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Warum Creditshelf in die Insolvenz gerutscht ist 

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Das Frankfurter Fintech Creditshelf musste sich Anfang Februar aufgrund fehlender Zahlungen seines Hauptgesellschafters unter den Schutzschirm retten. Foto: Creditshelf/Montage: FINANCE
Das Frankfurter Fintech Creditshelf musste sich Anfang Februar aufgrund fehlender Zahlungen seines Hauptgesellschafters unter den Schutzschirm retten. Foto: Creditshelf/Montage: FINANCE

Schon vor rund zwei Jahren stand die Existenz von Creditshelf auf dem Spiel. Der Aufstieg des Fintechs war lediglich ein vermeintlicher. Denn nachdem die Frankfurter im ersten Halbjahr 2022 erstmals die Gewinnzone erreichten, rutschen sie im zweiten Halbjahr desselben Jahres wieder zurück in die roten Zahlen.  

Ein Blick in den Geschäftsbericht 2022 offenbart einen der Gründe, weshalb Creditshelf im ersten Halbjahr einen Gewinn erwirtschaftete, der jedoch nicht nachhaltig haltbar war. Durch den Ausfall der Amsterdam Trade Bank (ATB), dem größten Finanzierungspartner von Creditshelf, erhielt das Fintech eine Ausgleichszahlung in Höhe von 1,75 Millionen Euro als Entschädigung für entgangene Umsätze. Dies war mit dem Insolvenzverwalter ausgehandelt worden.  

Als Investorin ausgefallen war die niederländische ATB aufgrund des Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen Sanktionen, da ihre Muttergesellschaft ein russisches Unternehmen ist. Diese sollte ursprünglich Kapital für die Kreditvergabe zur Verfügung stellen, was nach Kriegsausbruch nicht mehr möglich war.  

Im November 2022, in einer für das Fintech schwierigen Zeit, konnte Creditshelf trotzdem einen Erfolg melden: Die Frankfurter hatten Goldman Sachs als neuen Partner gewonnen. Die Investmentbank stellte eine Refinanzierungsfazilität in Höhe von 100 Millionen Euro zur Finanzierung des deutschen Mittelstands zur Verfügung.  

Creditshelfs fragwürdige Investorenstruktur 

Doch leider währte die Freude schon damals nur kurz. Und das hat mit dem Geschäftsmodell von Creditshelf zu tun – und der Struktur des Business. Einfach gesagt betreibt das Fintech eine Plattform zur Vermittlung von Krediten. Das Kapital stammt dabei von verschiedenen Geldgebern, die von Creditshelf als „Junior Lender“ und „Senior Lender“ betitelt werden. Doch worin besteht der Unterschied zwischen diesen beiden Arten von Geldgebern? 

Derzeit gibt es zwei Zweckgesellschaften in Irland und den Niederlanden, sogenannte Special Purpose Vehicles, kurz SPV, mit jeweils einem „Senior Investor“ und einem „Junior Investor“. Der Junior Investor ist immer die Investmentgesellschaft Obotritia Capital, die mit 10 Prozent an Creditshelf beteiligt ist. Hinter der Gesellschaft steht außerdem der Creditshelf-Aufsichtsratschef Rolf Elgeti. 

Der „Senior Investor“ hingegen stellt den größeren Teil des Kapitals bereit, investiert also mehr als der „Junior Investor“. Die Einordnung in die beiden Kategorien richtet sich nach dem Investoreninteresse und dem Vertragswerk. Der Knackpunkt: Erst wenn der „Junior Investor“ das Geld überwiesen hat, folgt die Zahlung des „Senior Investors“. 

Dr. Carola Rinker ist Bilanzexpertin und Sprecherin der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Foto: Carola Rinker

 

Finanzierungsverhandlungen mit Obotritia scheiterten 

Das Problem? In dem Fall, dass Obotritia Capital als „Junior Lender“ die zugesagten Gelder nicht überweist, wird auch Goldmann Sachs als „Senior Lender“ nicht überweisen. Die Folge liegt auf der Hand: Von Mittelständlern angefragte Kredite können nicht vergeben werden – und zwar nicht wegen fehlender Kreditwürdigkeit des anfragenden Unternehmens, sondern mangels Kapital.  

