NEUZur Serie: Top-Dealmaker

Newsletter

Abonnements

Commerzbank schreibt fast 200 Millionen auf Wirecard ab

Weil die Commerzbank an einer Kreditlinie für den insolventen Dax-Konzern Wirecard beteiligt war, muss sie nun offenbar 175 Millionen Euro abschreiben.
Commerzbank

Der Wirecard-Skandal fordert ein weiteres Opfer: Wie die Commerzbank heute bei der Vorlage ihrer Zahlen für das zweite Quartal bekanntgab, musste die Bank 175 Millionen Euro auf ein Einzelkreditengagement abschreiben. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge handelt es sich dabei um einen milliardenschweren Konsortialkredit des insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard.

Wie das „Handelsblatt“ berichtet, führte die Commerzbank ein Konsortium an, das dem Dax-Konzern eine revolvierende Kreditlinie in Höhe von 1,75 Milliarden Euro bereitgestellt hat. Die Commerzbank soll davon 200 Millionen Euro auf die eigene Bilanz genommen haben. Die Bank wollte diese Informationen auf Nachfrage nicht kommentieren.

Die Commerzbank ist aber nicht die einzige Bank, der Abschreibungen aus dem Wirecard-Kredit drohen. Dem „Handelsblatt“ zufolge wurde das Konsortium von vier Banken angeführt: Neben der Commerzbank waren auch die LBBW sowie die beiden niederländischen Großbanken ABN Amro und ING engagiert. Alle vier Banken hätten jeweils 200 Millionen Euro an Krediten bereitgestellt, heißt es in dem Bericht. Ebenfalls an der Kreditlinie beteiligt seien demnach die DZ Bank, die 120 Millionen Euro im Feuer habe. Der Anteil der Deutschen Bank sei mit 80 Millionen Euro deutlich kleiner.

Commerzbank: Risikovorsorge schnellt nach oben

Die Wirecard-Abschreibung belastet die Risikovorsorge der Commerzbank deutlich. Im zweiten Quartal machte sie fast 40 Prozent der gesamten Risikovorsorge aus, die die Commerzbank auf 469 Millionen Euro beziffert – mehr als doppelt so hoch wie im gleichen Vorjahreszeitraum. Damals musste die Bank 178 Millionen Euro für die Risikovorsorge zurückstellen.

Aktuell treibt aber nicht nur die Wirecard-Abschreibung die Risikovorsorge nach oben, sondern auch die Coronavirus-Krise. Wegen ihr musste die Commerzbank im zweiten Quartal 131 Millionen Euro zurückstellen.

Und dennoch fällt das Quartalsergebnis der Commerzbank besser aus, als von Analysten zuvor befürchtet. Die Erträge der Bank stiegen um fast 7 Prozent auf knapp 2,3 Milliarden Euro. Zurückzuführen ist dieser Anstieg insbesondere auf einen Zuwachs beim Provisionsüberschuss. Unter dem Strich konnte die Bank im zweiten Quartal noch einen Gewinn von 205 Millionen Euro verbuchen – das ist allerdings rund ein Drittel weniger als im zweiten Quartal 2019. „Wir haben unsere Erträge im zweiten Quartal gesteigert, das operative Ergebnis ist allerdings durch das Risikoergebnis belastet worden“, kommentiert CFO Bettina Orlopp die Quartalszahlen.

FINANCE-Köpfe

Dr. Bettina Orlopp, Commerzbank AG

Nach ihrem Studium beginnt Bettina Orlopp ihre berufliche Karriere 1995 als Beraterin bei McKinsey. Während dieser Zeit promoviert sie an der Universität Regensburg. 2002 steigt sie bei McKinsey zur Partnerin auf.

Im Jahr 2014 wechselt sie als Bereichsvorständin Development und Strategy zur Commerzbank. Von Mai 2016 bis Oktober 2017 verantwortet sie als Generalbevollmächtigte die Bereiche Compliance, Human Resources und Legal. Im November 2017 wird sie Mitglied des Vorstands. Neben den drei bereits genannten Bereichen kümmert sie sich zusätzlich um die Themen Customer Process und Data Management.

Im März 2020 wird sie zur CFO ernannt. Fortan gehören die Themen Finance, Investor Relations, Tax und Treasury zu ihrer Agenda.

zum Profil

Commerzbank erwartet Verlust für 2020

Der Quartalsgewinn dürfte allerdings nicht ausreichen, um auch am Jahresende schwarze Zahlen zu schreiben. Beim Risikoergebnis erwartet die Commerzbank weitere Belastungen von bis zu 1,5 Milliarden Euro. Vor allem im Firmenkundengeschäft sei „mit stärkeren Corona-Effekten zu rechnen“. Hinzu kämen weitere Restrukturierungskosten, weshalb die Bank für dieses Jahr mit einem Konzernverlust rechnet.

Daran ändert auch der temporäre Kreditboom nichts. Die Commerzbank hat seit Beginn der Coronakrise nach eigener Aussage rund 21.000 Kreditanfragen mit einem Volumen von 20 Milliarden Euro erhalten und davon KfW-Kredite über insgesamt 7 Milliarden Euro genehmigt. Das entspreche einem Marktanteil bei KfW-Krediten bis 100 Millionen Euro von etwa 15 Prozent. Neben diesem Neugeschäft musste die Commerzbank im Gegenzug auch mehr als 33.000 Kredite in Höhe von insgesamt mehr als 3,4 Milliarden Euro stunden.

Risikovorsorge könnte Banken in Bedrängnis bringen

Nach Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs – und dem damit verbundenen unnatürlich niedrigen Risikovorsorge-Niveau – setzen in der Coronakrise faule Kredite die Banken wieder unter Druck. Die Deutsche Bank stellte im zweiten Quartal für drohende Kreditausfälle 761 Millionen Euro zurück – mehr als doppelt so viel wie im gesamten Jahr 2019.

Das liegt Corona-bedingt zu einem großen Teil am Firmenkundengeschäft. Die aktuellen Zahlen der Commerzbank und der Deutschen Bank sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Die Unternehmensberatung Bain geht davon aus, dass die Risikovorsorge im Corporate Banking in diesem Jahr um 150 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen könnte. Die Geldhäuser müssten sich darum noch stärker bemühen, ihre Kosten zu reduzieren und die Kapitaleffizienz zu steigern, sagt Bain-Berater Alexander Huber.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

Info

Mehr über die Finanzchefin der Commerzbank lesen Sie auf dem FINANCE-Köpfe-Profil von Bettina Orlopp. Alle neuesten Entwicklungen und Trends im Corporate Banking erfahren Sie auf unserer Themenseite zum Firmenkundengeschäft.

Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.