Der Steuerberatermarkt in Deutschland ist hart umkämpft. Neue regulatorische Vorgaben wie zuletzt BEPS lassen die Nachfrage nach Steuergestaltung und Optimierung immer weiter ansteigen – und davon wollen auch die Steuerberatungsarme von KPMG, PwC, Deloitte und EY (Ernst & Young) profitieren.
Diese Big Four, deren Kerngeschäft ursprünglich die Wirtschaftsprüfung war, weisen immer höhere Umsätze in den Segmenten Tax & Legal aus. Da sich mit der Wirtschaftsprüfung nicht mehr viel verdienen lässt, werden die Geschäftsfelder der Unternehmens- und Steuerberatung für sie immer wichtiger. Wie sich das Steuerberatungsgeschäft von KPMG, PwC, Deloitte und EY 2017 entwickelt hat und mit welchen neuen Initiativen die Big Four 2018 wachsen wollen, zeigt die FINANCE-Analyse.
EY und PwC führen die Steuerberatung an
EY konnte seinen Spitzenplatz verteidigen: Mit einem Umsatz von 629 Millionen Euro im Bereich Tax & Legal ist das Haus den Konkurrenten in diesem Segment mehr als 100 Millionen Euro voraus. Auch das Umsatzwachstum von 11 Prozent im Jahr 2017 gegenüber dem Vorjahr kann sich sehen lassen, Anstiegsraten im zweistelligen Bereich sieht man in der Branche nur noch sehr vereinzelt. Hinzu kommt, dass sich EY ohnehin schon auf einem hohen Umsatzniveau befindet. Bereits im Vorjahr war das Haus um 7,6 Prozent gewachsen.
Die Steuerberatung ist das einzige Segment, bei dem EY das Wettrennen zwischen den Big Four anführt. Beim Gesamtumsatz sowie in der Unternehmensberatung und der Wirtschaftsprüfung ist sonst Konkurrent PwC auf Platz eins. Bei der Steuerberatung hingegen landete PwC 2017 mit einem Umsatz von 524,7 Millionen Euro nur auf dem zweiten Platz. Dass PwC EY bald einholt, scheint unwahrscheinlich: Die Wachstumsraten waren mit 3 Prozent im Jahr 2017 und 2,2 Prozent im Jahr 2016 schwach.
Die Steuerberatung ist das einzige Segment, bei dem EY das Wettrennen zwischen den Big Four anführt.
KPMG und PwC dürfen im Dax nur eingeschränkt beraten
Vor seinem Verfolger KPMG muss sich PwC im Bereich Steuerberatung trotzdem nicht fürchten: Hier setzte KPMG mit 437 Millionen Euro knapp 90 Millionen weniger um als PwC. Ähnlich wie der Konkurrent konnte auch KPMG 2017 mit 3 Prozent nur schwach wachsen und ließ auch gegenüber dem Vorjahr (Wachstum von 6 Prozent) deutlich nach. Die Entwicklung in der Steuerberatung geht bei KPMG mit der in den anderen Geschäftsbereichen einher. Auch die Wirtschaftsprüfung und die Unternehmensberatung wuchsen nur noch im niedrigen einstelligen Bereich.
Eine Erklärung für die verhältnismäßig schwache Performance von KPMG und PwC in der Steuerberatung könnte deren Dominanz bei den Wirtschaftsprüfungsmandaten sein: Gerade im Dax, wo besonders hohe Honorare locken, prüfen die beiden die große Mehrheit der Unternehmen – um die Unabhängigkeit nicht zu gefährden, dürfen sie deshalb nur in begrenztem Umfang Steuerberatung anbieten.
Deloitte wächst um 25 Prozent bei Tax & Legal
Deloitte hat die Konkurrenz noch lange nicht eingeholt.
Ganz anders sieht es da bei Konkurrent Deloitte aus, die mit Bayer nur ein einziges Unternehmen aus dem Dax prüft und damit bei wesentlich mehr großen Konzernen zu Steuerthemen beraten darf. Möglicherweise ist das der Grund dafür, dass Deloitte mit einer Wachstumsrate von 25 Prozent die Entwicklung der Konkurrenten weit übertrumpft. Im Vorjahr lag der Anstieg mit 9 Prozent zwar deutlich niedriger, trotzdem war Deloitte damals schon das Big-Four-Haus mit der höchsten Wachstumsrate bei Tax & Legal. Allerdings wächst Deloitte ausgehend von einem niedrigeren Niveau als die Wettbewerber.
Blickt man auf die absoluten Zahlen, wird deutlich, dass Deloitte die Konkurrenz noch lange nicht eingeholt hat: 2017 setzte die kleinste der Big-Four-Beratungen 246 Millionen Euro mit Tax & Legal um, das sind fast 200 Millionen Euro weniger als bei KPMG. Sollte Deloitte aber das rasante Wachstum einige Jahre lang halten können, könnte das Haus zu KPMG & Co. aufschließen.
Digitalisierung kostet Big Four viel Geld
Um in dem aktuell harten Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu gelangen, hat jede der Big Four im vergangenen Jahr viel Geld in die Hand genommen und insbesondere in die Digitalisierung der Steuerberatung gesteckt. EY hat beispielsweise eine neue Geschäftseinheit „Tax Technology & Transformation“ gegründet, in der sie ihre Beratung zur Transformation und Digitalisierung der steuerlichen Prozesse bei Kunden bündelt.
Die Big Four haben dabei den großen Vorteil, dass sie die hohen Investitionen in der Digitalisierung von Tax & Legal über ihr großes internationales Netzwerk stemmen können. Ob das Verfolgerfeld, zu dem unter anderem Flick Gocke Schaumburg, Rödl & Partner, WTS oder Ebner Stolz gehören, das in demselben Ausmaß auch stemmen kann, ist fraglich. Zwar sind diese zum Teil auch in Netzwerken organisiert, an die Größe der Big Four reichen sie aber meist nicht heran.
EY unterliegt WTS im Kampf um Allianz-Mandat
Das bedeutet allerdings nicht, dass sich KPMG, PwC, Deloitte und EY vor den Verfolger nicht in Acht nehmen müssen. Da diese entweder nur reine Steuerberatung anbieten oder zumindest im Dax und MDax kaum mit Prüfungsmandaten vertreten sind, dürfen sie in diesen Segmenten ohne Einschränkungen Steuerberatung anbieten.
Das hat 2017 auch EY zu spüren bekommen: Dem Fachportal Juve zufolge hatte das Haus sich um ein großes Mandat bei dem Versicherer Allianz bemüht, der rund die Hälfte der Steuerabteilung auslagern wollte. Gewonnen hat das Mandat am Ende aber der kleinere Konkurrent WTS. Ein großer Erfolg für WTS-Chef Fritz Esterer, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Big Four anzugreifen, wie er im Gespräch mit FINANCE im vergangenen Jahr sagte.
Info
Die Entwicklung der Big-Four-Gesellschaften beleuchtet FINANCE in einer Artikelreihe, die die Positionierung der Häuser in den Geschäftsbereichen Wirtschaftsprüfung, Unternehmensberatung und Steuerberatung nachzeichnet. Den Bericht zur Wirtschaftsprüfung finden Sie hier, den zur Unternehmensberatung hier.
Weitere Artikel und Informationen zu KPMG, PwC, Deloitte und EY sowie die einzelnen Geschäftszahlen in aller Ausführlichkeit finden Sie im Big-Four-Report 2018 sowie auf unserer Themen-Seite zu den Big Four.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.