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Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen wirft immer noch viele Fragen auf. FINANCE gibt einen Überblick. Foto: sdecoret - stock.adobe.com/ Montage und Schriftzug: FINANCE
Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen wirft immer noch viele Fragen auf. FINANCE gibt einen Überblick. Foto: sdecoret - stock.adobe.com/ Montage und Schriftzug: FINANCE

Wenn sich ein Unternehmen finanziell restrukturieren muss, ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (kurz: Starug) außerhalb eines Insolvenzverfahren das Mittel der Wahl. Um das 2021 in Kraft getretene Gesetz halten sich allerdings bis heute hartnäckige Mythen und Undurchsichtigkeiten. Unsere FINANCE-Serie zu Insolvenz– und Sanierungsverfahren gibt Aufschluss.

Wer kann das Starug-Verfahren nutzen?

„Grundsätzlich kann jedes Unternehmen – ob klein oder groß – das Starug-Verfahren anwenden, wenn es in finanzielle Schwierigkeiten geraten, aber noch nicht zahlungsunfähig ist“, sagt Jasmin Urlaub, Rechtsanwältin und Partnerin bei Grub Brugger. Wichtig zu beachten sei allerdings, dass lediglich die Passivseite mit dem Starug restrukturiert werden könne, nicht hingegen das operative Geschäft.

Die Fachanwältin für Insolvenzrecht hat bereits zahlreiche Starug-Verfahren an der Seite von Unternehmen, aber auch Gläubigern beraten. Um ein Starug-Verfahren anzuwenden, müssen folgende Punkte zwingend gegeben sein: „Das Unternehmen muss drohend zahlungsunfähig sein, was sich in der Liquiditätsbetrachtung über 24 Monate hinweg absehen lässt. Es darf zudem nicht überschuldet sein und es darf auch noch keine Zahlungsunfähigkeit vorliegen“, so Urlaub.

Wie läuft ein Starug-Verfahren ab?

Wenn die Finanzabteilung oder die Geschäftsführung eine drohende finanzielle Krise festgestellt hat, wird nach der Erfahrung Urlaubs an erster Stelle eine Unternehmensberatung an Bord geholt, um etwaige Stellschrauben zu drehen, um die Krise abzuwenden. Wenn keine operative Maßnahme mehr greift, kommen zudem Restrukturierungsberater zum Einsatz. Beide Beraterinnen und Berater erarbeiten mit dem Unternehmen ein Konzept, wie es sich aus der finanziellen Schieflage restrukturieren kann.

An dieser Stelle zeige sich schließlich, ob das Starug ein probates Mittel ist, so Urlaub. „Wird es als solches erkannt, wird das Vorhaben am Restrukturierungsgericht angezeigt. Das Gericht prüft nun, ob ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden soll. Dieser hat eine Art Aufsichtsrats- und vermittelnde Funktion.“

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Im Anschluss an die Anzeige geht es in die konkrete Plangestaltung. „Der Restrukturierungsplan stellt eine Art Gesamtvergleich mit den beteiligten Gläubigern dar“, erklärt die in Stuttgart ansässige Rechtsanwältin. Das Unternehmen stimme sich mithilfe der Berater mit den wesentlichen Stakeholdern ab, um für seinen Restrukturierungsplan die beim Starug ausreichende und gesetzlich verankerte 75-prozentige Mehrheit der Gläubigerstimmen zu erhalten.

Anschließend werde das Planangebot an alle beteiligten Gläubiger versandt. „Nun wird entweder bei 100-prozentiger Zustimmung aller Gläubiger der Plan im schriftlichen Verfahren bestätigt oder es kommt zu einem Abstimmungstermin vor Gericht. In diesem Falle muss jede Gläubigergruppe eine 75-prozentige Mehrheit erreichen, bis das Gericht den Plan bestätigt. Wird in einer Gruppe die erforderliche Mehrheit nicht erreicht, so kann der Restrukturierungsplan nur im Wege der gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung angenommen werden.“ Ist dies geglückt, wird das Verfahren offiziell beendet.

Welche Besonderheiten hat ein Starug-Verfahren?

„In all den Insolvenz- und Sanierungsverfahren hebt sich das Starug besonders dadurch hervor, dass das Insolvenz-Stigma vermieden wird“, so die Insolvenzrechtlerin. Das liege vor allem daran, dass ein Starug-Verfahren von Gesetzes wegen nicht zwingend öffentlich ist.

