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Leoni droht Aktionärsklage in Millionenhöhe

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Der Automobilzulieferer Leoni hat als einer der ersten das Starug angewendet. Foto: Leoni AG
Der Automobilzulieferer Leoni hat als einer der ersten das Starug angewendet. Foto: Leoni AG

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) bereitet erneut eine Klage gegen Leoni vor. Für die enteigneten Leoni-Aktionäre wollen die Anlegerschützer Schadensersatz im „dreistelligen Millionenbereich“ fordern, erklärte DSW-Vizepräsident Klaus Nieding auf Nachfrage gegenüber FINANCE. Der Fall betreffe tausende Geschädigte: „80 Prozent der Aktien befanden sich im Streubesitz, Stefan Pierer hatte nur 20 Prozent.“

Hintergrund der geplanten Klage: Im vergangenen Frühjahr wurde bekannt, dass Großaktionär Pierer Leoni übernehmen und mithilfe eines Sanierungsplans nach dem Starug restrukturieren will. Dieser sah ein Delisting vor sowie eine Kapitalerhöhung von 150 Millionen Euro, zu der ausschließlich die von Pierer gehaltene L1-Beteiligungs GmbH zugelassen wurde. Zudem sollte die Gesellschaft Schulden des Autozulieferers in Höhe von 708 Millionen Euro übernehmen.

Während Banken und Schuldscheingläubiger nach der erfolgreichen Sanierung auf einen Teil ihres Geldes hoffen können, bedeutete der mittlerweile abgesegnete Plan für die Kleinaktionäre einen Totalverlust. Sie haben sowohl den Aktienwert als auch ihre Beteiligungsrechte verloren. Gegen diesen Plan hatten die enteigneten Aktionäre mit der DSW bereits im Sommer 2023 geklagt, sind mit der Klage jedoch gescheitert. Damals hat die DSW eine dreistellige Zahl ehemaliger Leoni-Aktionäre vertreten.

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Cash-Drain, CFO-Wechsel, verpatzte Projekte und kassierte Prognosen: Der Automobilzulieferer Leoni musste sich sanieren und ist mit dem Starug einen recht neuen Weg gegangen.

Harte Kritik am Risikomanagement von Leoni

Die Ansatzpunkte für die neuen Schadensersatzansprüche gegen den angeschlagenen Autozulieferer ergeben sich laut DSW aus einem Gutachten zur Starug-Umsetzung, mit dem sie den Wirtschaftswissenschaftler und Professor Werner Gleißner beauftragt hatte. Das Gutachten sollte zwei Fragen nachgehen: erstens, ob das Risikofrüherkennungssystem von Leoni in der Lage war, „bestandsgefährdende Entwicklungen“ adäquat zu erkennen, und zweitens, ob der Sanierungsplan – inklusive eines „kompletten Vermögensverlustes der Aktionäre“ – alternativlos war.

In dem Gutachten kommt Gleißner zu dem Schluss, dass Leoni seit Jahren über ein Risikomanagement verfügt und die formalen und methodischen Vorrausetzungen damit gegeben waren. Jedoch sei „nicht erkennbar“, dass Leoni es (den Starug-Anforderungen) entsprechend genutzt habe. Dies sei jedoch erforderlich, um rechtzeitig geeignete Gegenmaßnahmen zur Krisenabwehr initiieren zu können.

Enteignung der Leoni-Aktionäre „nicht alternativlos“

Aus dem Geschäftsbericht lasse sich zudem nicht entnehmen, dass eine wesentliche Erweiterung des Risikomanagements nach dem Starug stattgefunden habe. „Es ist ein eklatanter Widerspruch, dass sich aus dem Risikobericht ergibt, die Risikotragfähigkeit sei gegeben, während der Vorstand im gleichen Geschäftsbericht eine akute – und überraschende – Bestandsgefährdung erläutert“, stellt Gleißner fest.

Der Wirtschaftswissenschaftler schlussfolgert gar, dass rechtzeitig eingeleitete Gegenmaßnahmen die 2023 eingetretene schwere Krise und die Restrukturierung nach Starug möglicherweise überflüssig gemacht hätten.

Weiterhin kritisiert der Gutachter, dass die Kleinaktionäre keine Gelegenheit erhielten, an der Kapitalerhöhung teilzuhaben. Das sei „nicht plausibel erklärbar“. Laut DSW hätten alle Aktionäre an der positiven Zukunftsperspektive partizipieren können, wenn das Risikodeckungspotenzial durch alle Aktionäre rechtzeitig in Form einer Kapitalerhöhung bereitgestellt worden wäre.

Dass dies den Aktionären allerdings verwehrt wurde, ist nach Ansicht der DSW eine Grundlage für Schadensersatzansprüche „gegenüber den Organen von Leoni“. „Das Kapitel Leoni ist somit für die ehemaligen Aktionäre und die DSW noch nicht abgeschlossen, sondern die Aufbereitung fängt nun erst richtig an“, so die DSW.

DSW fürchtet negative Starug-Vorbildfunktion

Die DSW lässt noch aus einem weiteren Grund nicht locker: Sie fürchtet eine negative Vorbildfunktion des Falls Leoni für künftige Anwendungen des Starug. „Man kann davon ausgehen, dass Leoni als Blaupause genommen wird, um im Zuge ähnlicher Maßnahmen Aktionäre herauszudrücken“, erklärt DSW-Vizepräsident Nieding gegenüber FINANCE. „Wir sehen es als alarmierendes Signal für Aktionäre im Streubesitz.“ Entsprechend fordert DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler „den Gesetzgeber auf, das Starug dringend zu reformieren“.

Wie aussichtsreich die Klagen sein werden, dürfte sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Leoni jedenfalls zeigt sich gelassen. Aus Sicht des Automobilzulieferers bestehe „weiterhin kein Zweifel, dass das Starug rechtskonform angewendet wurde“, teilte das Unternehmen auf Nachfrage von FINANCE mit. Leoni sieht sich auch dadurch bestätigt, dass die Klagen der Aktionäre bisher gescheitert sind. So schreibt das Unternehmen: „Unterschiedliche Gerichte, einschließlich des Bundesverfassungsgerichts, hatten im letzten Jahr die ordnungsgemäße Anwendung des Starug bei Leoni rechtskräftig bestätigt.“

Erika von Bassewitz ist Redakteurin bei FINANCE. Sie hat Philosophie und Französisch an der Humboldt-Universität in Berlin sowie an der Université de Genève studiert und mit einem Magister Artium abgeschlossen. Vor FINANCE war sie mehr als acht Jahre Redakteurin in der Multimediaredaktion des Medienhauses der EKHN. Davor war sie unter anderem Redakteurin beim HR-Magazin von monster, freie Autorin bei Deutsche Welle TV und freie Mitarbeiterin bei der Westdeutschen Zeitung.

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