Fast kein Unternehmen ist durch Corona verschont geblieben. Während einige Branchen profitiert haben, sind bei vielen anderen Umsätze gesunken, Gewinne eingebrochen. Teils steht das Geschäft sogar völlig vor dem Aus. Auch an der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsbranche ist die Krise nicht spurlos vorbeigegangen. Hier fällt besonders ins Gewicht, dass Aufträge – wenn nicht unbedingt existenziell notwendig – verschoben wurden oder zumindest nur noch „remote“ ausgeführt werden. Das war wohl auch der Grund, warum sich Marktführer PwC eine ungewöhnliche „Corona-Bereinigung“ der Geschäftszahlen einfallen lassen hat.
Worum geht es genau? Wegen der Pandemie reisen Prüfer und Berater deutlich weniger als Pre-Corona. Die gesunkenen Reisekosten sind in den Umsätzen deutlich spürbar. Das musste auch schon Deloitte schmerzlich erfahren, bei dem die Umsätze im Beratungsgeschäft vergangenes Jahr auch wegen fehlender Reisekosten spürbar eingebrochen sind.
PwC hat das Problem aber kreativer gelöst: Das Big-Four-Haus hat auf Basis der durchschnittlichen Reisekosten aus Vor-Pandemie-Zeiten schlicht geschätzt, wie hoch diese im Geschäftsjahr 2020/21 gewesen sein müssten, hätte es Corona nicht gegeben. Diese Summe hat der Prüfer und Berater dann einfach auf die tatsächliche Gesamtleistung draufgeschlagen. Die berichteten, „corona-bereinigten“ Zahlen von PwC zeigen also Werte, die so nie erwirtschaftet wurden.
Kommen hohe Reisekosten jemals wieder?
Dieses Vorgehen leuchtet in Teilen ein. Es ermöglicht einen Vergleich mit der Zeit vor Corona – der nicht besonders wertschöpfende Teil der Reisekosten wurde hinzugenommen. Bei der Bereinigung von Kennzahlen soll es stets darum gehen, außergewöhnliche Sondereffekte herauszurechnen, um eine Vergleichbarkeit mit den Vorjahren zu erleichtern.
Doch es wäre für einen besseren Vergleich auch möglich gewesen, die Reisekosten im Vorjahr herauszurechnen, um die eigentliche Kerntätigkeit zu zeigen. Vorteil: PwC hätte nicht einmal die Höhe der Spesen für 2019/20 schätzen müssen. Nachteil: Das hätte die aktuell berichteten, absoluten Zahlen niedriger ausfallen lassen.
Hinzu kommt: Man darf bezweifeln, ob gesunkene Reisekosten post Corona überhaupt noch einen außergewöhnlichen Sondereffekt darstellen. Schließlich gehen zahlreiche Marktbeobachter davon aus, dass die Dienstreisen nach Ende der Pandemie nicht das alte Niveau erreichen werden. Eine Lektion der Pandemie ist doch, dass sich zahlreiche Kundengespräche dank Videotelefonie und voranschreitender Digitalisierung viel effizienter umsetzen lassen.
Transparenz geht anders
Nun kann man über den Sinn oder Unsinn einer solchen Bereinigung sicher streiten. Wichtig ist es immer, transparent nach außen zu sein – doch das ist PwC nicht wirklich gelungen. In der offiziellen Pressemitteilung geht das Unternehmen zwar bei der Gesamtleistung kurz auf den Unterschied ein (corona-bereinigt liegt sie bei 2,39 Milliarden Euro, ohne die Bereinigung bei 2,3 Milliarden Euro).
Bei den übrigen Geschäftszahlen zu den Bereichen Audit, Beratung und Tax & Legal lässt PwC den unbereinigten Wert aber unter den Tisch fallen. Dieser ist schlicht nirgends in der Mitteilung zu finden, obwohl er durchaus einen Unterschied ausmacht: Im Beratungsgeschäft etwa lag das Wachstum unbereinigt lediglich bei 1,6 Prozent, schlägt man aber die Reisekosten drauf, sind es plötzlich fast 10 Prozent – ein Unterschied von immerhin 70 Millionen Euro.
Mit schlechtem Beispiel voran
10 Prozent Wachstum in Pandemiezeiten, das klingt deutlich besser als magere 1,6. Dabei hätte PwC es gar nicht nötig gehabt, sich zu profilieren, denn alle Prüfer und Berater sitzen während Corona im selben Boot. Auch die Konkurrenz hat zu kämpfen. Nie war es wohl leichter als jetzt, sinkende Umsätze nachvollziehbar zu begründen.
Das wirft kein gutes Licht auf den Wirtschaftsprüfer, der doch dafür sorgen soll, dass Mandanten größtmögliche Transparenz im Zahlenwerk und der Zahlenberichterstattung zeigen. Zu viele Unternehmen arbeiten selbst mit schwer nachvollziehbaren bereinigten Kennzahlen – mit gutem Beispiel geht PwC hier derzeit nicht voran.
julia.schmitt[at]finance-magazin.de
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.