„Ein besonderes Charakteristikum ist zudem der Vorteil der Teilkollektivität, die besagt, dass nicht zwingend alle Gläubiger beziehungsweise Gläubigergruppen einzubeziehen sind. Eine bewusste Auswahl der partizipierenden Stakeholder verschlankt das Verfahren“, so Urlaub. Darüber hinaus können bei Konsortialfinanzierungen auch einzelne Vertragsdetails  gestaltet werden, wie etwa Zinshöhen oder Financial Covenants. Zudem seien die Verfahrenskosten geringer als bei einem Insolvenzverfahren.

Jasmin Urlaub ist Partnerin am Stuttgarter Standort der Kanzlei Grub Brugger und Fachanwältin für Insolvenzrecht. Foto: Grub Brugger

In der Praxis treten allerdings auch negative Besonderheiten auf, die die Gestaltungsmöglichkeiten beschränken. So erhält das Unternehmen etwa keine Liquiditätsspritze, wie es im Insolvenzverfahren über das Insolvenzgeld ermöglicht wird. Zudem dürfen weder in Arbeitnehmerrechte eingegriffen noch ungünstige Verträge beendet werden.

Wo liegen beim Starug potenzielle Konfliktpunkte?

In verschiedenen Stadien des Verfahrens treten immer wieder auch Konfliktpunkte auf, welche die Verfahrensbeteiligten im Auge haben sollten: „Bei der Einleitung des Verfahrens stellt sich häufig die Frage, ob für die Einleitung eines Starug-Verfahrens ein Gesellschafterbeschluss zwingend ist. Dies wird insbesondere für Aktiengesellschaften und GmbHs durchaus unterschiedlich beurteilt“, so Urlaub. In ihrer Praxis erlebt sie darüber hinaus regelmäßig Uneinigkeit im Bankenkonsortium. Es bestehe stets die Gefahr, dass sich plötzlich alle Banken zurückziehen wollen, wenn nur eine Bank den Plan nicht mittragen will.

Wie könnte das Starug verbessert werden?

Hat ein Unternehmen Finanzverbindlichkeiten in anderen Ländern, ist aufgrund einer Gesetzeslücke für nicht-öffentliche Verfahren unklar, ob diese Forderungen auch mittels Restrukturierungsplan restrukturiert werden können. „Mittlerweile gibt es einen bestätigenden Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe: Die internationale Zuständigkeit des deutschen Restrukturierungsgerichts ebenso wie die Anwendbarkeit des deutschen materiellen Rechts lässt sich begründen“, erklärt Urlaub. Das heißt, das Starug kann in diesem Fall angewendet werden.

In vielen Fällen würde es helfen, wenn ungünstige Verträge außerplanmäßig beendet werden könnten. Wohingegen der Personalschutz nach der Insolvenzrechtlerin nicht angefasst werden sollte. In der Branche werde zudem häufig über das Thema Geschäftsführerhaftung diskutiert. Urlaub positioniert sich hierbei deutlich: „Ich sehe keinen Grund für eine weitere Verschärfung des Pflichtenkatalogs. Grundsätzlich sind Krisenfrüherkennungs- und Krisenmanagementpflichten von Geschäftsleitern bereits im bisher geltenden Recht angelegt. Zeigt sich in der von der Geschäftsführung vorzuhaltenden 24-Monatsplanung eine Liquiditätslücke, sind auch die Werkzeuge des Starug als gegebenenfalls probates Mittel zu prüfen. Wird dies versäumt, haftet die Geschäftsführung persönlich und hat den entstandenen Schaden zu regulieren.“

Info

Esra Laubach ist Redakteurin bei FINANCE und widmet sich schwerpunktmäßig den Themen Transformation, Restrukturierung und Recht. Sie ist Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin. Vor FINANCE war sie rund fünf Jahre als Legal-Journalistin für den JUVE Verlag in Köln tätig, wo sie auch ihr journalistisches Volontariat absolvierte. Esra Laubach arbeitete während ihres Studiums multimedial u.a. für das ARD-Morgenmagazin, mehrere Zeitungen und moderierte beim Hochschulradio Kölncampus.