die Prüfung dieser Unterlagen ist eine Hauptaufgabe des Abschlussprüfers. Treten nach Geschäftsjahresschluss noch Risiken auf, die von besonderer Bedeutung für den Jahresabschluss sind, dann muss die Geschäftsführung über jene Sachverhalte zusätzlich in einem Nachtragsbericht des Anhangs berichten. Diese Angabepflicht im Anhang hat sich bereits wie ein roter Faden durch die Jahresabschlüsse des Jahres 2020 gezogen.
„Unterlässt die Geschäftsführung die Angabe zu den Risken im Lagebericht, erwächst daraus ein Haftungsrisiko.“
Unterlässt die Geschäftsführung die Angabe zu den Risken im Lagebericht oder stellt sie diese unzutreffend dar, erwächst daraus ein Haftungsrisiko. Neben empfindlichen Geldstrafen sieht das HGB dafür in Härtefällen sogar Freiheitsstrafen vor. Daneben stehen weitere Haftungsrisiken der Geschäftsführung, die sich aus dem Insolvenzrecht ergeben, beispielsweise das Risiko der Insolvenzverschleppung. Diese haben nach dem Auslaufen der vorübergehenden coronabedingten Erleichterungen bei der Insolvenzanmeldung wieder an Bedeutung gewonnen.
Um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern, ist es essenziell, dass ein Unternehmen jederzeit zahlungsfähig ist. Vor allem in Krisenzeiten ist eine aktuelle integrierte Finanz- und Liquiditätsplanung entscheidend, um den Fortbestand zu sichern. Auch kleinere Unternehmen werden vermehrt Szenario-Analysen erstellen müssen, um die möglichen finanziellen Folgen von Risiken wie etwa der Corona-Pandemie für ihr Geschäft besser einschätzen zu können.