Einfach ausgedrückt: Wenn ich als Schuhverkäuferin viele Kunden habe, die Schlange stehen, aber keine Schuhe im Laden habe, ist eines sicher – Umsatz werde ich damit nicht erzielen. Und genau das ist der Kern des Problems: Interesse und Anfragen sind gut und recht. Umsatz mache ich damit aber nur, wenn es auch wirklich zu einem Verkauf kommt. Und dazu brauche ich das Produkt: Die Schuhe. 

Unglücklicherweise ist genau das passiert. Weil Finanzierungsverhandlungen mit Obotritia gescheitert waren, musste Creditshelf im Februar das Schutzschirmverfahren einleiten.  

Warum die Zahlung von Obotritia fraglich war 

Wie konnte es dazu kommen? Schon länger haben sich Unternehmenskenner gefragt, ob sich das Geschäftsmodell langfristig rentieren wird und ob (und wann) Creditshelf die Gewinnschwelle erreichen kann. Doch nach vielem Nachbohren und Durchwühlen der Berichte war schon vor einiger Zeit klar, dass vielmehr die folgende Frage entscheidend sein wird: Wann wird Obotritia Capital die ausstehende Zahlung leisten? 

Es gab viele rote Flaggen in den Geschäftsberichten, die ich zusammen mit meinem Sprecherkollegen der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), Marc Liebscher, in einem Video analysiert hatte. Im vergangenen Juli vertrat ich die SdK auf der Hauptversammlung von Creditshelf.  

Leider war die Antwort auf die Frage nach der ausstehenden Zahlung auf der Hauptversammlung aus Anlegersicht sehr unerfreulich: Dazu kann nichts gesagt werden, hieß es von Creditshelf. Auch nach einer erneuten Nachfrage – verbunden mit der Sorge um die Existenz des Fintechs – gab es keine genaueren Auskünfte. In meinem Bericht zur Hauptversammlung hatte ich mir damals schon notiert: „Existenz der Gesellschaft steht auf dem Spiel“. 

Maue Kreditvergabequote bei Creditshelf 

Bedauerlich war auch, dass Rolf Elgeti wieder einmal durch Abwesenheit glänzte. Denn als Aufsichtsratsvorsitzender des Fintechs und als Anteilseigner von Obotritia Capital sollte er die Antwort kennen – oder zumindest in der Lage sein, einen Zeitraum einzugrenzen.  

Wenig hilfreich ist zudem, dass die Obotritia Bank kurz nach der Hauptversammlung von Creditshelf im August verkündet hat, ihr Neukundengeschäft einzustellen. Die Bafin-Prüfung inklusive Geldbußen wegen Fehlern bei der Anzeige von neu bestellten Aufsichtsratsmitgliedern haben der Bank womöglich die Laune verdorben.  

Die Geschäfte von Creditshelf sollte dies jedoch nicht beeinflussen, wie der Vorstand damals auf meine Nachfrage auf der Hauptversammlung meinte. Das mutet verwunderlich an, da doch die Bank zu Obotritia Capital gehört, die wiederum knapp 10 Prozent der Aktien von Creditshelf hält. Und nun ist es doch die fehlende Zahlung von Obotritia Capital, die Creditshelf derzeit daran hindert, Umsätze zu erwirtschaften.  

Mit dem Schutzschirmverfahren will Creditshelf nun den Weg für andere Investoren ebnen. Eine erste gute Nachricht gab es zumindest schon: Mit der PVM Private Values Media ist vor Kurzem mit 20 Prozent ein neuer Großaktionär eingestiegen. Für diesen wird sich jedoch auch die Frage stellen, ob das Geschäftsmodell nachhaltig profitabel werden kann. Denn von den angefragten Krediten wird nur ein extrem geringer Anteil vergeben. Im ersten Quartal 2023 waren dies nach Auskunft auf der Hauptversammlung 0,9 Prozent.  

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